Christian Morgenstern Zitate
seite 3
Es ist etwas Jämmerliches um einen Lyriker ohne Liebe. Was helfen da Mai und Nachtigallen und Mondscheinnächte. Trauriger Zustand.
Nichts macht das Leben ärmer als vieles anfangen und nichts vollenden.
Richterphantasie Vor dem irdischen Gericht Gingst du deiner Wege. Doch es wartet, Bösewicht, Droben mein Kollege.
Was ist der Mensch? Die Tragödie Gottes.
Der Mensch ist ein in einem Spiegelkerker Gefangener.
Es ist das Interessante an Büchern, über denen man eigentlich den Verstand verlieren müßte, daß man durch sie vielmehr an Verstand gewinnt.
Oh, ich verleumde meine Erde nicht! Ich liebe sie – nur sei sie mir nicht Schranke! Sie ist mir nicht der letzte Seinsgedanke, so wenig wie ihr Licht das letzte Licht.
Katzen, diese Wesen, haben die unmenschliche Geduld der Erde; das ist ein Jahr, was für den Menschen nur eine Sekunde.
Ich hatte mich in „Gott“ verloren. Aber Gott will nicht, daß wir uns in ihm verlieren, sondern daß wir uns in ihm finden, das aber heißt, daß wir Christus in uns und damit in ihm finden…
Als ob Kunst nicht auch Natur wäre und Natur Kunst!
Ich möchte glücklich sein, um glücklich machen zu können. Kein Glück ohne Gast.
Man sollte nie ohne Abschied voneinander gehen. Denn weiß man, ob man sich – als diese Persönlichkeiten – wieder begegnet?
Zukunft! – und-er-schöpfliches Wort! O Lust zu leben! O Lust zu – – sterben! Wohin können wir denn sterben, wenn nicht in immer höheres, größeres – Leben hinein!
Die sozialistische Lehre – das Brot der Armen.
Im Dank verschlingt sich alles Sein.
Man kann wohl sagen, daß das Geschlecht zwei Drittel aller möglichen Geistigkeit auffrißt.
Wer konversiert, der spricht nicht.
Immer radelt, immer reist, daß nur keiner bleibe; strampelt euch das bißchen Geist vollends aus dem Leibe!
Gott ist die Überwältigung unseres Inneren durch die Unendlichkeit. Die Kapitulation des menschlichen Begriffsvermögens vor der Welt.
L’art pour l’art, das heißt so viel wie: Wir haben nur noch Kraft zum Spiel.
Die Menschen haben sich daran gewöhnt, von hinten nach vorne, statt von vorne nach hinten zu denken.
Hinter die Oberfläche der Menschen sehen, hinter das „Persönliche“, das Leben selbst in ihnen lieben.
Alles Leben steht auf Messers Schneide. Gleite aus und du ertrinkst im Leide.
Zum Thema Egoismus: Wir lieben nur die Bilder von allem, als etwas in uns selbst, nie das andere selbst.
Wie ist jede – aber auch jede – Sprache schön, wenn in ihr nicht nur geschwätzt, sondern gesagt wird.
Es gibt nichts Schwereres, als einen Menschen, den man liebt, einen Weg gehen lassen zu müssen, der zur nächsten Stadt führt, statt auf den nächsten Gipfel.
Warum sollte dies mein Leben ein Anfang oder Ende sein, da doch nichts ein Anfang oder Ende ist. Warum nicht einfach eine Fortsetzung, der unzähliges Wesensgleiche vorangegangen ist und unzähliges Wesensgleiche folgen wird.
Wie mag in einem rechten Sturm ein Baum zum Gefühl seiner selbst kommen! Wie wunderbar ist eine Birke im Sturm! Wie göttlich graziös! Wie unsagbar malerisch!
Philosophien sind Schwimmgürtel, gefügt aus dem Kork der Sprache.
Die Menschen sollen einander lieben, aber damit ist nicht gesagt, daß ihnen dies nicht so schwer wie möglich gemacht wird und fallen soll, denn es gibt keine wohlfeile Liebe.
Aber es ist auch dies ein Zeichen unserer krankhaft-überreizten Zeit, daß sie die Fähigkeit eigenen Denkens immer mehr aufgibt.
Der Mensch hat die Liebe als Lösung der Menschheitsfrage einstweilen zurückgestellt und versucht es augenblicklich zunächst mit der Sachlichkeit.
Wer das Ziel nicht weiß, kann den Weg nicht haben.
Ich bin aus Gott wie alles Sein geboren, Ich geh in Gott mit allem Mein zu sterben, Ich kehre heim, o Gott, als Dein zu leben.
Seltsam, daß erst nach Jahrzehnten jeder traf den Herzersehnten! Daß erst, als die Not am größten, wir uns fanden und erlösten.
Geh einfach Gottes Pfad laß sonst nichts Führer sein so gehst du recht und grad, und gingst du ganz allein.
Für mich gibt es nur ein Mittel, um die Achtung vor mir selbst nicht einzubüßen: Fortwährende Kritik.
Jede Landschaft hat ihre eigene, besondere Seele, wie ein Mensch, dem du gegenüber lebst.
Erst das Auge erschafft die Welt.
Immer bewußter sich konzentrieren lernen. Alles Flatternde und Flackernde in mir überwinden.
Wer das Wunder nicht als das Primäre erkennt, leugnet damit die Welt, wie sie ist, und supponiert* ihr ein Fabrikspielzeug.
Demut ist Wärme. Alles redet und erschließt sich gleich ganz anders, wo ihr milder Himmel aufglänzt. Vor dem Demütigen wird die Welt sicher und vertrauend, den Demütigen empfangen, lieben und beschenken alle Dinge.
Durch die Natur beruhigt sich Gott selbst immer wieder. Wehe, wenn er als Mensch in dem unseligen Fieber der Zivilisation sich selbst als Natur zerstört haben wird.
Mancher sucht sein Leben lang Kameradschaft, aber man muß mit diesem Bedürfnis nicht zu Frauen gehen. Sie wollen, eine jede, ausschließlich geliebt sein.
Die Fliegen, diese Spatzen unter den Insekten.
Überschätzt zu werden, zumal von einem Wesen, das einen liebt, kann in manchem einen edlen Eifer entzünden, jene geglaubte Höhe wirklich zu erreichen.
Nur in Versuchungen immer wieder fallend, erheben wir uns.
Stoß-Seufzer Gib mir Juden, Russen, Franzmann, Blut und Geist auf alle Weise, doch erspar mir deine, Landsmann, sogenannten bessern Kreise.
Wahrhaftig, das Dreidimensionale kann noch nicht das Letzte sein. Es wäre ein zu grober Abschluß für ein so feines Kunstwerk wie die Welt.
Wer Gott aufgibt, der löscht die Sonne aus, um mit einer Laterne weiter zu wandeln.