Fernando Pessoa Zitate
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Wolken ohne Schatten, Auf der Südseite aber, Ist ein Stückchen Himmel Traurig blau.
In einem Hühnerstall, aus dem man ihn zum Schlachten herausholen wird, kräht der Hahn Hymnen auf die Freiheit, weil man ihm darin zwei Sitzstangen eingebaut hat.
Schreibt auf mein Grab: Hier ruht, ohne Kreuz, Alberto Caeiro, Gegangen, die Götter zu holen… Ob die Götter leben oder nicht, ist eure Sache. Mir habe ich hinterlassen, sie mögen mich empfangen.
Die Frau ist eine gute Quelle für Träume. Berühre sie nie!
Wir besitzen nichts, weil wir nicht einmal uns selbst besitzen.
Stumm betrachte ich den See, den eine Brise kräuselt. Nichts weiß ich, wenn ich an das Ganze denke Oder es ist das Ganze, das mich vergisst.
Erst sei frei und dann erforsche die Freiheit.
Die Schönheit des nackten Körpers können nur die bekleideten Rassen würdigen. Das Schamgefühl wirkt auf die Sinnlichkeit wie ein Hindernis auf die Energie.
Im Grunde genommen ist der religiöse Mensch ein Hedonist. Das allgemeine religiöse Gefühl ist ein Gefühl des Genusses, alles im Leben gelöst zu haben.
Die einzige Tragödie ist unser Unvermögen, unser Selbst in seiner ganzen Tragik zu begreifen.
Man sollte die Existenz eintönig gestalten, damit sie nicht eintönig werde.
Nichts zeigt die Ärmlichkeit des Geistes deutlicher an als die Tatsache, daß man nur auf Kosten anderer Leute geistreich sein kann.
Schlaf, dass das Leben ein Nichts ist! Schlaf, dass alles vergeblich ist!
Morgen ist der Tag der Pläne. Morgen will ich mich an den Schreibtisch setzen und die Welt erobern; aber die Welt erobern will ich erst übermorgen… Ich möchte weinen, ich möchte urplötzlich weinen von innen heraus.
Die Literatur ist die angenehmste Art und Weise, das Leben zu ignorieren.
Güte ist das Feingefühl roher Seelen.
Wer Liebe gibt, verliert Liebe.
Leben ist die Unschlüssigkeit zwischen einem Ausrufungszeichen und einem Fragezeichen. Für den Zweifel gibt es den Punkt.
Das Regieren beruht auf zwei Dingen: Zügeln und betrügen.
Jedes Ding ist, je nach dem, wie man es betrachtet, ein Wunder oder ein Hindernis, ein Alles oder ein Nichts, ein Weg oder eine Sorge.
Zwischen Schlaf und Traum, Zwischen mir und was in mir ist Und was ich vermute zu sein, Fließt ein unendlicher Fluss.
Nie hatte ich genug Geld, um die Langeweile fühlen zu können, nach der mich verlangte.
Es gibt keine Regeln. Alle Menschen sind Ausnahmen einer Regel, die es nicht gibt.
Gerechtigkeit ist für die Güte, was die Enthaltsamkeit für die sexuelle Feigheit ist.
Je höher ein Mensch steht, auf desto mehr Dinge muß er verzichten.
Das praktische Leben schien mir immer der unbeqemste aller Selbstmorde zu sein.
Es kommandiert, wer nicht fühlt.
Weiß ich, welche Übel ich hervorrufe, wenn ich erziehe oder unterrichte? Im Zweifelsfall enthalte ich mich der Stimme.
Stark sein bedeutet, fühlen können.
Das gesamte Leben der menschlichen Seele ist eine Bewegung im Schatten. Wir leben in einem Zwielicht des Bewußtseins, uns nie dessen sicher, was wir sind, oder dessen, was wir zu sein glauben.
Ich habe keine Begabung zum Chef, auch nicht zum Gefolgsmann.
Der Überdruß ist nicht die Langeweile des Nichts-zu-tun-Habens, sondern die ärgere Krankheit, zu fühlen, daß es sich nicht lohnt, irgendetwas zu tun.
Überlege nie, was du tun wirst, tue es nicht.
Das Ergebnis ist alles.
Alles schläft und ist glücklich, nur ich nicht.
Meine Seele ist ein verborgenes Orchester; ich weiß nicht, welche Instrumente, Geigen und Harfen, Pauken und Trommeln es in mir spielen und dröhnen läßt. Ich kenne mich nur als Symphonie.
Nichts ärgert mich so wie die gesellschaftlichen Moralbegriffe.
Sich kennen heißt sich irren, und das Orakel, das da sagte: Erkenne dich selbst!, hat dem Menschen eine schwierigere Aufgabe zugewiesen als die des Herkules und ein schwärzeres Rätsel aufgegeben als das der Sphinx.
Wenn das Herz denken könnte, würde es still stehen.
Ich betrachte mich als glücklich, weil ich keine Verwandten mehr habe.
Wir leben durch unser Handeln, das heißt durch den Willen.
Da wir dem Leben keine Schönheit abzuringen vermögen, sollten wir zumindest versuchen, unserem Unvermögen Schönheit abzuringen.
Meister, wie heiter sind doch alle die Stunden, die wir verlieren, wenn ins Verlieren, wie in eine Vase, wir Blumen betten.
Es gibt Momente, in denen uns alles ermüdet, sogar das, was zu unserer Erholung beitragen sollte.
Das Recht zu leben und zu triumphieren erwirbt man heute fast durch die gleichen Verfahren, mit denen man die Einweisung in ein Irrenhaus erreicht: die Unfähigkeit zu denken, die Unmoral und die Übererregtheit.
Die Literatur ist der Beweis, daß das Leben nicht genug ist.
Ich schreibe, um mich vom Leben abzulenken, und ich veröffentliche, weil dies zur Spielregel gehört.
Ich habe keine Philosophie, ich habe Sinne… Rede ich von der Natur, so nicht, weil ich weiß, was sie ist, sondern weil ich sie liebe, und darum liebe ich sie; denn wer liebt, weiß niemals, was er liebt, noch warum er liebt oder was lieben ist…
Zwischen mir und dem Leben befanden sich immer trübe Fensterscheiben.
Glücklich, wer vom Leben nicht mehr verlangt als es ihm aus eigenem Antrieb gibt und sich vom Instinkt der Katzen leiten läßt, die die Sonne suchen, wenn sie scheint, die Wärme, wo sie auch sein möge.