Franz Kafka Zitate
seite 2
Ich glaube, man sollte überhaupt nur noch solche Bücher lesen, die einen beißen und stechen. Wenn das Buch, das wir lesen, uns nicht mit einem Faustschlag auf den Schädel weckt, wozu lesen wir dann das Buch? Ein Buch muß die Axt sein für das gefrorene Meer in uns.
Alles, was nicht Literatur ist, langweilt mich.
Im Augenblick der Liebe wird der Mensch nicht nur für sich, sondern auch für den anderen Menschen verantwortlich.
Man darf niemanden betrügen, auch nicht die Welt um ihren Sieg.
Die Menschheitsentwicklung – ein Wachsen der Sterbenskraft.
Der Weg ist unendlich, da ist nichts abzuziehn, nichts zuzugeben und doch hält jeder noch seine eigene kindliche Elle daran. Gewiß auch diese Elle Wegs musst du noch gehn, es wird dir nicht vergessen werden.
Das Mißverhältnis der Welt scheint tröstlicherweise, nur ein zahlenmäßiges zu sein.
Die Vorstellung von der unendlichen Weite und Fülle des Kosmos ist das Ergebnis der zum Äußersten getriebenen Mischung von mühevoller Schöpfung und freier Selbstbestimmung.
Oft ist es sicherer in Ketten gefesselt, als frei zu sein.
Die verbitterten Gesichtszüge eines Mannes sind oft nur die festgefrorene Verwirrung eines Knaben.
Wahrheit ist unteilbar, kann sich also selbst nicht erkennen; wer sie erkennen will, muß Lüge sein.
Was bist du? Elend bin ich. Zwei Brettchen gegen die Schläfen geschraubt habe ich.
Die Kunst fliegt um die Wahrheit, aber mit der entschiedenen Absicht sich nicht zu verbrennen.
Die Fesseln der gequälten Menschheit sind aus Kanzleipapier.
Wer glaubt, kann keine Wunder erleben. Bei Tag sieht man keine Sterne.
Laß dich vom Bösen nicht glauben machen, du könntest vor ihm Geheimnisse haben.
Jedes Ideal erzeugt ebensoviele Heilige wie Märtyrer.
Ich kann wieder ein Zwiegespräch mit mir führen und starre nicht so vollständig ins Leere. Nur auf diesem Wege gibt es für mich eine Besserung.
Der Schlüssel zur ewigen Jugend ist die Fähigkeit, das Schöne zu sehen! Wer diese Fähigkeit besitzt, wird niemals alt.
Die Demut gibt jedem, auch dem einsam Verzweifelnden, das stärkste Verhältnis zum Mitmenschen, und zwar sofort, allerdings nur bei völliger und dauernder Demut.
Das Glück, das dir am meisten schmeichelt, betrügt dich am ehesten.
Zwei Aufgaben des Lebensanfangs: Deinen Kreis immer mehr einschränken und immer wieder nachprüfen, ob du dich nicht irgendwo außerhalb deines Kreises versteckt hältst.
Unsere Kunst ist ein von der Wahrheit Geblendet-Sein: Das Licht auf dem zurückweichenden Fratzengesicht ist wahr, sonst nichts.
Jeder lebt hinter einem Gitter, das er mit sich herumträgt. Darum schreibt man jetzt soviel von den Tieren. Es ist ein Ausdruck der Sehnsucht nach einem freien natürlichen Leben. Das natürliche Leben für den Menschen ist aber das Menschenleben.
Das Tier entwindet dem Herrn die Peitsche und peitscht sich selbst, um Herr zu werden, und weiß nicht, daß das nur eine Phantasie ist, erzeugt durch einen neuen Knoten im Peitschenriemen des Herrn.
Die Guten gehn im gleichen Schritt. Ohne von ihnen zu wissen, tanzen die anderen um sie die Tänze der Zeit.
Die Jugend ist glücklich, weil sie fähig ist, Schönheit zu erkennen. Jeder, der sich die Fähigkeit erhält, Schönes zu erkennen, wird nie alt werden.
