Jacob Burckhardt Zitate
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Solche alte Pfaffenstädte haben immer etwas Verlottertes und Fideles, wie ich es gerne habe.
O wie ist mir diesmal der Abschied von Italien schwer geworden! Ich weiß es jetzt, dass ich außerhalb Roms nie mehr recht glücklich sein werde und dass mein ganzes Streben sich törichter Weise in dem Gedanken konzentrieren wird, wieder hinzukommen.
Der Geist ist die Kraft, jedes Zeitliche ideal aufzufassen. Er ist idealer Art, die Dinge in ihrer äußeren Gestalt sind es nicht.
Glück ist ein entweihtes, durch gemeinen Gebrauch abgeschliffenes Wort.
Aber so wenig als im Leben des Einzelnen ist es für das Leben der Menschheit wünschenswert, die Zukunft zu wissen.
Und vor allem ist die Vorstellung vom Glück als einer positiven Empfindung schon falsch, während es nur Abwesenheit des Schmerzes ist, höchstens mit einem leisen Gefühl des Wachstums verbunden.
Größe ist Verbindung eines bestimmten Geistes mit einem bestimmten Willen.
Die Trivialität ist gern tyrannisch und legt gerne dem edlern Geist ihr Joch auf.
Es gibt Völker, Religionen, Parteien, welche Minoritäten vertragen und solche, die sie nicht vertragen.
Der Kleinstaat hat Sinn und Leben nur, wenn er eine Republik und zwar eine wirkliche ist, und gerade so viel ändert und bestehen läßt, als seinen lebendigen Kräften gemäß ist.
Die unvermeidliche letzte Konsequenz jeder Demokratie, der Hader um den Besitz, führt zu einem wahren Höllenleben; immer wieder tritt der Kommunismus auf, und beide Parteien nehmen jede Allianz an, die zum Ziele führt, und erlauben sich alle Mittel.
Für den denkenden Menschen ist gegenüber der ganzen bisher abgelaufenen Weltgeschichte das Offenhalten des Geistes für jede Größe eine der wenigen sicheren Bedingungen des höheren geistigen Glücks.
Halte dich an das Neue Testament, welches immer die beste vorhandene Lösung des Daseinsrätsels ist!
Das Allerseltenste aber ist bei weltgeschichtlichen Individuen die Seelengröße. Sie liegt im Verzichtenkönnen auf Vorteile zugunsten des Sittlichen, in der freiwilligen Beschränkung […], während die politische Größe egoistisch sein muss und alle Vorteile ausbeuten will.
Scheue Ehrfurcht ist der Niederschlag jedes ganz großen Ereignisses.
Die Geschichte ist aber etwas anderes als die Natur, ihr Schaffen und Entstehen- und Untergehenlassen ist ein anderes.
Ob man am Ende mit unsäglicher Plackerei in seinem Fache etwas genützt hat, das trägt doch wenig aus; weit besser ist es, den Geliebten lieb gewesen zu sein und nach eigener Phantasie gelebt zu haben.
Geschichte macht nicht klug, für ein andermal, sondern weise für immer.
Tödlich für Europa ist immer nur eins erschienen: Erdrückende mechanische Macht, möge sie von einem erobernden Barbarenvolk oder von angesammelten heimischen Machtmitteln im Dienst eines Staates oder im Dienst einer […] nivellierenden Tendenz ausgehen, sei sie politisch, religiös oder sozial.
Das neueste in der Welt ist das Verlangen nach Bildung als Menschenrecht, was ein verhülltes Begehren nach Wohlleben ist.
Die Freiheit, daß vom bevorstehenden Tod alter Leute offen gesprochen werden darf, hat ihren Grund darin, daß noch keine optimistische Heuchelei die Taxation des Lebens beherrscht.
Die Bewegung des Lebens geschieht nicht immer durch diametrale, große Gegensätze, sondern durch eine Zersetzung hindurch. Das Leben selber bleibt stets sichtbar.
Sprichwörtlich heißt es: Kein Mensch ist unersetzlich. Aber die wenigen, die es eben doch sind, sind groß.
Der Patriotismus ist oft nur ein Hochmut gegenüber anderen Völkern und schon deshalb außerhalb des Pfades der Wahrheit, oft aber auch nur eine Art der Parteisucht innerhalb des eigenen vaterländischen Kreises; ja er besteht oft nur im Wehtun gegen andere.
