Georg Christoph Lichtenberg Zitate
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Ich kannte einen Gelehrten, der so oft den Homer las und so in der klassischen Welt lebte, dass er das Wort angenommen nicht richtig lesen konnte, sondern stattdessen immer Agamemnon las.
Ich hat mir’s zur Regel gemacht, dass mich die aufgehende Sonne nie im Bett finden soll, solange ich gesund bin.
Statt zu übersetzen sollten sich Köpfe, die nichts Besseres zu tun wissen, auf das Registermachen legen.
Jedes Mädchen ist die Verwalterin der weiblichen Mysterien. Es gibt Stellen, wo Bauernmädchen aussehen wie Königinnen; das gilt von Leib und Seele.
Grade das Gegenteil tun ist auch eine Nachahmung, und die Definitionen der Nachahmung müßten von Rechts wegen beides unter sich begreifen.
Er kann sich einen ganzen Tag in einer warmen Vorstellung sonnen.
„Der Schmeichler mit dem Spiegel-Gesicht“, sagt Shakespeare sehr vortrefflich, „the glass faced flatterer“. Die Wucherer nennt er „Kuppler zwischen Geld und Mangel“.
Wenn die Menschen plötzlich tugendhaft würden, so müßten viele Tausende verhungern.
„Wise“ ist ein Schimpfwort im Englischen, „he is a wise one“ heißt so viel als er ist ein einfältiger Pinsel.
Da werden die Engel einmal recht gelacht haben.
Eine einzige Seele war für seinen Leib zu wenig, er hätte zwoen zu tun genug geben können.
Alles hat seine Tiefen. Wer Augen hat, der sieht alles in allem.
Einer von den Neger-Sklaven in den Plantagen der Literatur.
Jeder Mensch hat auch seine moralische backside, die er nicht ohne Not zeigt, und die er so lange als möglich mit den Hosen des guten Anstandes zudeckt.
Verbrannte Bücher lasse ich wohl gelten, aber verbrannte Braten!
Der Satz muss noch mit einem Bruch multipliziert werden.
Es gibt Leute, die können alles glauben, was sie wollen; das sind glückliche Geschöpfe.
Es geht ihnen durch die Köpfe, wie die magnetische Materie durch Gold ohne ihm die geringste Richtung zu geben.
Er sagt immer Agamemnon statt angenommen, so sehr hatte er seinen Homer gelesen.
Ist die Macht der Liebe unwiderstehlich, oder kann der Reiz einer Person so stark auf uns wirken, daß wir dadurch unvermeidlich in einen elenden Zustand geraten müssen, aus welchem uns nichts als der ausschließende Besitz dieser Person zu ziehen im Stande ist?
Ob nicht eine stehende Macht von Rezensenten gut wäre, die die Streitigkeiten der übrigen Gelehrten führten und die Gerechtsamen und Vorzüge der Nationen dartäten: Diese Leute müßten ebensoviel Gelehrsamkeit mit Beredsamkeit besitzen als die Soldaten Tapferkeit.
Weil er seine eigenen Pflichten immer vernachlässigte, so behielt er Zeit übrig, zu sehen, wer von seinen Mitbürgern seine Pflichten vernachlässigte, um es der Obrigkeit anzuzeigen.
Beim Disputieren ist ein sehr feiner und bitterer Griff, erst die Gründe des Gegners noch viel stärker vorzustellen, als er sie selbst vorzustellen imstande war, und dann alles mit triftigen Gründen aus dem Wege zu räumen.
Das Wohl mancher Länder wird nach der Mehrheit der Stimmen entschieden, da doch jedermann eingesteht, daß es mehr böse als gute Menschen gibt.
Um über gewisse Gegenstände mit Dreistigkeit zu schreiben, ist fast notwendig, daß man nicht zu viel davon versteht.
Die erste Satire wurde gewiß aus Rache gemacht. Sie zu Besserung seines Neben-Menschen gegen die Laster und nicht gegen den Lasterhaften zu gebrauchen, ist schon ein geleckter abgekühlter zahm gemachter Gedanke.
Es ist eine traurige Liebe, wo man zum ersten Mal im Grab miteinander zu Bette geht.
Geld macht bekanntlich nicht glücklich, es ist aber auch keine Voraussetzung für Unglück.
Der liebe Gott mit seinen Vasallen. Statt einer Monarchie Gottes haben wir nun Feudal-System.
Es ist zwar wahr, Esprit ist Nonsense, aber nicht jeder Nonsense ist Esprit.
Die Mönche zu Lodève in der Gascogne erklärten eine Maus für heilig, die eine geweihte Hostie gefressen hatte.
Das Sorgenschränkchen, das Allerheiligste der innersten Seelen- Ökonomie, das nur des Nachts geöffnet wird. Jedermann hat das seinige.
Und was ist Kränklichkeit (nicht Krankheit) anderes als innere Verzerrung?
Ich frage alle Physiognomen, ob sie nicht einmal aus den Gesichtern auf Vornamen geschlossen haben.
Die großen Begebenheiten der Welt werden nicht gemacht, sondern sie finden sich.
Wenn unsern Pädagogen ihre Absicht gelingt, ich meine, wenn sie es dahin bringen können, daß sich die Kinder ganz unter ihrem Einfluß bilden, so werden wir keinen einzigen recht großen Mann mehr bekommen.
Etwas in Prose oder in Versen arbeiten zu können, ist zu gewissen Zeiten eben so bequem, als sich selbst rasieren oder frisieren zu können.
Manche Menschen lesen nur, weil sie zum Denken zu träge sind.
Man will wissen, daß im ganzen Lande seit 500 Jahren niemand mehr vor Freude gestorben wäre.
Ein gewisser Freund, den ich kannte, pflegte seinen Leib in drei Etagen zu teilen, den Kopf, die Brust und den Unterleib, und er wünschte öfters, daß sich die Hausleute der obersten und untersten Etage besser vertrügen.
Sollten es nicht die guten Menschen sein, die die Religion verehren; anstatt daß die Religion die guten Menschen macht?
Die Klugheit eines Menschen läßt sich aus der Sorgfalt ermessen, womit er das Künftige oder das Ende bedenkt.
Die sichere Überzeugung, daß man könnte, wenn man wollte, ist Ursache an manches guten Kopfes Untätigkeit, und das nicht ohne Grund.
Heutzutage haben wir schon Bücher von Büchern und Beschreibungen von Beschreibungen.
Ehe man tadelt, sollte man immer erst versuchen, ob man nicht entschuldigen kann.
Dauerndes Glück ist nur in Aufrichtigkeit zu finden.
Wunder geschehen plötzlich. Sie lassen sich nicht herbeiwünschen, sondern kommen ungerufen, meist in den unwahrscheinlichsten Augenblicken und widerfahren denen, die am wenigsten damit gerechnet haben.
Zwei auf einem Pferd bei einer Prügelei ist ein schönes Sinnbild für eine Staatsverfassung.
O wie oft habe ich der Nacht gebeichtet, in der Hoffnung, daß sie mich absolvieren würde, und sie hat mich nicht absolviert!
Zimmermanns Fragmente über Friedrich II. enthalten manches gute Korn, allein das Buch muß erst gedroschen, dann gesichtet und geworfelt werden, oder eigentlich der Verfasser erst gedroschen und das Buch gesichtet und geworfelt werden.