Hedwig Dohm Zitate
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Das Gemüth, das Herz ist die Königin der Welt; es ist die Quelle aller größten und aller ärgsten Thaten der Menschheit; und ob sie ihren Purpur in Blut oder in die Morgenröthe lauterer Empfindung tauche, von jeher haben Verstand und Vernunft ihr Handlangerdienste geleistet.
Es gibt Kinder, die gleichsam gepanzert zur Welt kommen, Dickhäuter, von denen alle Pfeile abprallen, Kinder mit starken Instinkten der Selbsterhaltung. Andere aber sind wehrlos geboren mit so dünner Seelenhaut, daß schon ein Hauch sie verletzt.
Sage mir, sage, wie soll man in Rom ohne Liebe sein!
Wenn mir einer sagte: Gehorche oder ich breche dir das Genick! o wie geschwind würde ich gehorchen.
Nimmermehr glaube ich an einen Gott der Kanonen und Bajonette! Wo die Erde blutet, weint der Himmel.
Ich erkenne Nichts an, was nicht Andere auch in mir anerkennen.
Wahnsinn – ist das etwas Anderes, als das Stillhalten den Ideen, Visionen, die zu uns kommen und von uns gehen, wir wissen nicht, woher und wohin, und über die wir keine Macht haben?
Ein Allzuhungriger, der sich eilig vollstopft, ernährt sich schlecht.
Der Glaube an die uranfänglich eingeborne Volksseele ist ein metaphysicher Aberglaube. Die Wissenschaft lehrt, daß die Eigenart eines Volkes erzeugt und bedingt wird durch Boden, Klima und Geschichte, durch die politischen und ökonomischen Zustände eines Landes.
Gewiß, jeder hat das Recht, seine Meinung frei zu äußern; das Recht aber, diese Meinung mit der Wahrheit zu identifizieren und für den Andersdenkenden Scheiterhaufen zu errichten, das hat er nicht.
Würdest Du nur nach allem gefragt haben, ich hätte schon geantwortet, aber wir zwei Beide sind wirklich etwas zu diskret, zimperlich diskret.
Der Mensch im Sarge, der den Deckel hebt, ein wenig hebt, das ist das Bild unseres ganzen Seins. Der Leib – der Sarg. Das brennende Verlangen, hinaus – hinauf! das ist die Kraft, die heben will, will, und nicht kann.
Jede Nation hat ihr eigenthümliches Gepräge, sie hat eine Volksseele.
Man spricht so viel von dem großen Glück des Kindes, das die Mutterliebe ihm gibt, man spricht von dem trauervollen Geschick der Kinder, die früh die Mutter verloren. Aber man spricht nicht von dem viel größeren Unglück des Kindes, das eine Mutter hat, die keine Mutter ist.
Gefühle und Vorstellungen aber, die auf Instinkt beruhen, führen leicht zu Stagnation, zur Intoleranz, zur Fiktion absurder Zustände. Instinkte sind nimmermehr Faktoren des Fortschritts.
Verheiratet sein! nach alter Denkgewohnheit heißt’s: Zwei sollen eins sein! Seltsamste, wundergläubigste Vorstellung! Barer Unsinn wär’s in der Mathematik, und ist’s auch sonst.
Die Männer, indem sie von den Eigenschaften der Frauen sprechen, haben gewiß alle Recht.
Auf dem Stern des Jupiter mag ewige Gerechtigkeit wohnen, auf dem der Venus ewige Liebe. Auf dem Stern der Erde herrscht Eigennutz, Macht, Eifersucht und Kampf.
Glaube nicht, es muss so sein, weil es so ist und immer so war. Unmöglichkeiten sind Ausflüchte steriler Gehirne. Schaffe Möglichkeiten.
Wie der Engel im Paradies, hält der Mann das flammende Schwert in Händen, aber… nicht um uns auszutreiben, sondern um uns gewaltsam gegen unsern Willen darin festzuhalten!
Seltsam, daß die Haut unser Schicksal ist.
Kein organisches Wesen, also auch keine Frau, wird auf die Dauer in einer Sphäre leben können, die seiner Natur entgegen ist.
Einige einleitende Worte über Frauenarbeit im Allgemeinen gestatte man mir vorauszuschicken. […] Herr v. Bischof sagt an einer Stelle: Jedes Geschlecht habe seine besonderen Funktionen, Frauen könnten nicht leisten, was Männer leisten, und umgekehrt, Männer nicht, was Frauen. – Ist das wahr? Nein!
Die Charakterschwachen machen Front gegen die Frauenbewegung – aus Furcht. Sie haben immer Angst, von der Frau – besonders von ihrer eigenen – unterdrückt zu werden. Weil sie sich heimlich ihrer Schwäche bewußt sind, betonen sie bei jeder Gelegenheit ihre Oberhoheit.
Es ist etwas in mir wie ein vages Erinnern an Weitentlegenes, das vor langer, langer Zeit gewesen, vielleicht nur Träume, die ich einst geträumt und vergessen habe.