Das Leben ist eine fortwährende Ablenkung, die nicht einmal zur Besinnung darüber kommen läßt, wovon sie ablenkt.
Der Freund ist die Verbindung zwischen Vater und Sohn, er ist ihre größte Gemeinsamkeit.
Dieses ganze Schreiben ist nichts als die Fahne des Robinson auf dem höchsten Punkt der Insel.
Zweifellos ist in mir die Gier nach Büchern. Nicht eigentlich sie zu besitzen oder zu lesen, als vielmehr sie zu sehen, mich in der Auslage eines Buchhändlers von ihrem Bestand zu überzeugen.
Mit primitivem Blick gesehn ist die eigentliche, unwidersprechliche, durch nichts außerhalb (Märtyrertum, Opferung für einen Menschen) gestörte Wahrheit nur der körperliche Schmerz.
Eine durch Schritte nicht tief ausgehöhlte Treppenstufe ist, von sich selber aus gesehen, nur etwas öde zusammengefügtes Hölzernes.
Wie ein Weg im Herbst: Kaum ist er rein gekehrt, bedeckt er sich wieder mit den trockenen Blättern.
Er läuft den Tatsachen nach wie ein Anfänger im Schlittschuhlaufen, der überdies irgendwo übt, wo es verboten ist.
Und Christus? Das ist ein lichterfüllter Abgrund. Man muß die Augen schließen, um nicht abzustürzen.
Die Sprache kann für alles außerhalb der sinnlichen Welt nur andeutungsweise, aber niemals auch nur annähernd vergleichsweise gebraucht werden, da sie, entsprechend der sinnlichen Welt, nur vom Besitz und seinen Beziehungen handelt.
Ich gehe absichtlich durch die Gassen, wo Dirnen sind. Das Vorübergehen an ihnen reizt mich, diese ferne, aber immerhin bestehende Möglichkeit, mit einer zu gehn. Ist das Gemeinheit?
Was ist Liebe? Das ist doch ganz einfach! Liebe ist alles, was unser Leben steigert, erweitert, bereichert. Nach allen Höhen und Tiefen. Die Liebe ist so unproblematisch wie ein Fahrzeug. Problematisch sind nur Lenker, die Fahrgäste und die Straße.
Wenn man einander schreibt, ist man wie durch ein Seil verbunden.
Prag läßt nicht los. Dieses Mütterchen hat Krallen.
Auf jeden Fall gibt es Möglichkeiten für mich, aber unter welchem Stein sind sie verborgen?
Wie kann man sich über die Welt freuen, außer wenn man zu ihr flüchtet?
Nun haben aber die Sirenen eine noch schrecklichere Waffe als den Gesang, nämlich ihr Schweigen.
Denn wir sind wie Baumstämme im Schnee. Scheinbar liegen sie glatt auf, und mit kleinem Anstoß sollte man sie wegschieben können. Nein, das kann man nicht, denn sie sind fest mit dem Boden verbunden. Aber sieh, sogar das ist nur scheinbar.
Wir wurden aus dem Paradies vertrieben, aber zerstört wurde es nicht. Die Vertreibung aus dem Paradies war in einem Sinne ein Glück, denn wären wir nicht vertrieben worden, hätte das Paradies zerstört werden müssen.
In einer Welt der Lüge wird die Lüge nicht einmal durch ihren Gegensatz aus der Welt geschafft, sondern durch eine Welt der Wahrheit.
Alle Wissenschaft ist Methodik im Hinblick auf das Absolute. Deshalb ist keine Angst vor dem eindeutig Methodischen nötig. Es ist Hülse, aber nicht mehr als alles außer dem Einen.
Die dir zugemessene Zeit ist so kurz, daß du, wenn du eine Sekunde verlierst, schon dein ganzes Leben verloren hast, denn es ist nicht länger; es ist immer nur so lang wie die Zeit, die du verlierst.
Dichtung ist immer nur eine Expedition nach der Wahrheit.