Elmar Schenkel Zitate
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Es ging das Gerücht, der Kosmos sei in einer Minute der Abgelenktheit geschaffen worden.
Wie kommt das Wissen zurück in den Menschen?
Ein Leben ohne Irrtum wäre ein Irrtum.
Die eigene Kindheit zum Werkzeug der Gegenwart machen, nicht ihr Werkzeug sein. Eltern sind wie Abschußrampen. Möge das Kind den Orbit erreichen.
Auf Festen und in sommerlichen Innenstädten die herumstreifenden Horden von Leuten mit Bierflaschen in der Hand; für einen Ausserirdischen klares Indiz einer Religion. Man trägt die kleinen Idole vor sich her, die Götzen, die einem Kraft verleihen.
Nicht das Gehirn denkt, sondern der ganze Mensch (sagt Hugo Kükelhaus). Man könnte fortfahren: Nicht der Mensch denkt, sondern das Universum. Nicht das Universum denkt, sondern…?
Der Zufall ist immer das einem Zufallende, also das Gegenteil von sinnlos.
Wir lebten alle in derselben Zeit? Während es dem einen dämmert, ist es beim andern noch Mitternacht.
Die Träume wie alte Schiffe durch das dunkle Wasser der Nacht lenken.
Das Schlimme an der guten Absicht ist, dass sie einen Blankoscheck für alles darstellt und somit auch das Böse ermöglicht. Ideologie verfolgt immer ‚gute‘ Ziele.
Manche Probleme lassen sich nur mit einem Blick aus dem Jenseits ertragen.
Die wichtigsten Dinge würden nie gemacht, wenn wir alles im Voraus wüßten.
Auf das Wissen kann es im Zeitalter der Information nicht mehr ankommen. Was gelernt werden muss, ist der Umgang mit unserem Nicht-Wissen.
Es ist schwierig, sich die Schwächen anderer vorzustellen.
Die Begegnung fremder Intelligenzen […] steht unter dem Stern oder Unstern des Verstehens oder Nicht-Verstehens.
Komplimente wie Witze funktionieren nur, wenn sie eine Lücke mitbringen, an der der Angesprochene seinen Geist oder sein Wissen erweisen kann.
Übersetzen: die hohe Kunst der Ähnlichkeit, nicht der Wiederholung.
Nachrichten aus dem Bücherstaat: Der größte Wunsch der Bewohner ist es, ein Buch zu werden: endlich nicht mehr einseitig zu sein.
Damit etwas ist, kann etwas anderes nicht sein.
Bei der Betrachtung von Reklamewänden in der U-Bahn stellt sich unwillkürlich die Frage, ob nicht die Reklame das älteste menschliche Bedürfnis ist.
Dichtung ist Widerstand? gegen Indifferenz.
Fiktion ist immer Abzweigung. Man zweigt etwas ab vom Realen.
Das Ich: gefährliches Glatteis.
Ich vermute, dass auch das Spiel, das wir Leben nennen, mit einer Überraschung endet – so, wie es mit einer Überraschung begonnen hat.
Die Heimat als der Kaffeesatz, aus dem wir unser Leben lesen.
Auch Erkenntnisse leiden bei längerer Lagerung an Vitaminverlust.
Alles Mist, sprach der Käfer, der die Welt erschuf, der Skarabäus.
Aphorismen – Ichverspätungen.
Die Weisheit ist die ältere Schwester der Dummheit, aber beide gehören zur selben Familie.
Der Mensch ist weniger die Krone der Schöpfung als ihre Armbanduhr. Die Zeit ist eine Linie, doch die Uhr ist rund.
An ihren Hufen sollt ihr sie erkennen.
Ich werde fotografiert und schon bin ich Teil der Zukunft eines anderen oder vieler anderer.
Das Sprechen dient nicht selten dazu, Bauten zu zerstören, und das Bauen kann Enzyklopädien der Sprache ersetzen.
Die Gedanken aufzählen, die verlorengehen, bloß weil man gerade kein Notizbuch dabei hatte.
Der größte Teil des Lebens ist Schraffur, sagte der Zeichner.
Wir glauben alle einzeln an unserer Selbstverwirklichung zu arbeiten, doch als ganzes erreichen wir die Selbstunverwirklichung.
Mit dem, was wir heute tun, sprechen, denken und fühlen, verwandeln wir Geschichte in Zukunft und geben den Wörtern ein Gesicht.
Wir sehen nicht das Weltall, sondern immer nur seine Geschichte. Das gilt letztlich für alle Gegenstände.
Kreativität kommt nicht aus einem Gedanken, sondern aus dem Zwischenraum zwischen zwei Gedanken.
Man hat Glück, aber weiß es nicht, und so geht man an den besten Dingen und Menschen ahnungslos vorbei. Andere wissen, aber haben kein Glück.
Alle Einheitlichkeit ist nur vorübergehend.
Nicht was soll ich tun, sondern soll ich was tun.
Der Stamm der Hätte ist zusammen mit dem der Wäre der größte auf dieser Erde.
Wissenschaft: von einem der auszog, das Fürchten zu lernen.
Zwischen einem Gedanken und einem Traumbild steht oft nur eine dünne Wand, und manchmal weiß man nicht, auf wessen Seite man steht.
Der Mensch ist unberechenbar – Grundformel der sozialen Mathematik. Daran ist noch aller Plan zugrunde gegangen.
Ideen wandern wie Wörter. Sie werden verdreht, verbogen, sie verlieren Vokale, werden vorne oder hinten ergänzt, erhalten einen Artikel und schmücken sich überhaupt mit fremden Federn – bis zur Unkenntlichkeit.
Eine der größten Erfindungen ist zweifellos das Nadelöhr.
Vernetzung ist immer auch Verletzung.
Größte Verstörung: den zu treffen, der man hätte werden können.