Hugo von Hofmannsthal Zitate
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Man ist vielfache Person als vielfacher Schüler.
Alles, was in einer Sprache geschrieben wird, und, wagen wir das Wort, alles, was in ihr gedacht wird, deszendiert von den Produkten der wenigen, die jemals in dieser Sprache schöpferisch geschaltet haben.
Werde durch Freiheit, was du durch Schicksal bist.
Das Maß des Anstandes liegt bei der Wirklichkeit.
Wie selten ist der reine Blick, das bereite Herz, der aufmerksame Sinn?
Der gefährlichste Gegner der Kraft ist die Schwäche.
Eine Stunde Betrachtung ist besser als ein Jahr Andacht.
In jedem Menschen wohnt eine eigene Unschuld.
Die an der Seele Defetuösen kennen und wittern einander.
Junge Leute tragen im Geistigen oft eine Perücke, aber aus eigenem Haar.
Daß sie ihre eigene Kraft kennen, das ist das Hinreißende an den Liebenden.
Wir gleichzeitig Lebenden sind füreinander von einer geheimnisvollen Bedeutung.
Das Wort ist mächtiger, als der es spricht.
Es gibt eine Stille des Herbstes bis in die Farben hinein.
So lang einer im Glück ist, der hat Freunde die Menge, doch wenn ihm das Glück den Rücken kehrt, verläuft sich das Gedränge.
Im Lichte leben, das ist’s!
Es ziemt uns nicht im Glück und nicht im Leid, die Hände in den Schoß zu legen.
Das Kostbarste zwischen den Menschen ist das Unausgesprochene, und was ausgesprochen wird, ist nicht immer das Beste.
Ich meine, ganz unrecht hat ein Publikum ja nie.
Jenseits der Zeitlarven suchen wir die großen Begriffe, an denen wir uns ein neues Selbst aufbauen.
Allem höheren Denken immer lag das Wunder in der Gemeinschaft des Gegenwärtigen mit dem Vergangenen, im Fortleben der Toten in uns, dem einzig wir danken, daß die wechselnden Zeiten wahrhaft inhaltvoll sind.
Um überhaupt etwas zu sehen, muß man den Sand aus den Augen kriegen, den die Gegenwart beständig hineinstreut.
Es gibt so viele Arten von Zwanzigjährigen, oder von Fünfzigjährigen, als es Arten von Freunden, Liebhabern oder Vätern gibt.
Wir haben nicht die Geschichte, die uns zusammenhalte – da sind bis ins sechzehnte Jahrhundert zurück keine allen Volksteilen gemeinsamen Taten und Leiden, und auch das Geistige, das hinter den Leiden noch steht, und diese zu einem Besitz machen könnte, ist nicht gemeinsam.
Die einzelnen sind es, welche die Leiden der Zeit leiden und die Gedanken der Zeit denken. Und Bücher, aus denen solch ein Schmerz der Zeit spricht, sind die traurigsten und werden sehr berühmt, weil es die einzigen sind, die wir beinahe ganz verstehen können.
Wer das Gesellschaftliche anders als symbolisch nimmt, geht fehl.
Fünf Schicksale leiten den Menschen: seine geistige Natur, sein Körper, sein Volk, seine Heimat, die Sprache. Sich über alle fünf zu erheben, ist das Göttliche.
Die Wollust liebt die Mittel, nicht den Zweck.
Reife ist, wenn man das Vollkommene nicht im Ungewöhnlichen, sondern im Alltäglichen sucht.
Die Umstände haben weniger Gewalt, uns glücklich oder unglücklich zu machen, als man denkt; aber die Vorwegnahme zukünftiger Umstände in der Phantasie eine ungeheure.
Die Gedichte sind wie die unscheinbaren aber verzauberten Becher, in denen jeder den Reichtum seiner Seele sieht, die dürftigen Seelen aber fast nichts.
Kein Stück der Oberfläche einer Figur kann geschaffen werden, außer vom innersten Kern aus.
Politik ist die Kunst des Umgangs auf höherer Stufe.
Deutsch kann man nicht korrekt schreiben, man schreibt individuell oder man schreibt schon schlecht.
Was sorgst du lang, um was du schnell vergessen hast?
Große Gedanken, die eigentlichen Lebensgedanken der „oberen Seele“ stimmen die „untere“ nicht weihevoll, und wir können ganz gut einer abgebrochenen Gedankenreihe Nietzsches nachspüren und zugleich einen blöden crevé um sein englisches smoking beneiden.
Der Mensch, ein sich Kreuzen von Wegen.
Nur Künstler und Kinder sehen das Leben wie es ist.
Das plötzliche Erkennen: Wie nichtig ist alles! wie ähnlich sind wir alle untereinander, wie gleich!
Der Gegenwart entflieht, wer unter die Bauern geht. Der Bauer und die Gegenwart liegen in einem gesunden ewigen Streit, und über der Natur und den Sternen schwebt eine unverwelkliche Zeit, die nichts von der schalen Gegenwart weiß.
Und das ist das einzige, was ein Mann von Niveau sich in jeder schiefen Situation zu sagen hat: man bleibt, was man ist, daran kann eine gute oder schlechte Chance nichts ändern.
Angewöhnungen sind darum so schwer zu bekämpfen, weil sich in ihnen die Trägheit, die sonst jedem Tun entgegenwirkt, mit einem gewissen rhythmischen Tätigkeitssinn verbündet.
Die Ich-Sucht vergeht sich nicht so sehr durch Taten, als durch Nicht-Verstehen.
Daß wir sie überschätzen, dazu ward die Vergangenheit unserem Gedächtnis einverleibt.
Ein Sonnenstrahl kann einen anderen Menschen aus mir machen.
Es gibt nicht zwei Menschen auf der Erde, die nicht durch eine teuflisch ausgedachte Indiskretion zu Todfeinden gemacht werden können.
Der Dialekt erlaubt keine eigene Sprache, aber eine eigene Stimme.
Möglichst viel schweigen und dabei heiter bleiben.
Wir besitzen ein ganzes Arsenal von Wahrheiten, welches stark genug wäre, die Welt in einen Sternennebel zurückzuverwandeln, aber es ist jedes Arkanum im eisernen Tigel verschlossen, – durch unsere Starrheit, unsere Vorurteile, unsere Unfähigkeit, das Einmalige zu fassen.
Die gefährlichste Sorte von Dummheit ist ein scharfer Verstand.