Carl von Ossietzky Zitate
Der Antisemitismus ist dem Nationalismus blutsverwandt und dessen bester Alliierter.
Der Drang nach Freiheit war der Ursprung des Protestantismus.
Die großen Realpolitiker vergessen nur, daß auch die Wirklichkeit ihre eigenen Illusionen erzeugt. Sie nehmen den Dunstkreis selbst zugesprochener Bedeutsamkeit für die Ausdehnung der Welt.
Der Ruhm eines Politikers wird nach dem Umfang des von ihm angerichteten Schadens bemessen.
Wir Anhänger des Friedens müssen immer wieder darauf hinweisen, dass der Krieg nichts Heroisches bedeutet.
Aber wir können nicht an das Gewissen der Welt appellieren, wenn unser eigenes Gewissen schläft.
Wenn man den verseuchten Geist eines Landes wirkungsvoll bekämpfen will, muß man dessen allgemeines Schicksal teilen.
Die Gegenwart ist dein Kampffeld.
Was nützen Denkmäler des Unbekannten Soldaten den Gefallenen?
Alkoholausschreitungen sind häßlich. Aber solange der Saufteufel noch eine Großmacht ist, wird nur eine geschwollene Moral einen Stein auf ein paar arme Kerle werfen, die sich in ihrer Weise einen vergnügten Tag gemacht haben.
Man bewundert bei uns noch immer ein ständig im Maul geführtes ungekämmtes Flegeltum als Männlichkeit.
Wenn der Rechtsprecher nur endlich einmal mit dem Geheimnis der Zellenhaft vertraut würde, wie anders müssten selbst die Urteile der bürgerlichen Justiz aussehen!
Das deutsche Volk will den Sturz der herrschenden Mächte, die heute unser Vaterland schwarz überschatten.
Wir erleben augenblicklich alle Schwankungen und Widersprüche einer Übergangszeit. Eine Kultur liegt im Sterben, und die Keime einer neuen sind kaum sichtbar.
Man kann nicht kämpfen, wenn die Hosen voller sind als das Herz.
Der Weltkrieg war der Abtanzball des alten Imperialismus.
Gleicht nicht der Weg eines begabten jungen Menschen zu Zeiten dem Ritt übern Bodensee? Er träumt vor sich hin, Melodien im Kopf, nicht Thesen und Formeln und Paragraphen, und eine dünne Eisdecke nur trennt ihn von dem unermeßlichen Grab.
Der Musiker hat es leichter als der Dichter, der Hirn und Nerven gleichmäßig beansprucht. Das Ohr ist ein williges Organ, durch das Ohr läßt sich der Kopf am leichtesten betrügen.
Wenn etwas gegen unsere Machthaber spricht, so ist es ihre Unfähigkeit, Provinzen mit gemischter Bevölkerung vernünftig zu regieren.
Deutschland ist das einzige Land, wo Mangel an politischer Befähigung den Weg zu den höchsten Ehrenämtern sichert.
Adolf Hitler mag in seinen Anfängen in ehrlicher Verbohrtheit gehandelt haben. Heute ist er nur noch eine Kreatur der Industrie.
Wahrhaftig, die Mächte haben allen Kredit verloren! Wo blieb ihr vielgerühmtes intellektuelles Übergewicht? In Zukunft wird man nicht einmal mehr der Republik San Marino imponieren können.
Wir leben inmitten einer großen Evolution: es kehrt so etwas wie ein europäisches Bewußtsein wieder. Man schämt sich nicht länger, öffentlich auszusprechen, daß die Menschheit weiter reicht als die Fahnen des Landes.
Der Krieg ist ein besseres Geschäft als der Friede. Ich habe noch niemanden gekannt, der sich zur Stillung seiner Geldgier auf Erhaltung und Förderung des Friedens geworfen hätte. Die beutegierige Canaille hat von eh und je auf Krieg spekuliert.
Wie die Ägypter, die die Krokodile anbeteten, die sie fraßen, beten wir die Automobile an, die uns totfahren.
Es ist schon schlimm genug, als Friedfertiger über das verheißene Erdreich wandeln zu müssen, das einstweilen noch den reißenden Wölfen gehört. Das Unternehmen wird aussichtslos, wenn man noch dazu dumm ist.
Hat z.B. schon jemals die Kirche ihren Einfluß gegen kapitalistische und feudalistische Ausbeutungen geltend gemacht?
Ein breiter Riß zieht sich hin zwischen Literatur und Volk. Der Film hat die Sehnsucht nach Bewegung und Geschehnissen wieder erweckt, die „psychologisierende“ Epoche beendet und die ungezählten „stillen Bücher“ auf ewig still gemacht.
Die militärische Justitia hat nicht nur verbundene Augen, sondern auch verstopfte Ohren und ein gepanzertes Herz.
Im Gefängnis gewesen zu sein, das ist ein großes Erlebnis, das kein politischer Mensch aus seinem Dasein streichen kann.
Der Kriegsgott lebt im Überfluß. Er braucht kaum mehr zu fordern. Alles fliegt ihm zu. Vielleicht geht er noch an Überfütterung zugrunde.
Die Verquickung staatlicher und kirchlicher Angelegenheiten ist ein Krebsschaden unseres Kulturlebens.
Die große Not schafft große Abwehr.
Der politische Journalismus ist keine Lebensversicherung: Das Risiko erst gibt seinen besten Antrieb.
Es kommt nicht darauf an, wie viel Platz ein Volk unter der Sonne einnimmt, sondern wie die Güter darauf verteilt sind.
Ob wir überleben, ist weder sicher noch die Hauptsache. Wie man aber später von uns denken wird, ist so wichtig wie daß man an uns denken wird. Darin liegt auch unsere Zukunft. Danach müssen wir hier leben, solange wir atmen. Ein Deutschland, das an uns denkt, wird ein besseres Deutschland sein.
Die Pazifisten sind immer sauber gewesen und oft hervorragend mutig, aber, um die Wahrheit zu sagen, noch öfter geradezu bestialisch unbegabt.
Es wird einmal die Stunde kommen, wo alles Gegenwart sein wird, was jetzt noch vage Zukunft ist, wo die Zeit selber von uns Rechenschaft fordern wird, was wir all die Jahre getan haben.
Nur der Einzelne ist naturgewachsen, nicht das Volk. Das Volk ist ein menschlicher Organisationsbegriff.
Die nationale Presse nährt ein Kriegsfeuer, das bei jedem der leider so häufigen „Zwischenfälle“ hell auflodert. Jeder gute Bürger ist sich darüber klar, daß es demnächst – aber wann? – „losgehen“ wird.
Erst muß der Mensch leben, dann kann seine Ehre geschützt werden!
In der Tat bildet sich eine neue unkirchliche, unchristliche Religiosität. Sie hat kein Dogma und ist in keine Formel zu bringen.
Vielleicht war der Militärstaat einmal eine geschichtliche Notwendigkeit. Heute verdient er keinen Nimbus mehr.