Gregor Brand Zitate
seite 4
Voyeurismus ist wahrscheinlich nicht die langweiligste Weltanschauung.
Es ist eine Gemeinheit der Natur, daß man fremde Fehler oft schon vorher und eigene häufig nicht einmal nachher erkennt.
Wer behauptet, Liebe zu eigenen Kindern stehe der Liebe zu Gott entgegen, der lästert Gott auf eine kaum steigerbare Weise.
Den meisten Aphorismen fällt es schwer, den richtigen Gesichtsausdruck zu finden.
Es ist zum Glück ungleich einfacher, jemandem ins Wort als um den Hals zu fallen.
Die Zulassung der Priesterehe durch Luther hat viele vormals uneheliche Kinder ehelich und ehrlich gemacht, wenn ihr priesterlicher Vater nun heiratete. In der katholischen Kirche dagegen mussten Priesterkinder die Schande bleiben, die sie niemals waren.
Wer wüsste ohne Pflanzen schon, dass alles eine Wurzel hat?
Großzügig ist nicht, wer bei einem Fehler anderen ein Auge zudrückt.
Würde die Hoffnung wirklich zuletzt sterben, dann gäbe es niemanden mehr, dem dies auffallen würde
Menschen, die ihre Religion nicht frei wählen können, sollten sich wenigstens ihren Glauben aussuchen dürfen.
Konsequent sein – das bedeutet oft, einen Gedanken zu seinem Unglück zu zwingen.
Platon und Cusanus, Kant und Nietzsche: Sie wollten die Welt erkennen und kannten noch nicht einmal eigene Kinder
Träume: Wölfe im Schafspelz.
Spätestens nach dem Tod brauchen wir für unser Leben ein Alibi.
Mit dem Messer der Gegenwart versucht man immer vergeblich, die Vergangenheit anzuschneiden. Die Vergangenheit ist unverwundbar. Man kann dabei nur die Gegenwart oder die Zukunft zum Bluten bringen.
Wer nicht will, daß ich kritisch bin, will, daß ich nicht bin.
Dass man Appetit auf sich selber hat, wird erst dann schlimm, wenn man anfängt sich selbst zu verzehren.
Wenn die Zeit schneller vergehen soll, nützt es nichts, den Uhren Fußtritte zu versetzen.
Dem Geist macht es nichts aus, einen Teil seines Lebens in Zellen verbringen zu müssen.
Es hat keinen Zweck, es zu verheimlichen: Die Erde ist und bleibt Regenholiker.
Zu viele Sätze sind Mumien toter Gedanken.
Während an den Gottesbeweisen schon die größten Denker gescheitert sind, beweist jeder gemeine Lump mit Leichtigkeit die Existenz des Teufels.
Wir sollten uns Gott zum Vorbild nehmen. Zum Beispiel betet Gott keinen Gott an.
Ich würde im Zweifel lieber zu Beichttöchtern als zu Beichtvätern gehen.
Prominente: Sind das nicht diejenigen, die so berühmt sind, dass sie sich selber kaum mehr kennen?
Würde – wird nicht nur im Deutschen immer etwas Konjunktivisches haben.
Arroganz der Macht ist ein Spezialfall der Ignoranz der Macht.
Für erstaunlich viele Menschen ist die Anziehungskraft der Erde nichts gegenüber derjenigen von Alkohol.
Wer das Lachen heilig spricht, hat meist wenig zu lachen.
Reichtum des Geistes – läßt er sich an die Armen im Geiste überhaupt weitergeben? Am wirkungsvollsten wird Geistreichtum auf biologischem Weg, durch Zeugung und Geburt, fortgepflanzt.
Gute Aphoristiker geizen mit Worten, aber verschwenden Gedanken.
Kein Gedanke bleibt unvergänglicher als der, dass alles vergänglich ist.
Das allein erziehende Mutterland.
Die meisten Menschen wissen halbwegs, was sie denken, aber nicht im geringsten, welche Philosophie sie haben.
Beim Sterben verhalten sich die Dümmsten nicht anders als die Klügsten: Sie tun es nur einmal. Wenn Sterben ein Fehler ist, dann zeigt sich, daß dabei auch die Dümmsten endlich klug geworden sind: Diesen Fehler machen sie nicht noch einmal.
Schopenhauers Gefühle gegenüber Sklavenhaltern sind dieselben wie diejenigen Thoreaus: Er verachtet sie. Schopenhauer war auch als unverheirateter Einzelgänger Thoreau ähnlich.
Die meisten Gedanken sind bloß Tagestouristen der Gehirnzellen.
Je klüger jemand ist, desto immuner ist er gegenüber Lob und anfälliger gegenüber Tadel.
Würde die Erkenntnis wirklich auf einem Baum wachsen, so gäbe es den größten Streit darum, ob es nicht besser wäre, den Baum zu fällen, bevor er Früchte trägt.
Menschen, die die Kompliziertheit unserer Welt beklagen, muß man vielleicht daran erinnern, daß Gott auch noch ganz anders gekonnt hätte.
Wer Gott zum Feind hat, kann Genialität nicht zum Freund haben.
Vielleicht spielt bei der christlichen Marienverehrung auch der Gedanke eine untergründige Rolle, daß der Vater fast immer unsicherer ist als die Mutter.
Als alternder Mann jung sein wollen: Quadratur des Greises.
Für niemanden sollte die Tiefe seines Falls ein Grund sein, hochmütig zu werden.
Heutzutage sind viele Abiturientinnen sexuell erfahrener als ihre Großmütter bei der Goldenen Hochzeit. Macht das jene jünger oder älter?
Daß sie selbst nicht wissen, wo sie sich befinden, hat Philosophen und Theologen noch nie daran gehindert, anderen die Richtung weisen zu wollen.
Ein Volk, das Intelligenz als höchsten Wert schätzt, wählt nicht den Adler zu seinem Wappentier.
Die Biographie der meisten Männer enthält zahlreiche weiße Flecken.
Die Sterblichkeit des Papiers hat schon viele unsterbliche Gedanken mit in den Tod gerissen.
Es gab schon allzu viele politische und ideologische Bewegungen, die – hätte man sie gewähren lassen – alles zum Stillstand gebracht hätten.