Alexander Moszkowski Zitate
Es gibt Schriftsteller, die leben vom Nichtverstandenwerden. Bei einigen von ihnen kann man sogar einen Aufstieg von Fiasko zu Fiasko beobachten. Das Geheimnis ihres Erfolges besteht darin, daß er nicht vorhanden ist, und ihr Lorbeer beginnt zu welken, sobald man anfängt, sie zu verstehen.
Es gibt eine Folgerichtigkeit auch im Falschen.
Rückwärts gemessen, bedeutet ein Jahrhundert im Leben einer Sprache sehr wenig, vorwärts gemessen, eine Ewigkeit.
Wir stecken über und über in dramatischen Reformen, hören aber fast nie die Lösung.
Ewig still steht die Vergangenheit, – wenn sie nicht von den Kaffeeschwestern Spießruten gejagt wird.
Und niemals ist es zu erhoffen, daß die Wortfläche auch nur annähernd das Ausmaß der Denkfläche erreichen könnte.
Es ist dem Soldaten strengstens verboten, sein Kommißbrot zu verkaufen, oder sonst Handel damit zu treiben, bevor er es selbst aufgegessen hat.
Das Bewusstsein wird in jedem Augenblick von etwas gefärbt und betont, was der greifbaren Gegenwart gar nicht angehört. In allen Vorstellungen waltet ein Hinüberklingen aus der Vergangenheit, ein Vorausklingen der Zukunft.
Wäre die Gedankensprache und die Schriftsprache nichts anderes als das Mittel der Verständigung im Sinne der Nachricht, so besäßen wir im Telegrammstil das Ideal des Ausdrucks.
Das gegenwaertige Sprachgefühl gilt immer nur für die Gegenwart einer so oder so eingestellten Einzelperson; neben ihr leben andere mit erweitertem Sprachgefühl, und ganz gewiß wird die Zukunft uns alle, die wir noch mühsam die Grenzstriche erforschen, als engbrüstig und pedantisch erklären.
Die Sprachlogik läßt sich nicht in Regeln pferchen; was heute falsch klingt, kann morgen richtig klingen und umgekehrt. Es kommt immer nur darauf an, wie der Redeteil sich in den Gebrauch des Tages, des Jahres, des Jahrzehntes einfügt.
Denn die pedantische Regel ist stets bereit, ihr letztes Wort auszusprechen, sobald die kurzgeschnittene Elle der Notwendigkeit einen Überfluß nachweist.
Wer nur über zehntausend Worte verfügt, mag sich damit reich vorkommen, verfünffacht sich sein Reichtum, so wird er Mangel empfinden.
Es findet keiner einen genialen Satz, eine geniale Strophe, dem nicht das Genie aus den Poren bricht.
Weil uns die Sprache vom Jahre 1800 der heutigen so ähnlich vorkommt, daß wir sie lesen wie die unsrige, machen wir leicht den Schluß, das müßte sich wohl bei angenommener Umkehrung ebenso verhalten.
Gewiß, man kann mit Fremdworten kauderwelschen, aber man kann auch mit Heimworten kauderdeutschen?
Ein Buch schreiben, das heißt: an willfährige Leser glauben.
Kann sich eine Kunst auf ihren Eigenwert berufen, auch wenn Niemand vorhanden ist, der sie versteht?
Wer es darauf anlegt, verkannt zu werden, der nimmt auch leicht die Figur des Weltschmerzlers an.
Die Zeitung verfliegt mit dem Tage, mit der Woche, das Buch bleibt bestehen, wird immer wieder gelesen.
Man mag Sprachfragen aufstellen wie man will, ein Grundzug bleibt allen gemein, und auf irgend eine Weise gerät man immer wieder ans Fremdwort, weil im Weltwort ein Teil der zukünftigen Weltgestaltung beschlossen liegt.
Ein Volk der Denker ist mithin ein Volk der Stilisten. Wer den Stil des Volkes benörgelt, daneben aber dessen Denkstärke gelten lassen möchte, verfällt einem unheilbaren Widersinn, denn er will Dinge trennen, die ewig untrennbar bleiben.
Es liegt kein vereinzeltes Goldkorn im Sande. Finden sich ihrer nicht mehrere, so war’s ein Messingsplitter.
Jede Rechnung findet ihre Gegenrechnung. Man kann in reinen Deutschworten ein miserables Deutsch schreiben und mit einer Fülle von Fremdworten ein vorzügliches Deutsch.
Ich bin nicht sehr gut zu Fuß und würde heute als Mitbewerber im Stafettenlauf geringe Aussichten haben: aber zu Wagen bin ich ausgezeichnet, und als Insasse eines D-Zuges halte ich die größten Geschwindigkeiten aus.
Verdienstlich nennt man etwas, wobei nichts verdient wird.
Alle Philosophie ist nur Ausdruck und Umschreibung der uns fehlenden Worte. Besäßen wir die uns fehlende Million Worte, so brauchten wir keine Philosophie. Denn die Sprache selbst enthielte dann schon die Summe aller Denkweisheit.
Die Menschsprache zerfällt nicht in Nationalsprachen und setzt sich nicht aus ihnen zusammen; ebensowenig wie sie in Konsonanten und Vokale oder in Formenlehre und Syntax zerfällt.
Wenn ein Unkundiger statt vier Wochen Esperanto zu üben, die nämlichen vier Wochen Englisch oder Französisch paukt, so wird er zwar von diesen Sprachen nur ein Minimum in Besitz bekommen, aber mit diesem Wenigen in der Welt sehr viel weiter reichen, als mit dem Höchstbesitz von Esperanto.