… denn jeder Mensch, sei er noch so trefflich angelegt, ist der Entartung fähig.
Die Rückwärtsglaubenden sehen heut‘ noch auf Erden Zustände, wie sie vor Jahrhunderten waren.
Wen der Tod gestreift – und streift er mich nicht noch? – und wer bewusst in sein eisig erhabenes Antlitz geblickt, der bewahrt etwas zeit- und erdentrücktes. Er redet, nicht mehr laut. Er hat Ewigkeitsbilder geschaut.
Nicht jeder gewaltigen Denkkraft ist es vergönnt, an der Oberfläche zu erscheinen.
Die Zeit ist die größte Revolutionärin; nur schreitet ihr eherner Schritt langsam, langsam aufwärts. Und das ist die tiefe Tragik der Vorausdenkenden, daß sie ihre Zeit nie erleben, das heißt, sie kommt erst, wenn sie gegangen sind.
Die Erde wird erkalten, und nie mehr werden Menschen auf ihr wandeln. Welcher Zeitraum ist der Rede wert, wenn man ihn an Ewigkeiten mißt!
Der Pfeife des Rattenfängers von Hameln gleichen die jungen Verliebtheiten. Sie lockt – wohin? Man weiß es nicht, ob auf einen Dornenweg, ob in ein Land, wo die Sonne nicht untergeht.
Ein Schlangennest ist in meiner Brust, und die Giftschleichen trinken mein Blut. Und sie zischen, zischen.
Was für ein Entzücken müsste es sein große Gedanken zu empfangen wie Musik, die sich in unser Hirn schmeichelt, wie Wogen des Lichts, die unsere Finsternisse hinwegfluten.
Verschwände die Erde und mit ihr der Mensch aus dem Weltkreis, vielleicht würde das All nicht tiefer davon berührt, als die Erde etwa von einem Erdbeben auf Sizilien.
Allein, ebenso wenig wie der Ausgang eines Duells zwischen zwei Individuen ein Gottesurteil darstellt, entscheidet bei Völkerduellen Sieg oder Niederlage über Wert oder Unwert, Recht oder Unrecht der Parteien. Mit erzgegossenen Kugeln erschießt sich keine Nation Recht, Freiheit und Fortschritt.
Verlogenheit aber ist ein Seelenzustand, in dem Wahrheit und Dichtung, Kunst und Natur, Aufrichtigkeit und Falschheit so ineinander verwoben sind, daß selbst die Inhaber dieses Zustandes diese Elemente nicht mehr von einander unterscheiden können. Verlogenheit ist moralischer Weichselzopf.
Brüder des Bluts werden nur Brüder im Geiste sein, wenn sie in derselben geistigen und physischen Atmosphäre großgezogen sind.
Aus ihrer Macht über die Frauen leiten die Männer ihre Rechte den Frauen gegenüber her. Die Thatsache der Herrschaft ist aber kein Recht.
Glauben aber sollen wir nimmermehr an Dinge (und sollte dieser Glauben auf einer sogenannten Ewigkeit fußen), die zu einem Mittel der Unterdrückung werden können.
Jeder echte Mann schaudert bei der Vorstellung, daß seine Frau klüger sein könnte, als er.
Dummheit oder auch nur Beschränktheit des Gesichtskreises ist wie ein dickes Fell, das gleichmäßig vor Ueberhitzung und Erstarrung schützt.
Zu leben, wenn Einer wünscht, dass man tot wäre – schrecklich!
Ich will reisen, weit fort! In die weite, weite Welt! Der Druck auf meinem Gehirn wird weichen. […] Die kleine Hausfrauenseele loswerden, einen Schimmer erhaschen von der großen Weltseele.
Das ließ mich schaudern, daß wir immer wieder von uns selber Abschied nehmen, von dem, was wir für einen Lebensinhalt hielten; daß auf neue Freuden immer neue Gräber folgen.
Aber – ich soll ein echtes, ein wahres Weib sein! Was ist denn das: ein wahres Weib? Muß ich, um ein wahres Weib zu sein, bügeln, nähen, kochen und kleine Kinder waschen?
Schreiben muss ich, ich kann ja mit Niemandem sprechen.
Unmöglichkeiten sind Ausflüchte anemisch steriler Gehirne. Schaffen wir Möglichkeiten! Alle geistig-seelischen Schätze, die ungehoben in Menschenbrust ruhen, sie seien wachgerufen! Ein großes Wecken, eine Revolutionierung der Geister!
Glücklicherweise hat die Vorsehung es so eingerichtet, daß die Männer selten die geistige Superiorität ihrer Frauen, wenn solche vorhanden ist, gewahr werden, sonst würde es noch mehr unglückliche Ehen geben, als es ohnedies schon gibt.
Die Adamsrippe ist dauerhaft. Sie spukt noch immer als Symbolikum in den Gehirnen der Menschen.