Christian Morgenstern Zitate
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Der Körper, der Übersetzer der Seele (Gottes) ins Sichtbare.
Liebt das Böse – gut! Lehren tiefe Seelen. Lernt am Hasse stählen – Liebesmut.
Ihr meßt jedem sein Maß Liebe zu: dem dreiviertel, dem zwei Viertel, dem ein Viertel, dem nichts. Davon verstehe ich nichts. Ich kann nicht messen und meine Seele ist immer da am eifrigsten, wo ich sehe, daß Eure sich spart und sperrt.
Die schlimmste Folge demokratischer Anschauungsweise ist, daß nun auch die Worte alle „gleich“ gewertet werden.
Im Abschied schwingt stets die Furcht mit, dass man sich wiedersieht.
Der Mann hat sein Ziel und das Weib hat seinen Sinn.
Niemand ist zu gut für diese Welt. Menschen, von denen dies gesagt wird, sind vielmehr in irgend einem Betrachte nicht gut genug.
O Freunde, liebt mich nicht, niemals den, der ich bin; doch was ich werden möchte, das, das liebt an mir!
Tolstoi war ein Protest des höheren Menschen wider den Menschen, wie er gemeinhin heute noch ist. Tolstoi wollte nur ganz einfache, simple Dinge. Dinge, die sich eigentlich von selbst verstehen, – für jeden anständigen Menschen.
Mein Hang zum philosophischen Nachdenken beruht auf der einfachen Grundlage, daß ich über das kleinste Stück Natur irgendwelcher Art in höchste Verwunderung geraten kann.
Die Zaghaftigkeit – wo Gutes gewollt wird – ist zu nichts nütze. Umgekehrt, sie ist nur eine Quelle immer weiterer Schwäche und damit immer weiterer Mißerfolge.
Wenn das Individuum – wie Hebbel sagt – letzten Endes komisch ist – und es ist komisch -, so ist die Tragödie die höchste Form der Komödie.
Möglichst viel Glück sagt man. Aber wie, wenn die höchste Glücksempfindung eines Menschen voraussetzte, der auch allertiefstes gelitten haben muß? Wenn Glücksgefühl überhaupt erst möglich wäre in einem durch Lust und Unlust gereiften Herzen?
Man hat vom Schach gesagt, dass das Leben nicht lang genug dazu ist, – aber das ist ein Fehler des Lebens, nicht des Schachs.
Wie mancher geht an Grübelnsqual zugrunde, weil er gehangen an zu vielem Munde.
Natürlichkeit, Schwester der Freiheit (und Einfalt).
Man muß die Gegenwart von ihrer Wissenschaft reden hören, um zu wissen, was ein Parvenü ist.
Mit allem Großen ist es wie mit dem Sturm. Der Schwache verflucht ihn mit jedem Atemzug, der Starke stellt sich mit Lust dahin, wo’s am heftigsten weht.
Wohin können wir denn sterben, wenn nicht in immer höheres, größeres – Leben hinein!
Es ist der Schritt, der erobert. „En marche“ ist eines der schönsten Worte der Welt.
Nichts Schöneres als eine ernste Seele, Die, was sie schaut, gelassen andern spiegelt Und alle Kraft, die reich ihr innewohnt, Allein ins Leuchten dieses Spiegels legt.
Es ist Nacht, und mein Herz kommt zu dir, hält’s nicht aus, hält’s nicht aus mehr bei mir.
Das Wunder ist das einzig Reale, es gibt nichts außer ihm. Wenn aber alles Wunder ist, das heißt durch und durch unbegreiflich, so weiß ich nicht, warum man dieser großen einen Unbegreiflichkeit, die alles ist, nicht den Namen Gott sollte geben dürfen.
Alles öffentliche Leben ist wenig mehr als ein Schauspiel, das der Geist von vorgestern gibt, mit dem Anspruch, der Geist von heute zu sein.
Alles muß allem dienen. Es gibt im letzten Sinne keine Ungerechtigkeit.
Dichten ist immer die Wiedergabe von Erinnerung. Die Erinnerung aber ist selbst etwas Dichtendes, künstlerisch Zusammenfassendes und Auswählendes.
Die meisten Menschen verdunsten einem, wie ein Wassertropfen in der flachen Hand.
Schlachtfelder sind wir allesamt, auf denen Götter sich bekriegen.
Unser Begreifen ist Schaffen; seien wir doch selig in diesem Bewußtsein.
Es ist eine wunderliche Empfindung, senkrecht in die Erde zu unsern Füßen hineinzudenken. Man kommt nicht weit, die Phantasie erstickt buchstäblich.
Ich mag Worte wie gleichwohl oder immerhin gern leiden; denn sie erlauben, nach etwas Abfälligem noch eine Menge Anerkennendes zu sagen.
Die Mission der Wahrheit ist, den Menschen in Geist aufzulösen, wie, materialistisch gesprochen, die Mission der Zeit, den Erdball in Luft.
Der Satz vom Zwecke, der das Mittel heiligt, Es ist vielleicht ein Griff ins Herz des Lebens: Wenn Welt das Mittel ist zu Gott als Zweck.
Unsere Kulturen sind noch vorwiegend egoistisch, darum ist auch so wenig Segen in ihnen.
Kritik, Kritik, nimmer genug Kritik, ein Spiegel sei mir noch das letzte Tor.
Je älter ich werde, desto mehr wird ein Wort mein Wort vor allen: Grotesk.
Versuchen wir uns doch einmal entschieden auf die Seite des Positiven zu stellen, in jeder Sache.
Was für ein träges, ungeistiges Tier ist doch noch der Mensch und wie sehr bedarf es großer und größter Schrecken und Trübsale, damit er nicht immer wieder in Schlaf versinke!
Ich höre einen Vogel fortwährend „Chi-rur-gie“ flöten.
Wie nahe Furcht und Mut zusammenwohnen, das weiß vielleicht am besten, wer sich dem Feind entgegenwirft.
Niemanden loslassen. Keine Beziehung fallen lassen!
Wie süss ist alles erste Kennenlernen. Du lebst so lange nur als Du entdeckst.
Wer vom Ziel nicht weiß, kann den Weg nicht haben, wird im selben Kreis all sein Leben traben.
Höher als alles Vielwissen stelle ich die stete Selbstkontrolle, die absolute Skepsis gegen sich selbst.
Der Mensch mag tun und leiden, was es auch sei, er besitzt immer und unveräußerlich die göttliche Würde.
Man sieht Nietzsche ins Auge und weiß, wo das Ziel der Menschheit liegt.
Sieh, das ist Lebenskunst: Vom schweren Wahn des Lebens sich befrein, fein hinzulächeln übers große Muß.
Ein Dichter muß 77 mal als Mensch gestorben sein, ehe er als Dichter etwas wert ist.
Lachen und Lächeln sind Tor und Pforte, durch die viel Gutes in den Menschen hineinhuschen kann.
Vom Fleißigen ist immer viel zu lernen, doch zu beseligen vermag nur Größe.