Auch auf das Schrecklichste, was geschehen, muss ja die Menschheit sich wieder einrichten, ihre noch heilen Kräfte herbeibringen und weiterbauen.
Was sie [die alten Griechen] taten und litten, das taten und litten sie frei und anders als alle frühern Völker.
Napoleon hatte einen sechsten Sinn für alle Kriegssachen und einen siebten für alles, was zur Machtbereitung diente. Sein wie aller solcher Leute Todfeind: die Ungeduld, die seiner spätern Laufbahn großes Verderben brachte.
Die Religionen behaupten ihre Idealität am ehesten, solange sie sich gegen den Staat leidend, protestierend verhalten. […]
Wissenschaft kann eine Leidenschaft sein, sollte auch nicht ganz ohne sie betrieben werden.
Man ist erst elend, wenn man es weiß und sich nicht mehr darein fügen will.
Die Kunst vermag ein höheres Leben darzustellen, das ohne sie nicht vorhanden wäre.
Die Aufgabe unseres Lebens ist, möglichst allseitig zu werden. Allseitig heißt aber nicht, vieles wissen, sondern vieles lieben.
An der Spitze aller Kultur steht ein geistiges Wunder: die Sprachen…
Die Künste sind ein Können, eine Macht und Schöpfung, ihre wichtigste zentrale Triebkraft, die Phantasie, hat zu jeder Zeit als etwas Göttliches gegolten.
Bleiben Sie heiter! Aufrecht gehaltene ehrliche Arbeitskraft ist auch ein Gottesdienst.
Der Ruhm, welcher von denen flieht, die ihn suchen, folgt denen nach, welche sich nicht um ihn bemühen.
Schicksale von Völkern und Staaten, Richtungen von ganzen Zivilisationen können daran hangen, daß ein außerordentlicher Mensch gewisse Seelenspannungen und Anstrengungen ersten Ranges in gewissen Zeiten aushalten könne.
Es wird dahin kommen mit den Menschen, daß sie anfangen zu heulen, wenn ihrer nicht wenigstens Hundert zusammen sind.
Von allen Wissenschaften ist die Geschichte die unwissenschaftlichste, da sie am Wenigsten eine sichere, zugestandene Methode der Auswahl besitzt und besitzen kann, das heißt, die kritische Forschung hat eine sehr bestimmte Methode, aber die Darstellung nicht.
Der Begriff der Gleichheit ist zweischneidig; sie schlägt um in die Abdikation des Individuums.
Originalität muß man haben, nicht „danach streben“.
Wie große Wälder einmal und dann, wenn ausgerottet, nicht wieder wachsen, so besitzen oder erwerben Mensch und Volk gewisse Dinge in der Jugend oder nie.
Macht ist kein Beharren, sondern eine Gier.
Eine Eigentümlichkeit höherer Kulturen ist ihre Fähigkeit zu Renaissancen. Entweder ein und dasselbe oder ein später gekommenes Volk nimmt mit einer Art Erbrecht oder mit dem Recht der Bewunderung eine vergangene Kultur teilweise zu der seinigen an.
Der Despot kann unendlich viel Gutes stiften, nur nicht eine gesetzmäßige Freiheit herstellen.
Jede erfolgreiche Gewalttat ist aller mindestens ein Skandal, das heißt, ein böses Beispiel.
Die Poesie hat ihre Höhepunkte, wenn sie dem Menschen Geheimnisse offenbart, die in ihm liegen und von welchen er ohne sie nur ein dumpfes Gefühl hätte, wenn sie mit ihm eine wundervolle Sprache redet, wobei ihm zumute ist, als müßte dies einst in einem bessern Dasein die seinige gewesen sein.
Eigentlich müßten wir beständig in der Intuition des Weltganzen leben. Allein hiezu bedürfte es einer übermenschlichen Intelligenz.
Das Mittelalter ist vielleicht im großen eine Zeit der heilsamen Zögerung. Hätte es die Erdoberfläche ausgenützt wie wir, so wären wir vielleicht gar nicht mehr vorhanden. (Ob es schade um uns wäre?)
Das göttliche Recht ist aus dem Gefühl der Regierungen geschwunden – wie sollte der Glaube daran noch im Gefühl der Völker vorhanden sein!