Heinrich von Treitschke Zitate
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Der Staat kann nicht blos Form sein; bloße Formen giebt es gar nicht.
Die gereifte Sittlichkeit beginnt mit echter Selbsterkenntnis.
Gibt es irgendeinen Gedanken, der heute einen rechten Deutschen lauter noch als das Gebot der allgemein-menschlichen Pflicht zu sittlichem Mute mahnen kann, so ist es dieser Gedanke: was du auch tun magst, um reiner, reifer, freier zu werden, du tust es für dein Volk.
Es ist bekannt, daß jeder gesunde Bauernverstand einen Rangstolz hat, wie ihn der Bürger und Edelmann gar nicht kennt.
Die Macht der Gemeinheit und Dummheit ist nur zu oft größer als die Macht der Ehrlichkeit und des gesunden Menschenverstandes.
Personen sind es, welche die Geschichte machen. Wie es zugeht, daß der rechte Mann zur rechten Zeit erscheint, wird uns Sterblichen immer ein Rätsel sein: die Zeit bildet das Genie, aber sie schafft es nicht.
Der Trieb der menschlichen Natur, das Interesse, das dem Staate zu Grunde liegt, ist überall dasselbe.
Unsere Briefe aber sind infolge der Schnelligkeit des Verkehrs und des billigen Portos so furchtbar inhaltslos geworden, daß man geistreiche Briefe wie in früheren Kulturperioden gar nicht mehr findet.
Wenn du über irgend etwas deine Ansicht äußerst, so thue es ohne Leidenschaft und mit Vorsicht, mag der, welcher dir zuhört, auch noch so gierig sein.
Wie sehr der persönliche Wille des Königs zuweilen schaden kann, das haben wir schon oft erfahren und werden es ferner erfahren. Aber wenn wir Monarchisten sind, so müssen wir uns überzeugen, daß dieser Zustand erträglicher ist, als wenn der Monarch zu einer Puppe wird.
Wenn bei irgendeiner Gelegenheit, wo das allgemeine Stimmrecht gebraucht, kaum zwei Drittel, ja vielleicht nicht einmal die Majorität der Stimmberechtigten an die Stimmurne kommt, so ist dies ein Votum gegen das ganze System überhaupt.
Politische Freiheit ist politisch beschränkte Freiheit – dieser Satz, vor wenigen Jahrzehnten noch knechtisch gescholten, wird heute von jedem anerkannt, der eines politischen Urteils fähig ist.
Die Moral muß politischer werden, wenn die Politik moralischer werden soll, d.h. es müssen die Moralisten erst erkennen, daß man das sittliche Urteil über den Staat aus der Natur und den Lebenszwecken des Staates und nicht des einzelnen Menschen schöpfen muß.
Im Gang der Weltgeschichte ist zu erkennen, daß eine göttliche Gerechtigkeit waltet.
Es scheint, als müßten manche großen der Poesie erst durch viele Hände gehen, bevor das Eisen zum Stahl wird und ein echter Künstler die schneidige Klinge schmieden kann.
Man kann ohne Fremdwörter klare Begriffe in der Wissenschaft nicht aufstellen. Darin zeigt sich gerade die Kraft der deutschen Sprache, daß sie eine so große Anzahl von Fremdwörtern hat verdauen können.
Die Begeisterung für die rechte Tapferkeit ist der Jugend schönstes Vorrecht.
Nicht die Intelligenz beherrscht den Menschen, sondern der Wille, dem die Intelligenz nur dient. Man kann deshalb auch nicht die Intelligenz zum Maßstab nehmen für den moralischen Fortschritt des Menschen
Auf der stetigen Veränderung der Verträge beruht der Fortschritt der Geschichte. Jeder Staat muß dafür sorgen, daß seine Verträge lebenskräftig bleiben und nicht veraltern, damit sie ihm nicht eine andere Macht durch Kriegserklärung kündigt.
Nur die höheren Stände ermöglichen dem Handwerker den Betrieb seines Handwerks, und die Unternehmer sind es, die die wirtschaftliche Arbeit leisten.
Die Macht ist das Prinzip des Staates, wie der Glaube das Prinzip der Kirche, die Liebe das der Familie ist.
Die Gleichheit ist ein inhaltsloser Begriff, sie kann ebensowohl bedeuten gleiche Knechtschaft aller wie gleiche Freiheit aller.
Der Staat ist keine Akademie der Künste, wenn er aber seine Macht vernachlässigt zu Gunsten der idealen Bestrebungen der Menschheit, so verleugnet er sein Wesen und geht zu Grunde.
