Alexander Kluge Zitate
Die „Kategorie der Besonderheit“, dass nämlich das einzelne Element im Kern autonom ist und die „Kategorie des Zusammenhangs“, dass viele Details große Kommentarwerke ergeben, das zusammen bildet das Ideal der Moderne.
Im Kommentar darf der Dichter seinen Auftritt haben. Aber in dem geschriebenen Text soll er zurücktreten.
Eine Wahrheit wird erst geprüft, indem man sie ins Komische zieht.
Wir Menschen sind genetisch so eingerichtet, dass wir Vertrauen haben müssen. Wenn wir keinen Grund haben, Vertrauen zu entwickeln, erfinden wir diesen Grund. Wenn die Mutter mich als Kind nicht anlächelt, werde ich mir dieses Lächeln, das ich brauche, imaginieren.
Die Menschen muss man nicht zertrümmern, sie sind bereits zertrümmert, nur ihre Fragmente leben. Und wenn Menschen das zugeben, können sie menschlich sein (oder werden); wenn sie es nicht zugeben, sind sie selber Phrase, eine bloße Absicht und als solche eher inhuman.
Der menschliche Neugiertrieb ermüdet, wenn er immerzu auf die Hauptsache guckt.
Die Gefühle sind langsam.
Das Städtische ist eine Toleranzleistung, die es in wirklichen Städten am seltensten gibt, die aber mit der Stadtgründung zusammenhängt und immer wieder vorscheint. […] Die Sehnsucht nach Stadt tragen wir ins uns, als Idee.
Die Musik transportiert ältere Schichten als das Wort.
Der Intellekt nützt Ihnen bei der Liebe nicht viel.
Es gibt keine Erfahrung auf Vorrat, fürchte ich, weil man einen emotionalen Grund braucht, um Erfahrungen aufzugreifen.
Es gibt nicht eine Welt, es gibt nicht eine Wirklichkeit, sondern die Wirklichkeit ist durchlässig wie eine dünne Eisdecke. Sie können durchrutschen in die Katastrophe oder zu den glücklichen Zwergen, die sozusagen andere Gesetze haben.
Philosophie ist nichts Abstraktes. Sie geht um mit dem, was für mein Leben relevant ist. […] Die Theorie, unser Denken, ist verankert in den Emotionen. Ratio ist verdichtete Emotion.
Musik ist Heterotopie. Es gibt zwei Universen, das eine ist die bittere Wirklichkeit, daneben gibt eine zweite, träumerische. Von der Verbindung der beiden handelt die Musik. Das macht ihre Gravitation aus.
Die Evolution, die schon im Kosmos beginnt, ist zu vielfältig, um durch die Einfälle einer Gegenwart sabotiert zu werden.
In Gefahr und großer Not bringt der Mittelweg den Tod.
Es gibt immer neben der Realität den Konjunktiv, die Möglichkeitsform, ganz dicht neben dem Realen. Es gibt Heterotopien, die Wand an Wand mit der Wirklichkeit permanent existieren.
Man kann ein Zwerchfell, das lachen muss, nicht beherrschen. Weder durch Befehle, noch durch eine Kirchenatmosphäre, noch durch irgendetwas.
Man muss den gesunden Zweifel, den jedes Kind hat, dass das Grausam-Wirkliche auch unrealistisch ist, den muss man aufrechterhalten.
Die Teilung der Künste ist aufgepropft, und es ist gar keine Grenzüberschreitung, wenn man diese Aufpropfung unterläuft.
Die Authentizität ist immer fragmentarisch. Der Mensch ist noch nicht entworfen als Ganzheit. Allerdings sind schon Millionen Jahre vor uns, in der Evolution, Elemente entwickelt worden, die durchaus Zusammenhänge bilden und von denen leben wir.
Viele Dinge in der Realität werden dadurch zu einer selbstbewussten Erfahrung für Menschen, weil sie erzählt werden. […] Erzählen ist etwas anderes als Information.
Offenbar neigt die Macht zur perversen Form der Parade. Der preußische Stechschritt gehört zu dem Ungesundesten, was es gibt. […] Die menschlichen Knie und Füße wollten nicht nach Stalingrad. Menschliche Körper wollen generell nicht verbrannt werden.
Ein Kunstwerk beleuchtet das andere. Wie Konstellationen bilden sie gemeinsam einen Sternenhimmel.
Wenn ich gegen das Realitätsprinzip, gegen das, was die Realität mir antut, Protest erhebe, bin ich realistisch. Ich bin also realistisch aus einem anti-realistischen Grund.
Der Witz ist ein Dopingmittel für unsere Erinnerung.
Die Oper ist ein Kraftwerk der Gefühle.
„In jeder Oper, die von Erlösung handelt, wird im 5. Akt eine Frau geopfert…“ Es fängt mit Verliebtheit an und endet mit Scheidung. Es beginnt im Jahr 1933 und endet in Trümmern. Die großen Opern beginnen vielversprechend mit gesteigertem Gefühl, und im 5. Akt zählen wir die Toten.
Kein historischer Prozess ist, bevor die Menschlichkeit nicht hergestellt ist, abgeschlossen.
Man kann nicht versuchen, in Hochsprache Philosophie allein einzufangen.