Elias Canetti Zitate
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Ab einem gewissen Alter erscheint jeder kluge Mensch gefährlich.
Die erste Wirkung einer Anpassung an andere ist, dass man langweilig wird.
Warum sind nicht mehr Leute aus Trotz gut?
In jeder Familie, die nicht die eigene ist, erstickt man. In der eigenen erstickt man auch, aber man merkt’s nicht.
Das Vielsinnige des Lesens: Die Buchstaben sind wie Ameisen und haben ihren eigenen geheimen Staat.
Das Gefährliche an den Verboten: dass man sich auf sie verlässt, dass man nicht darüber nachdenkt, wann sie zu ändern wären.
Man ist seinen Vorfahren dankbar, weil man sie nicht kennt.
Um eines Menschen Herr zu werden, genügt es, ihn historisch einzureihen.
In einer wirklich schönen Stadt kann man auf Dauer nicht leben. Sie nimmt einem jede Sehnsucht.
Das herrschende Prinzip im Kosmos ist die Blindheit. Sie ermöglicht ein Nebeneinander von Dingen, die unmöglich wären, wenn sie einander sähen. Sie gestattet das Abreißen von Zeit dort, wo man ihr nicht gewachsen wäre.
Wie wenig du gelesen hast, wie wenig du kennst – aber vom Zufall des Gelesenen hängt es ab, was du bist.
Das Schwerste: immer wieder entdecken, was man ohnehin weiß.
Prinzip der Kunst: mehr wiederfinden als verlorengegangen ist.
Wer nicht merkt, dass er denkt, wenn er denkt, ist reif für eine Denkpause.
Es ist wichtig, alle großen Gedanken wiederzusagen, ohne zu wissen, daß sie schon gesagt worden sind.
Mit zunehmender Erkenntnis werden die Tiere den Menschen immer näher sein. Wenn sie dann wieder so nahe sind wie in den älteren Mythen, wird es kaum mehr Tiere geben.
Man mag drei- oder viertausend Menschen gekannt haben, man spricht aber immer nur von sechs oder sieben.
Wenn die Menschen vom Leben und Treiben in ihnen auch nur die leistete und unverbindlichste Ahnung hätten, würden sie vor vielen Worten und Redensarten zurückschaudern wie vor Gift.
Wie leicht sich das sagt: sich selber finden! Wie man erschrickt, wenn es wirklich geschieht!
Die Sprache meines Geistes wird die deutsche bleiben – und zwar, weil ich ein Jude bin.
Ich habe noch nie von einem Menschen gehört, der die Macht attackiert hat, ohne sie für sich zu wollen.
Was immer ihre Tätigkeit ist, die Tätigen halten sich besser.
Gewiß enthält das Lachen in seinem Ursprung die Freude an einer Beute oder Speise, die einem als sicher erscheint.
Selbstanklagen macht nichts besser. Je tiefer sie greifen, umso verlässlicher enden Sie in Selbstzufriedenheit.
Die großen Aphoristiker lesen sich so, als ob sie alle einander gut gekannt hätten.
Es mag nicht immer wichtig sein, was man täglich denkt. Aber ungeheuer wichtig ist, was man täglich nicht gedacht hat.
Es ist hoffnungsvoll, dass die ganze Erde so heißt wie jedes Stück von ihr.
Ein niederschmetternder Gedanke: dass es vielleicht überhaupt nichts zu wissen gibt; dass alles Falsche nur entsteht, weil man es wissen will.
Ich möchte tolerant werden, ohne etwas zu übersehen – niemand verfolgen, auch wenn alle mich verfolgen – besser werden, ohne es zu merken – das Beste lieben, nicht einmal mich selber hassen.
Tiere sind schon darum merkwürdiger als wir, weil sie eben so viel erlebt haben, es aber nicht sagen können. Ein sprechendes Tier wäre nicht mehr als ein Mensch.
Er legt Sätze wie Eier, aber er vergißt, sie zu bebrüten.
Zynismus heißt von niemand mehr erwarten, als man selber ist.
Der Beweis ist das Erb-Unglück des Denkens.
Vom Zufall des Gelesenen hängt es ab, was du bist.
Wer von all seinen Gewohnheiten Kenntnis nähme, wüßte nicht mehr, wer er ist.
Die Vorstellung, daß einem das Leben geschenkt worden ist, erscheint mir ungeheuerlich.
Alles was man vergessen hat, schreit im Traum um Hilfe.
Das Gefährlichste an der Technik ist, daß sie ablenkt von dem, was den Menschen wirklich ausmacht, von dem, was er wirklich braucht.
Ein konsequenter Zeitmanager ist jemand, der sich an jeder Ecke selbst verhaftet.
Wie oft muß man sagen, was man ist, bis man es wirklich wird?
Was er verlieren könnte, wirft er weit von sich, damit es ihm erhalten bliebe.
Er verbrannte alle seine Bücher und zog sich als Eremit in eine öffentliche Bibliothek zurück.
Drei Grundhaltungen des Mannes im Werben: der Prahler, der Versteher, der Mutterbettler.
Jedes Thema als Handschuh betrachten: Umstülpen.
Romane sind Keile, die ein schreibender Schauspieler in die geschlossene Person seiner Leser treibt. Je besser er Keil und Widerstand berechnet, um so gespaltener lässt er die Person zurück. Romane müßten von Staats wegen verboten sein.
Ich bereue diese Buchorgien nicht. Ich habe die Freiheit der Wahl, unter allen Büchern um mich herum kann ich jederzeit frei wählen und habe dadurch den Verlauf des Lebens in meiner Hand.
Glaube keinem, der immer die Wahrheit spricht.
Jede Sprache hat ihr eigenes Schweigen.
Eine Erfindung, die noch fehlt: Explosionen rückgängig zu machen.
Erfolg ist der Raum, den man in der Zeitung einnimmt.