Jacob Burckhardt Zitate
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Wenn wir die fürchterlichen Spalten und Klüfte kennten, welche unser Leben unterirdisch durchziehen, wir würden heut lieber als morgen alle Schätze der Liebe und Hingebung auftun.
Unser Leben ist ein Geschäft, das damalige war ein Dasein; das Gesamtvolk existierte kaum, das Volkstümliche blühte.
Das Neue, Große, Befreiende muß kommen aus dem deutschen Geist, und zwar im Gegensatz zu Macht, Reichtum und Geschäften.
Den Kopf über dem Nebel haben!
Das Wahre und Gute ist mannigfach zeitlich gefärbt und bedingt; auch das Gewissen ist zeitlich bedingt; aber die Hingebung, zumal die mit Gefahren und Opfern verbundene, an das zeitlich bedingte Wahre und Gute ist etwas unbedingt Herrliches.
Kontemplation ist nicht nur ein Recht und eine Pflicht, sondern zugleich ein hohes Bedürfnis; sie ist unsere Freiheit mitten im Bewußtsein der enormen allgemeinen Gebundenheit und des Stromes der Notwendigkeiten.
Womit beginnt Größe? Mit Hingebung an eine Sache, welche es auch sei, mit gänzlichem Absterben der persönlichen Eitelkeit.
Das Jagen nach berühmten Namen hat überhaupt seine großen Schattenseiten; es wäre eigentlich richtiger, die Bilder um ihrer Schönheit willen zu lieben.
Es hat auch der Verdienstvolle der Heimat mehr zu danken als diese ihm.
Die Macht der Erziehung ist fast grenzenlos; es gibt keine natürliche Neigung, welche sie nicht stark genug wäre, einzuschränken und wenn es erforderlich ist durch Entwöhnung zu zerstören.
In unserem eigenen Leben sind wir gewöhnt, das uns Gewordene teils als Glück, teils als Unglück aufzufassen und tragen dies wie selbstverständlich auf die vergangenen Zeiten über.
Bemühe dich, alles das im Umgang hervorzukehren, was von wahrer Herzensgüte, Fidelität und Hingebung in dir ist, und du wirst sehen, daß man dir ebenso antwortet.
Auch das Vergangene in den Künsten und in der Poesie lebt für uns neu und anders als für unsere Vorgänger. […] Einer künftigen Zeit mag es vorbehalten bleiben, auch unsere Urteile wieder zu revidieren.
Die dem Bösen aufs stärkste entgegenwirkende sittliche Kraft: Es ist die rätselhafte Mischung aus Gewissen und Selbstsucht, welche dem modernen Menschen noch übrig bleibt, auch wenn er alles Übrige, Glaube, Liebe und Hoffnung eingebüßt hat.
Das Böse ist ein Teil der großen weltgeschichtlichen Ökonomie; nur neben ihm gibt es ein uneigennütziges Gutes. Es wäre ein unerträglicher Anblick, wenn in Folge konsequenter Belohnung des Guten und Bestrafung des Bösen hienieden die Bösen alle aus Zweckmäßigkeit anfingen, sich gut aufzuführen.
Das Hauptphänomen unserer Tage ist das Gefühl des Provisorischen.
Kultur nennen wir die ganze Summe derjenigen Entwicklungen des Geistes, welche spontan geschehen und keine universale oder Zwangsgeltung in Anspruch nehmen.
Alle echte Überlieferung ist auf den ersten Anblick langweilig, weil und insofern sie fremdartig ist. Sie kündet die Anschauungen und Interessen ihrer Zeit für ihre Zeit und kommt uns gar nicht entgegen, während das moderne Unechte auf uns berechnet, daher pikant und entgegenkommend gemacht ist.
Es ist gut, daß man sich beim Bilde eines solchen Zerstörers [z.B. Timur] davon Rechenschaft gebe, mit welcher Wucht das Böse sich zu Zeiten vordrängen darf. In solchen Ländern wird man auf ewig nie mehr an Recht und an menschliche Güte glauben.
Wenn der Geist sich einmal seiner selbst bewußt geworden, bildet er von sich aus seine Welt weiter.
Schwierig ist es oft, Größe zu unterscheiden von bloßer Macht, welche gewaltig blendet, wenn sie neu erworben oder stark vermehrt wird.
Es ist des Höchsten nicht so viel über die Erde verstreut, daß heute ein Volk sagen könnte, wir genügen uns vollständig, oder auch nur: wir bevorzugen das Einheimische.
Ewigung gegen Zeitung!
Bei allen Zerstörungen lässt sich aber immer eins behaupten: weil uns die Ökonomie der Weltgeschichte im großen dunkel bleibt, wissen wir nie, was geschehen sein würde, wenn etwas, und sei es das Schrecklichste, unterblieben wäre.
