Christian Morgenstern Zitate
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Von zwei Rosen duftet eine anders als die andre Rose. Von zwei Engeln mag so einer anders, als der andre schön sein. So in unzählbaren zarten Andersheiten mag der Himmel, mag des Vaters Göttersöhnereich seraphisch abgestuft sein…
Des Krieges Eltern heißen Schwachsinn und Trägheit.
Und der ist nicht frei, der da will tun können, was er will, sondern der ist frei, der da wollen kann, was er tun soll.
Das Talent zur Disziplin ist die Wurzel von Preußens Größe.
Wer nicht zuvor sich selbst vorschreibt, wird auch den Menschen nie vorschreiben dürfen. Man kann dem Wesen der Macht nichts abmarkten.
Jeder Feind hat doppelt Quartier, eins bei sich und eins bei dir.
Glück? Sollst du Glück haben? Wünsche ich dir auch nur eine Spur von Glück – wenn sie nicht deinen Wert erhöhte? Wert wünsche ich dir.
Die Sprache ist eine ungeheure fortwährende Aufforderung zur Höherentwickelung. Die Sprache ist unser Geisterantlitz, das wir wie ein Wanderer in die unabsehbare und unausdenkbare Landschaft Gott unablässig weiter hineintragen.
Abstrakte Gedanken sind zuletzt auch nichts als – konkrete Wesenheiten; es ist ganz umsonst, das Leben aus dem Leben heraustreiben zu wollen.
G. – Er konnte nie über etwas lachen. Wie kann ein Mensch so tief verflachen!
Mit keinem Köder fischt Mephisto so glücklich, als mit allem, was im Engeren und Weiteren unter den Begriff des Schlagworts fällt.
Alles Festlegen verarmt.
Ja – nein: geistiges Strickziehen.
„Hat die Religion eine Zukunft?“ So gut, wie derjenige, der so fragt, eine Zukunft hat, in der er, wie zu hoffen steht, solchen Fragestellungen entwachsen sein wird.
Wenn du die Welt an jedem Tag nicht neu erobern willst, verlierst du sie von Tag zu Tage mehr.
Meistens ist in sechs bis acht Wörtern völlig abgemacht, und in ebensoviel Sätzen läßt sich Bandwurmweisheit schwätzen.
Wem das allgemeine Wohl das höchste Ziel auf Erden dünkt, der tut den Menschen gar nichts so Gutes, wie er meint. Man soll nie das Wohl, man soll nur das Heil jedes Menschen im Auge haben, – zwei Dinge, die sich oft wie Wasser und Feuer unterscheiden.
Eine der größten Unverfrorenheiten des Menschen ist, dies oder jenes Tier mit Emphase falsch zu nennen, als ob es ein annoch falscheres Wesen gäbe, in seinem Verhältnis zu den andern Wesen, als der Mensch!
Wer in das, was von Göttlich-Geistigem heute erfahren werden kann, nur fühlend sich versenken, nicht erkennend eindringen will, gleicht dem Analphabeten, der ein Leben lang mit der Fibel unterm Kopfkissen schläft.
Mein einziges Gebet ist das um Vertiefung. Durch sie allein kann ich wieder zu Gott gelangen. Vertiefung! Vertiefung!
Nicht nur jedes Gleichnis hinkt, sondern auch jede Gleichung.
Sieh dir ein gut beschicktes Trabrennen an. Und du wirst merken, worauf’s ankommt, auch bei dir.
Das Leben zeugt Blumen und Bienen. Blumen, das sind die schöpferischen Geister, und Bienen die anderen, die daraus Honig sammeln.
Übung ist alles, und insofern ist Genie Charakter.
Nirgends kann das Leben so roh wirken, wie konfrontiert mit edler Musik.
Die Zahl der Vegetarier würde sicher ins Unermessliche sich steigern, wenn der gebildete Mensch die Tiere, derer er sich als Nahrung bedient, selbst schlachten müsste.
Lesen-Können, – darauf läuft schließlich alles hinaus.
Ein eigener Gedanke ist so selten wie ein Goldstück im Rinnstein.
Unsere Zukunft liegt nach wie vor im – Geiste. Seien wir Imperialisten des Geistes.
Auch der Baum, auch die Blume warten nicht bloß auf unsere Erkenntnis. Sie werben mit ihrer Schönheit und Weisheit aller Enden um unser Verständnis.
Arithmetische Progression Ein Paar Zeitungen zwei Parteizungen. Zwei Paar Zeitungen vier Parteizungen usw.
Dankbarkeit und Liebe sind Geschwister.
Enthusiasmus ist das schönste Wort der Welt.
Der Mensch, das Individuum, ist Gottes Einfalt, ist einfältig gewordene Gottheit.
Man müßte sein Ich nicht immer mit sich identifizieren, sondern wie eine Mutter ihr Kind behandeln.
Es gibt einen Gedanken, der unsere ganze Lebensführung und Betrachtung verändern würde: Die Gewißheit unserer Unzerstörbarkeit durch den Tod.
Ordnung und Klarheit – schöne gute Dinge, wiewohl ich nie im Zweifel war: Die Welt ist (mindestens in manchem Sinne) so wenig „ordentlich“ wie „klar“.
Ein Wiesel saß auf einem Kiesel Inmitten Bachgeriesel. Wisst ihr weshalb? Das Mondkalb verriet es mir Im Stillen: Das raffinier- te Tier tat’s um des Reimes willen.
Die „bessere“ Gesellschaft ist die eigentlich und im tiefsten Sinne unwissende und ungebildete.
Ukas Durch Anschlag mach ich euch bekannt: Heut ist kein Fest im deutschen Land. Drum sei der Tag für alle Zeit zum Nichtfest-Feiertag geweiht.
Blickt der Mensch in der Zeit zurück, so merkt er, sein Unglück war sein Glück!
Was uns allen zumeist fehlt, ist das tiefe, dauernde Bewußtsein des wirklichen Elends auf Erden, sonst würden wir über den Gefühlen einerseits des Mitleids, andrerseits des Dankes ganz der kleinlichen Misere des eigenen Lebens vergessen.
Glaubt ihr, ein Asket wolle weniger herrschen als ein Weltmann?
Der moderne Mensch „läuft“ zu leicht „heiß“. Ihm fehlt zu sehr das Öl der Liebe.
Ich trage keine Schätze in mir, ich habe nur die Kraft, vieles, was ich berühre, in etwas von Wert zu verwandeln. Ich habe keine Tiefe, als meinen unaufhörlichen Trieb zur Tiefe.
Einem Menschen wie mir genügt es nicht, Ein Mal das Richtige zu erkennen.
Über jedem guten Buche muß das Gesicht des Lesers von Zeit zu Zeit hell werden. Die Sonne innerer Heiterkeit muß zuweilen von Seele zu Seele grüßen, dann ist auch im schwierigsten Falle vieles in Ordnung.
Es ist eines der tiefsten Worte: Bei Gott ist kein Ding unmöglich. Gott ist die Möglichkeit aller Möglichkeiten.
Was ist das Erste, wenn Herr und Frau Müller in den Himmel kommen? Sie bitten um Ansichtspostkarten.
Die Wissenschaft ist nur eine Episode der Religion. Und nicht einmal eine wesentliche.