Carl Ludwig Schleich Zitate
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Es gibt Schwestern, die geben dem Patienten Morphium, damit dieser Ruhe habe – und es gibt Schwestern, die geben dem Patienten Morphium, damit sie Ruhe haben.
Das Schachspiel verlangt dreierlei: Kenntnis der Möglichkeiten, Ahnung der Wahrscheinlichkeiten, Resignation für die Gewißheiten.
Daß das Leben an sich eine Lust ist, empfinden die meisten erst deutlich, wenn ein großer Schmerz im Verklingen ist, dann reicht allein die Empfindung der Ruhe an die Wollust heran.
Was ist so häßlich, daß nicht die Schönheit darüber ihre Schleier spönne, die so Wenige sehen können?
Das vorbildlichste auf der Welt ist das Genie. Es ist der emsige Wegweiser in der Wüste des Lebens. Obschon auch ihm das Ziel unbekannt ist, so macht es dasselbe doch begehrenswert.
Kindlich sein bedeutet: alle Werte umwerten können. Dem Kinde nur kann ein Stuhl zur Pferdebahn, ein alter Hut zur Krone werden. Es sind ihre kleinen Phantasieflammen, die das kalte Leben so warm machen.
Kinder und Greise haben ein Recht, geliebt zu werden, die dazwischen haben das Recht, ja, die Pflicht, zu lieben.
Daß Dreck gesund sei, ist eine faule Ausrede der Schmutzfinken.
Wehe der Frau, die sich nicht begnügt damit, ein Kunstwerk der Natur zu sein.
Wirkliche Moral dient dem Göttlichen, sie vertraut seinen Zielen, ohne sie zu kennen. Glauben ist das Wissen von solchen Zielen.
Die größten Tyrannen sind die, die wir lieben, und die, welche uns mit vollendetem Egoismus auf das allernaivste beiseite schieben.
Jeder Knabe ist ein Kandidat der Unsterblichkeit, jedes Mädchen ein kleines Fragezeichen des Glücks.
… Hohe Begabung, Begnadung gestaltet leicht die Psyche pathologisch, aber niemals ist irgendeine Krankheit die Ursache des Genialen.
Im Schönen siegt die Idee über die Materie, im Häßlichen die Materie über die Idee.
Unser Leben ist ein Erleben. Es ist so lang, als es Erlebnisse in sich schließt.
Man verschlafe ruhig die Hälfte seines Lebens. Glück ist eine Frage des Ausgeschlafenseins.
Nichts ist von der Erfahrung unabhängig, also ist auch nichts a priori Erkenntnis.
Die zarteste Schwingung der Seele ist der Traum. Es ist als wenn ein müder Falter mit seinen Flügeln über Nervensaiten streift.
Alles verstehen heißt nicht alles verzeihen, sondern alles vermeiden.
Das Leben zu verlängern ist die Kunst, unsere Jugend zu erhalten. Jugend ist Eindrucksfähigkeit, Wirkungskraft, Bereitschaft, Sprungbereitschaft.
Ich bin nur, was mein Mikrokosmos sich von mir vorzustellen erlaubt.
Wie groß, wie sicher fühlt man sich in der Welt, wenn man liebt, und wie hilflos müßten wir sein, wenn wir uns vorstellen könnten, niemanden mehr zu lieben.
Verlieren wir nicht unser Ich oft lange vor unserem Tode? Es schläft uns ein, lange, ehe man unsern Leib im Staube schlafen läßt.
Das Weltall hat nichts Höheres zu verschenken als Liebe, eigentlich ist der nur lebend, der da liebend lebt.
Wer die Welt als ein Produkt einer zufälligen Entwicklung ansieht, für den muß auch die Welt des Schönen nichts sein als eine zufällige Illusion des Menschengeistes. Ich hörte einen klugen Mann der Wissenschaft die Phantasie einen colliquativen (Verleimungs-)Zustand des Geistes nennen.