Wahre Universalität besteht nicht darin, daß man vieles weiß, sondern darin, daß man vieles liebt.
Die Größe einer Zeitepoche hängt an der Quote der Aufopferungsfähigen, nach welcher Seite es auch sei, Hingebung! Und nicht Garantie fester Besoldung!
Das Christentum hatte wohl sich als rettenden Fortschritt betrachtet, indes nur für die Seinen, und neben sich ein um so böseres Säkulum statuiert mit Einbedingungen der Flucht vor dieser Welt.
Künstler, Dichter und Philosophen haben zweierlei Funktion: den innern Gehalt der Zeit und Welt ideal zur Anschauung zu bringen und ihn als unvergängliche Kunde auf die Nachwelt zu überliefern.
Größe ist, was wir nicht sind.
Die Tragik in Napoleon ist darin beschlossen, daß es der Politiker so treibt, daß der Feldherr nicht mehr nachkommen kann. Napoleon ist unfähig, aus Überwundenen etwas andres als Untertanen oder Vasallen zu machen, sie irgendwie durch Versöhnung zu Alliierten zu gewinnen.
Der Mensch ist nicht bloß, was er ist, sondern auch, was er sich zum Ideale gesetzt hat, und auch, wenn er jenem nicht völlig entspricht, wird durch das bloße Wollen auch ein Teil seines Wesens bestimmt.
Die wirkliche Größe ist ein Mysterium. Das Prädikat wird weit mehr nach einem dunklen Gefühle als nach eigentlichen Urteilen aus Akten erteilt oder versagt; auch sind es gar nicht die Leute vom Fach allein, die es erteilen, sondern ein tatsächliches Übereinkommen Vieler.
Humor ist die Weisheitsform des heiter resignierten Überwinders.
Und so werden wir ewig im Schaffen und Können die Bewunderer und in der Welterkenntnis die Schuldner der Griechen bleiben. Hier sind sie uns nahe, dort groß, fremd und ferne.
Wenn jemand den Leuten den Vorhang der Zukunft hätte lüften und zeigen können, wie man nach hundert Jahren das so kinderleicht Gewonnene noch einmal würde zahlen müssen!
Und nun ist die Macht an sich böse, gleichviel wer sie ausübe. Sie ist kein Beharren, sondern eine Gier und eo ipso unerfüllbar, daher in sich unglücklich und muss also andere unglücklich machen.
Überhaupt geschehen alle geistigen Entwicklungen sprung- und stoßweise. Die Krisis ist als ein neuer Entwicklungsknoten zu betrachten.
Menschen, die man nicht ändern kann, muß man sich begnügen zu studieren.
Im geistigen Gebiet muß man einfach nach dem Höheren und Höchsten greifen, das man erreichen kann.
Die Religionen sind der Ausdruck des ewigen und unzerstörbaren metaphysischen Bedürfnisses der Menschennatur.
Das wahrste Studium der vaterländischen Geschichte wird dasjenige sein, welches die Heimat in Parallele und Zusammenhang mit dem Weltgeschichtlichen und seinen Gesetzen betrachtet.
Der Kleinstaat ist vorhanden, damit ein Fleck auf der Welt sei, wo die größtmögliche Quote der Staatsangehörigen Bürger im vollen Sinne sind.
Vom Matriarchat über das Patriarchat zum Sekretariat.
Napoleon, mit all dem Unheil, welches er über die Franzosen gebracht, ist dennoch weit überwiegend ein unermeßlich wertvoller Besitz für sie.
Die Weltreligionen sind es, welche die größten historischen Krisen herbeiführen. Sie wissen von Anfang an, dass sie Weltreligionen sind, und wollen es sein.
Das Ende vom Lied ist: Irgendwo wird die menschliche Ungleichheit wieder zu Ehren kommen. Was aber der Staat und Staatsbegriff inzwischen durchmachen werden, wissen die Götter.
Als eminent unglücklich gelten natürlich alle Zeiten großer Zerstörung, indem man das Glücksgefühl des Siegers (und zwar mit Recht) nicht zu rechnen pflegt.
Das Mittelalter war die Jugend der heutigen Welt, und eine lange Jugend. Was uns lebenswert ist, wurzelt dort. Für unseren jetzigen Niedergang ist das Mittelalter nicht verantwortlich!
Wer seid ihr eigentlich, daß ihr begehrt, glücklich zu sein? Laßt einmal sehen!
Nur aus der Betrachtung der Vergangenheit gewinnen wir einen Maßstab der Geschwindigkeit und Kraft der Bewegung, in welcher wir selbst leben.