Theoretiker sind in der Regel der Ansicht, alle Menschen bestimmten sich in ihrem Handeln zunächst nach vernünftigen Erwägungen. Das fällt ihnen gar nicht ein: Millionen bestimmen sich nach dunklen Instinkten und fühlen sich wohl dabei.
Durch zu viel Nachsicht verliert die Frau ihr Ansehen und die Dienstboten vergessen ihre Schuldigkeit; zuviel Strenge hingegen kann die Natur nicht aushalten.
Ohne beständige Arbeit der Selbstbestimmung und Selbstprüfung schreiten die menschlichen Dinge nicht vorwärts.
Wir gewahren, daß gerade in freien Staatsformen mit starker politischer Teilnahme der Massen die soziale Duldsamkeit immer geringer wird, und daß mit dem Steigen der eigentlichen politischen Freiheit die soziale Duldsamkeit gegen das Ich des einzelnen Menschen immer mehr schwindet und schwinden muß.
Für die politische Entwicklung eines Volkes ist vor allem wichtig die alte Wahrheit, daß ein Staat durch dieselben Kräfte erhalten wird, die bei seiner Bildung mitgewirkt haben. Deshalb haben alle gesunden Staaten von jeher einen konservativen Zug in sich getragen. Dies gilt für allen Staatsformen.
Politischen Stolz hat der Deutsche sehr wenig.
Der Staat ist sich selbst Zweck wie alles Lebendige: denn wer darf leugnen, daß der Staat ein ebenso wirkliches Leben führt wie jeder seiner Bürger?
Einen geschichtlichen Helden, der nicht national gewesen wäre, hat es nie gegeben.
Jeder, der ein ernsthaftes Buch schreibt, täte materiell viel besser, stattdessen vier schlechte Novellen zu schreiben.
Es bildet die Achtung, welche der Staat der Person und ihrer Freiheit erweist, den sichersten Maßstab seiner Kultur.
Der Schein der Konsequenz ist das unsterbliche Verdienst der Beschränktheit.
Es ist eine rohe und barbarische Anschauung, wenn man die Kunstpflege des Staates als Luxus auffaßt. Die Kunst ist dem Menschen so nötig, wie das tägliche Brot, und der Staat ist da, um der Kunst monumentale Aufgaben zu setzen.
Wenn nicht Menschen da wären, welche die niedrige Arbeit verrichten, so könnte die höhere Kultur nicht gedeihen. Wir kommen zu der Erkenntnis, daß die Millionen ackern, schmieden und hobeln müssen, damit einige Tausende herrschen, malen und dichten können.
Wäre die Geschichte eine exakte Wissenschaft, so müßten wir im Stande sein die Zukunft der Staaten zu enthüllen. Das können wir aber nicht, denn überall stößt die Geschichtswissenschaft auf das Räthsel der Persönlichkeit. Personen, Männer sind es, welche die Geschichte machen.
Es ist gar kein ernster politischer Idealismus möglich ohne den Idealismus des Krieges.
Die Politik soll nach der Methode des historischen Denkens aus empirischen Betrachtungen deduzieren.
Es gilt von dem Leben der Völker, was von der Natur gilt, daß keine neue Kraft angesammelt werden kann, ohne einen Verlust nach anderer Seite.
In demselben Maße als die Bürger reifer werden für die Selbsttätigkeit, in demselben Maße ist der Staat verpflichtet, ja, gezwungen – zwar dem Umfang nach vielseitiger, aber der Art nach bescheidener zu werden.
Männer machen die Geschichte.
Die Schule hat dem Leben zu dienen, nicht aber das Leben erwachsener Männer schulmeisternden Pedanten.
Was man heute politische Ansichten nennt, ist meist nur der Ausdruck wirtschaftlicher und sozialer Interessen.
Das Duell ist das unentbehrlichste letzte Notmittel gegen die Verwilderung der Gesellschaft.
Der höchste denkbare Grat der Gleichheit, der Kommunismus, ist, weil er die Unterdrückung aller natürlichen Neigungen voraussetzt, der höchste denkbare Grad der Knechtschaft.
Die Dichtung soll etwas Höheres sein als der getreue Abdruck der Wirklichkeit.
In sozialistischen Ideen ist jederzeit der verwegenste Idealismus mit dem begehrlichsten Materialismus zusammengetroffen.
Die Demokratie setzt eine allgemeine Gleichheit voraus, die in Wirklichkeit nirgends vorhanden ist. Die Natur bildet alle Organismen ungleich. Es ist also die Ungleichheit in der bürgerlichen Gesellschaft gegeben und der Staat kann sie nicht aufheben.
Man kann den Adel einer Nation daran erkennen, ob bei ihr die Kunst älter ist als der Komfort.