Hermann Bahr Zitate
seite 1
Ein charmantes Kompliment ist ein geglückter Seiltanz zwischen Wahrheit und Übertreibung.
Wir trommeln nur immer wieder aus, was wir alles können, was wir alles leisten, aber die Welt erfährt nie, was wir sind.
Wohin man blickt, findet man bei den Sozialreformen nichts als Unklarheiten, Halbheiten, große Worte, Unfruchtbarkeit und Sackgassenvorschläge.
Eine neue Generation kündigt sich immer dadurch an, daß sie glaubt, auf irgendeinem Gebiet eine neue Wahrheit entdeckt zu haben.
Nichts ist törichter, als wenn Erwachsene meinen, sich zu Kindern immer erst geistig herabschrauben zu müssen, die meistens selbst viel mehr Lebensernst, Lebenssinn, Lebensmut und ein viel reineres Bedürfnis nach Wahrheit haben, als wer schon nach Gewinn schielen gelernt hat.
Nein, Import ist der Nationalismus nirgends, aber überall entsteht Nationalismus erst durch Import, nämlich als Antwort auf Import, als Alarmsignal, wenn sich der Geist eines Volkes durch Import fremder Geistesart bedroht fühlt. Nationalismus ist immer zunächst ein Hilferuf.
Wer einen Mann erkennen, sein Wesen einsehen will, soll die Frauen betrachten, die er liebt.
Mancher Aphorismus ist das Grabmal eines frühzeitig verstorbenen großen Gedankens.
Gemeinsamkeit ist immer etwas Hinzugekommenes, und wir wissen nicht was.
Im Grund gibt es doch überhaupt nur religiöse Fragen.
Indem wir etwas beim Namen nennen, verliert es an Macht über uns.
Wenn ein Mensch immer nur bemerkt, was da ist, und nie das Werdende, so kann er nicht einmal ein leidlicher Politiker sein.
Kein Volk will den Krieg, aber jedes hält sich einen Stand, dessen Angehörige den Krieg brauchen, wenn für ihr Gefühl nicht ihr ganzes Leben vergeudet sein soll.
Ist das ein Naturgesetz, daß politische Parteien desto lauter, je kleiner sie sind?
Durch die Sprache hat sich der Urmensch von den Schrecken der Erscheinungen befreit, sobald das Wort sie fixiert hatte, waren sie gleich nicht mehr so fürchterlich.
Neuer Geist scheidet nämlich alten nicht aus, sondern saugt ihn auf.
Herr bleibt auch als Knecht der Herr, der Gemeine bleibt gemein, äußeres Schicksal kann der inneren Bestimmung nichts anhaben.
Es ist sehr schwer, aus der Ferne der Stimme eines einzelnen anzuhören, wie weit sie in seinem eigenen Land trägt.
Wer so viel Hass, Neid, Verleumdung, Wut, Liebe, Bewunderung und Streit erntete wie Karl May, verdiente es schon um dieser Kraft willen, gehört zu werden.
Schlamperei und Bureaukratie sind ja wahlverwandt.
Politik ist immer ein Roßhandel.
Alle Politik, auf welche Grundsätze sie sich berufen mag, wird tatsächlich allein dadurch bestimmt, daß der Mächtige die Macht behaupten, der Ohnmächtige die Macht beschränken will.
Lästige Wahrheiten, vor denen man zuerst erschrickt, wird man am besten los, indem man sie gelassen ausspricht. Daher auch der alte Brauch, Gefahren, Schäden, Übel jeder Art zu „besprechen“.
An Haaren fehlt es nie, woran alles herbeigezogen wird, außer auf den Zähnen.
Nichts auf der Welt trägt so viele Masken wie die Eifersucht.
Auch mir gilt es für ausgemacht, daß Politik etwas ist, worauf sich kein anständiger Mensch einlassen kann, ohne innerlich beschädigt zu werden.
Politik ist recht eigentlich die Kunst, sich auf den eigenen Vorteil ebenso gut als auf den des Nachbars zu verstehen und diesen für jenen auszunützen, indem man sich des Nachbars so bedient, daß er dabei meinen muß, man diene ihm.
… wie viele Menschen sich, solange man ihre Selbstsucht ungestört läßt, jeder unnötigen Gemeinheit enthalten, wie sehr die meisten ihre Natur mäßigen.
Wahrheit ist ein Ausgleich von Gegensätzen.
Wer wagen will, sich zu kennen, muß verzichten, sich zu gefallen.
Denn an keine Formel, auch an die jüngste nicht, ist die unendliche Entwicklung menschlicher Kultur gebunden.
Als Adam das Paradies verlor, glitt mit ihm ein Abglanz der ewigen Wahrheit mit in die Welt des Scheins hinaus, der kann in der Menschheit, wie dunkel es auch oft um sie wird, nie ganz verlöschen.
Was sich so gemeinhin Freund zu nennen pflegt, das will doch immer etwas mit uns, wenn es nicht gar von uns etwas will; es zerrt nur an uns herum.
Je mehr ein Mensch weiß, desto weniger ahnt er.
Allem Lebendigen ist auch wieder eine Sehnsucht über sich hinaus, ein verwegener Drang, seiner Grenzen zu spotten, eine Lust nach dem Verbotenen beigemischt.
Das Leben hat kein Geländer.
Ich kann nicht ohne Klarheit leben.
Und merkwürdig sei, daß gerade – je universaler die Weltgemeinschafts- und Verbrüderungsgefühle werden, welche in den letzten Jahren viele Autoren von sich aussagen, desto exklusiver die Form und die Sprache wird, in der sie es tun, bald versteht sie nur mehr ein ganz kleiner Kreis von Eingeweihten.
Kurz, wir erleben jetzt, wie die gelobte deutsche „Bildung“ ihren Schwindel deklariert und sich selber auflöst…
Das Leben draußen ist ganz dasselbe geblieben, das Leben bleibt immer dasselbe, nur der Mensch ändert sich mit den Jahren, er wird um so besser, je mehr er durchgebraten wird.
…denn mit der Gerechtigkeit nehmen es immer nur die Schwachen ernst, während sie von den Starken höchstens gelegentlich als Redeschmuck verwendet wird.
Die ganze Geistesgeschichte kommt einem wirklich zuweilen wie eine große Tombola vor; aber am nächsten Tag freilich wieder wie eine einzige prachtvolle Fuge.
Es scheint gar nicht darauf anzukommen, was einer sagt, sondern nur wie, gar nicht auf den Gehalt, sondern nur auf die Gewalt des Sagens.
Unser Unterricht besteht ja darin, uns das Fragen abzugewöhnen, durch Antworten, mit denen wir nichts anfangen können.
Deutschland ist nicht nur materiell im Zustand des Ausverkaufs; wir stehen auch mitten in einem schrecklichen Ausverkauf des deutschen Idealismus.
Denn das Leben des Menschen wird wesenlos, der hinter seiner zufälligen Existenz nicht mehr die beglückende Versicherung einer Nation fühlt.
Vielleicht kann überhaupt nur wer liebt, erst geben, lieben ist geben, sich geben, sich ergeben [und dies in jedem erdenklichen Sinne von Ergebung].
Ein Volk setzt sich zusammen aus seinen Toten, seinen Lebenden und seinen Kommenden.
Der Dichter ist der geborene Vertrauensmann des Volkes.
Es gibt keine Meister mehr, oder es gibt so viele, daß der Name nicht mehr ehrt.