Friedrich Theodor Vischer Zitate
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Die Welt ist das Dasein Gottes nicht in ruhiger Weise, sondern so, daß Gott sein Dasein darin stets verbessert, stets auf neue eine geringere Form durch eine bessere beschämt. Gott ist eben diese wunderbare und heilige Unruhe.
Mach‘ anderen Freude! Du wirst erfahren, daß Freude freut.
Außer dem Lächeln haben die Pessimisten auch ausgelassen: das Lachen. Sie sind ganz humorlos.
Eine berechtigte Revolution kann mit ihren Helden scheitern, aber sie überlebt ihren Untergang, sie wirkt unsichtbar fort und bricht wieder hervor.
Man muß mit gepackten Koffern lieben.
Die Klassiker waren so glücklich, nichts von Klassizismus zu wissen.
Die Tücke des Objekts.
Es gibt keinen besten Staat, weil es keinen guten gibt. Es kann nur einen möglichst wenig schlechten geben.
Idee bezeichnet immer den in seiner Wirklichkeit rein und mangellos gegenwärtigen Begriff.
Du darfst kein Menschenverächter werden, weil du nie wissen kannst, wer aus der schlechten Mehrheit fähig, empfänglich ist, in die Minderheit heraufgehoben zu werden. Die Grenze zwischen beiden ist flüssig.
Orakel, Wünschelrute, Pendel und meinetwegen auch Tarotkarten sind bloß die Verstärker, die Lautsprecher für etwas, das bereits in uns schlummert, aber dessen Impulse zu ungewohnt sind, als daß wir sie inmitten des Lärms in unseren Köpfen wahrnehmen würden.
Dem Gesetze: Jedes Kunstwerk soll sich selbst erklären, genügt keine Kunst so ganz und eigentlich, wie die Poesie.
Du hast Langeweile? Mußt nach Unterhaltung jagen? Hast du denn an dir keine Gesellschaft? Kannst du dich gar nicht entzweispalten, und hat, wenn du es kannst, der eine de anderen gar nichts zu sagen?
Gutmütigkeit bedeutet gar nichts, ist nur ein Zustand; die Gutmütigen sind so lange gut, bis sie bös werden, und dann sind sie recht bös.
Der Humor ist voll Unschuld, aber er ist nicht die einfache Unschuld eines Kindes, sondern eine solche, die, durch innere Wehen, durch Zerrissenheit, Kampf, Schuldbewußtsein hindurchgegangen, sich wieder mit ihrem Gott versöhnt hat.
Das Schöne ist immer Mikrokosmos.
Die Einheit macht der Tyrann, die Freiheit das Volk.
Übrigens hat man, wenn man es zeitweise bei den Menschen nicht mehr aushält, die Tiere.
Ein Dichter ist immer gescheiter als er selbst; freilich auch dümmer als er selbst.
Wenn du ein Weib ganz kennst und noch liebst, so hüte dich, sie das erstere merken zu lassen. Durchschaut zu sein, erträgt ein Weib nicht. Im Grunde mit Recht. Sie wissen, daß sie nur durch Zauber wirken.
Ich gehe an keinem gewaltsamen Unglück zugrund, sondern stolpere über einen Strohhalm.
Wer gar zu sehr für den Anstand ist, dem wäre denn doch zu sagen, daß es auch unanständig sei, geboren zu werden.
Suchet nicht, so werdet ihr finden.
Man kann das Schöne definieren durch: Einheit von Harmonie und Beseeltheit.
Das ist doch wahr, daß das Verhocken, die Stubenluft, die Verweichlichung in raffinierten Bedürfnissen und Genüssen, die Trennung des Gehirnlebens vom Muskelleben an der Brechung der Charaktere, an der schrecklich wachsenden Blasiertheit unserer Generationen die Schuld mitträgt.
Wißt es, ihr Köpfe, mit meinen Fehlern und mit meinem Wahnsinn hab‘ ich so gut ein Recht, zu existieren, wie ihr mit euren Fehlern und mit eurem Kahlsinn!
Das Genie ist eine geistige Naturkraft.
Und wäre eine Welt wider mich, ich rede, weil ich reden muß!
Du möchtest der Zeit nach immer leben, mein lieber Piepmeyer? Aber wenn du auf immer neuen Planeten ewig ein neues Zeitleben lebst, so kommt es in jedem derselben immer nur darauf an, ob du vermagst, ins Zeitlose emporzusteigen. Von der endlosen Zeit, mein Lieber, hast du gar nichts.
Jede Sprache hat… noch Nektar im Keller. Da sind die Dichter, die Schenken, ideale Kellner.
Der Verstand ist ein Kammerdiener. Ein unentbehrlicher, tüchtiger – aber er ist einer.
Ein denkender Mensch… weiß, daß das Vergnügen nicht erjagt, nur gestohlen oder gefunden wird.
In der Liebe, meint man ja, gelte nur ein Gesetz: unendlich gut sein!
Zwischen der zur Kirche verhärteten Religion und zwischen dem Staate gibt es so wenig irgendein gesundes Verhältnis, als zwei Füße in einem Schuh stecken.
Seit ich nichts mehr glaube, bin ich erst religiös geworden.
Ist sie auch geistreich? fragt ihr jetzt zumeist. Was wollt ihr denn? Herz heißt des Weibes Geist; wird sie unendlich lieben können, dürft ihr getrost sie geistreich nennen.
Der Humorist treibt immer Metaphysik. Wo der Naive ein Übel als einzelnes verschmerzt, der Witzige den Ärger los wird durch einen Witz, da denkt der Humorist weiter und sieht das allgemeine Elend und Übel, daß in Wahrheit nichts rein ist.
Behandle den Menschen als frei und selbständig, so wird er es; achte seine Menschenrechte, so lernt er sich selbst achten.
Frauenmode Die letzte Kleidermode war Noch immer nur so so; Jetzt erst, jetzt sind wir ganz und gar Ein wandelnder Popo.
Geschmack haben heißt ein Schönheitsgesetz fühlen und anerkennen, heißt finden, begreifen, thun, was zusammenpaßt, auch in der Region, die dem Zufall des freien Beliebens überlassen ist, in der Region wo keine Kunstrichter Sitzungen halten.
O Heinrich, sprich doch zärter!
Großgewachsene Kinder-Teufelei habe ich die Grausamkeit gegen das Tier genannt.
Der Hund hat etwas der Religion Analoges in sich, indem er getreuer Knecht ist. – Um dieses Besten willen ist schändlicherweise sein Name ein Schimpfwort geworden.
Selbst in der Liebe darfst du dich nie gehen lassen. Das liebreichste Weib möchte dich beherrschen. Nie ist Waffenstillstand.
Wie nobel ist selbst die verrückteste politische Leidenschaft gegen die Gelbsucht der Geldsucht! Gestern ein paar solche Gesichter in der Gesellschaft. Zum Erbrechen. Ein grausig Mördergesicht ist flott dagegen.
Die lyrische Dichtung ist Poesie des Gefühls, das reine Gefühl aber ist nicht beredt, weil es nicht Bewußtsein ist.
Die wahre, reine Poesie hat als solche seinen Zweck; sie will nicht erziehen, sondern einfach die Welt in idealem Licht zeigen.
Die Menschen wissen doch auch von nichts als von Alternativen! Entweder – oder, so steht’s in ihren Zwischenwandköpfen!
Eine der liebenswürdigsten Etappen auf Gottes Weltgang vom Guten zum Besseren ist die Schöpfung des Hundes.
Auf! Frischauf und nicht gezaget! Weiter in die Welt hinein! Immerzu und frisch gewaget, Heute darf nicht gestern sein!