Christian Morgenstern Zitate
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Ich widerrufe alles Harte und Böse, was ich je in meinen Worten oder Briefen gesagt habe.
Phantasie ist ein Göttergeschenk, aber Mangel an Phantasie auch. Ich behaupte, ohne diesen Mangel würde die Menschheit den Mut zum Weiterexistieren längst verloren haben.
Über den Wassern deiner Seele schwebt unaufhörlich ein dunkler Vogel: Unruhe.
Es pfeift der Wind. Es stöhnt und gellt. Die Hunde heulen im Hofe. Er pfeift auf die ganze Welt der große Philosophe.
Der Schmerz über das, was wir an der Welt verfehlen und von dem sie gemeiniglich nichts weiß, kommt ihr wieder aus der Reife unseres Charakters.
Es ist schauerlich, an Toren zu rütteln, die verschlossen sind; noch schauerlicher aber, wenn sie nur aus dünnem Seelenstoff, ja, wenn sie nur aus den kühlen, harten Blicken einer Seele bestehen, die dich nicht in sich eindringen lassen will.
Die Notwendigkeit ist auch nur ein Kleid.
Daß er so wenig weiß und kann: das ist es, was den Edlen schmerzt, indes der eitle Dutzendmann zu jedem Urteil sich beherzt.
Beim Menschen ist kein Ding unmöglich, im Schlimmen wie im Guten.
Es ist unbeschreiblich, auf was alles die Menschen nicht kommen.
Der Mensch rennt an die Mauer an, aber der Geist geht durch die Mauer hindurch.
Ich habe nur einen wahren und wirklichen Feind auf Erden, und das bin ich selbst.
Einen Menschen kennenlernen ist nicht immer ein Glück.
Ihr anderen werdet sicherer immerdar. Ich werde fragender von Jahr zu Jahr.
Was ist denn alle Mutter- und Vaterschaft anders als ein – Helfen! Als wunderreichste, geheimnisvollste Hilfe!
Ich sehe überhaupt ein, daß es zunächst nichts als Lernen, Lernen und wieder Lernen gilt. Daraus ergibt sich alles Weitere von selbst.
Wie macht das Gefühl bloßen Sichnaheseins Liebende schon glücklich.
Lehrer-Komödie: Die Armut der Lehrer, während die Staaten Unsummen für die Wehrmacht hinauswerfen. Da sie nur Lehrer für 600 Mark sich leisten können, bleiben die Völker so dumm, daß sie sich Kriege für 60 Milliarden leisten müssen.
Eine Wahrheit kann erst wirken, wenn der Empfänger für sie reif ist. Nicht an den Wahrheiten liegt es daher, wenn die Menschen noch so voller Unweisheit sind.
Beim Vorlesen einiger Nietzschescher Aphorismen: – Geistige Austern.
Es gibt nur einen Fortschritt, nämlich den in der Liebe; aber er führt in die Seligkeit Gottes selber hinein.
Ohne Phantasie hätte die Menschheit den Mut zum Weiterexistieren längst verloren.
Man will die deutsche Volksseele erstarken sehen, indem sie sich mehr abschließen und begrenzen soll, und vergißt, daß gerade das Unbegrenztseinwollen, das über engen Nationalitätsschranken stehen wollen ihre Haupteigentümlichkeit ist.
Jede Schöpfung ist ein Wagnis.
Immer wieder: Nicht so sehr, was wir denken, ist das Höchste. Das Höchste ist das Denken selbst. Es allein verbürgt uns mit eherner Sicherheit den mit uns geborenen Gott.
Ich möchte nicht leben, wenn ich nicht lebte.
Ich gehe einfach den Weg, den ich vor mir rechtfertigen kann, nicht den, welchen mir irgendeine abgeschmackte Sentenz vorschreibt.
Mag dir dies und das geschehn, lerne still darüber zu stehn, sieh dir selber schweigend zu, bis das wilde Herz in Ruh.
Welch ein Unterfangen, sich hinter Worten verstecken zu wollen! Man ist ja – dieses Wort selbst.
Die große Ruhe und der tiefe Friede sind nur bei euch, ihr lieben fernen Berge.
Es ist eines der merkwürdigsten Dinge der Welt, daß man eine Seite und mehr lesen kann und dabei an ganz etwas anderes denken.
Es gibt keine Wahrheit an sich. An sich ist einer der größten Materialismen der Epoche.
Vielen ist Reisen ein Ersatz für Leben. Es gibt oft nichts Schmerzlicheres, als solches zu erkennen.
Die Entwickelung der Fahrzeuge verfolgt langsam denselben Weg wie die religiöse Entwickelung. Der Vorspann verschwindet, die bewegende Kraft wird ins Innere selbst verlegt.
Für den Trägen gibt es nichts Aufreizenderes als die unaufhörlich fortschreitende Zeit. Er fühlt, wie sie über ihn hinweggeht, und stammelt ihr in dumpfem Ingrimm seine Verwünschungen nach.
Im Grunde gibt es den einzelnen Menschen garnicht. (Er bildet sich’s bloß ein.)
Ich weiß, was er zu jeder Zeit gesagt, doch mein Gewissen hat er nie geplagt.
Tod ist ja kein Raub am Leben. Wir müssen? Nein, wir – wollen alle sterben! Denn endlos locken neue Morgenröten.
Der Steig war steil, doch wagten wir’s gemeinsam… Und heut noch helfen wir uns, Hand in Hand.
Lieblose Kritik ist ein Schwert, das scheinbar den anderen, in Wirklichkeit aber den eigenen Herren verstümmelt.
Finsternis würde mich in kürzester Frist um alles Glück und um allen Verstand bringen. Gebt allen Menschen vor allem Licht und vorzüglich den Unglücklichsten unter uns, unsern Gefangenen.
Über jedem Gedanken, jeder Vorstellung liegen hundert Gedanken und Vorstellungen, die uns das jeweils Gedachte, jeweils Vorgestellte verhüllt.
Da sie nur Lehrer für sechshundert Mark sich leisten können, bleiben die Völker so dumm, daß sie sich Kriege für sechzig Milliarden leisten müssen.
Noch haben wir viel, viel, viel umzuformen, auszustoßen, zu entwickeln. Noch fangen wir erst an, wenn auch auf gutem Grund.
Kinder, Tiere Pflanzen, da liegt die Welt noch im ganzen.
Was tut die Blume wohl mit Gott? Sie läßt sich Gott gefallen. In der Blume, als Blume träumt er seinen schönsten Traum, da widerstrebt ihm nichts.
Ich möchte sagen, daß ich immer noch im und vom Sonnenschein meiner Kindheit lebe.
Wenn der moderne Gebildete die Tiere, deren er sich als Nahrung bedient, selbst töten müßte, würde die Anzahl der Pflanzenesser ins Unermeßliche steigen.
Meine Harmonie ist nur Balance.
Das brennt und bricht durch alle Zeit: das Ewige Licht Sinnlichkeit.