Die Psyche der Bedrückten fordert einen gerechten, der Herrschenden einen duldsamen, der Freudefähigen einen lachenden Gott.
Betrachte den Traum wie das Gebet deiner dir selbst entflohenen Seele.
Man sollte Ahnenbücher der Leiden in allen Familien halten. Von niemand können wir so viel lernen als von den Gedanken, Geschicken und Leiden unserer Vorfahren.
Die Frau hat die Gabe der lebensfähigeren Kompromisse.
Musik ist die Beschreibung der Welt ohne Worte und Begriffe. Sie ist die Philosophie der Gefühle.
Zivilisation gestattet, ein „Civis“ zu scheinen, Kultur zwingt, einer zu sein.
Die heißesten Tränen sind die im Traum geweinten. Sie fallen auf ein schuldloses Herz, denn nur im Traum sind wir ohne Schuld.
Wenn Tiere lachen könnten, besäßen sie vielleicht eine vollendete Kritik unserer Zivilisation. Aber sie hätten sich vielleicht schon bis zum Aussterben totgelacht. Ich möchte wohl einmal z.B. die Glossen eines Affen über den Zylinderhut oder die eines Hahnes über unsere Hochzeitspräliminarien hören!
Dem Mitmenschen zu nutzen, ist Verpflichtung aus Egoismus. Mit Hintergedanken des eigenen Nutzens.
Unreine Luft sollte man wie ein moralisches Unrecht, das einem angetan wird, empfinden. Ventilierte Räume haben etwas Heiliges.
Das Heilige, das Reine, das Rührende an einer Frau ist, daß in ihrem Leibe die Unsterblichkeit schlummert. Denke jede daran, daß sie die Natur als Ahne eines ganzen Volkes geträumt hat.
Ein Glaube, der unruhig macht, ist Aberglaube.
Ein Brief ist eine Musik ohne die Logik der Harmonie.
Der Aphorismus ist Wegweiser, die Abhandlung der Weg. Der Wegweiser orientiert, den Weg zur Wahrheit muß man gehen.
Die Reinheit der Frau zwingt den Mann unmerklich, sich besser zu stellen, als er ist. Ist nicht diese weit verbreitete Heuchelei auch eine Verbeugung vor der Reinheit des Weibes?
Das Dunkel ist ein Heimweh nach Licht.
Genie ist ein kaudinisches* Joch, durch das die ganze Menschheit hindurch muß. (*Demütigung; Ursprung: Joch, durch das die bei Caudium geschlagenen Römer schreiten mußten)
Die Treue einer Frau muß ihrer Natur eingeboren sein, sonst würde ihre Untreue nicht so viel Aufsehen machen.
Sich selbst zu erkennen, ist die Aufgabe, die man mit gleichem Rechte einem Toilettenspiegel zumuten könnte.
Des Menschen ganzes geistiges Gefüge drängt, seine Seele schreit nach Wissen und nicht nur nach Beruhigungsmitteln, wie ein Leidender, der um Heilung fleht, und dem man Morphium reicht!
Denn wir können es uns nicht nehmen lassen: von Geburt an, vom Ursprung her, vorgedacht und so geschaffen ist der Mensch gut und ohne Schuld.
Wir können vielleicht vom Kinde ebensoviel lernen, wie so ein kleiner Schelm von uns. In mehr als einem Sinne wird niemand wieder so klug, wie er als Kind war. Das Kind hat vor allem den Mut des Egoismus, das ist: des Glückes ohne Reue.
Wer seine Müdigkeit künstlich bekämpft: Nikotin, Alkohol, Tee, Kaffee – legt seinem treuesten Wächter eine Binde um die Augen.
Die Idee ist eine Seifenblase: ein Sandkorn Wahrheit läßt sie platzen.
Das Genie ist unnachahmlich und es ahmt nie nach. Talent kann man nachmachen; ja es lebt vom Imitieren.