Billy Zitate
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An unseren Schulen lernt man so gut wie nichts über die Fülle und so gut wie alles über den Leerlauf.
Das Licht der Wörter ist die Ungesagtheit.
Evolutionen sind clever. Sie arbeiten, wenn wir schlafen, und während wir handeln, besprechen sie sich mit der Wirklichkeit. Während wir uns mit unseren Krisen und Kriegen beschäftigen, hat sich die Gegenwart beneidenswert konkret eingerichtet.
Was einst der Mythos war, ist heute die Psyche. Wer das Gefühl beherrscht, herrscht über die Welt.
Den Glauben trifft man nicht in der Kirche, sondern während der Arbeit.
Wenn Gott gerecht wäre, hätten auch Zorn und Wut einen Sitzplatz im Himmel.
Menschenscheue Sätze sind menschentreue Sätze.
Auf den Zucker der Liebe kann ich verzichten, aber nicht auf das Salz der Liebe – aufs Mütterliche.
Wenn wir endlich lernten uns so gnadenlos zahlenfrei auszudrücken wie jedes beliebige Tier, hätten wir keine methodischen, sondern bloß noch autochthone Probleme: beispielsweise das Problem, das uns Menschen physisch und psychisch ununterbrochen behelligt: die Entsorgung des eigenen Unrats.
Gedanken sind die Kinder des Alters.
Der größte Feind des Psychologen ist eine Seele, die gut gegessen hat.
Am Futtertrog lassen sich Krieg und Frieden am besten studieren.
Droge und Dreck – das sind die zwei Generäle des Elends.
Genial ist, was trifft, ohne zu zielen.
Der Wahrscheinlichkeit fehlt das Wichtigste: Lebenserfahrung.
Am Hebel der Wirklichkeit sitzt der Zufall und tut, was er will.
Als erstes hat man die Denkfehler verstaatlicht.
Nirgendwo auf der Welt gibt es so viele Massengräber wie im Hauptquartier der Unsterblichen – das war schon im Altertum so, und seither hat sich der ideologische Hades aufs Prächtigste emanzipiert.
Das wahre Problem der Demokratie sind die arbeitslosen Ideen.
Der Kritiker blickt dem Text ins Korsett.
Was früher der Magen tat, tut jetzt die Fabrik.
Demokratie nennt man die Suche der Völker nach dem richtigen Schlüssel.
Es ließe sich über den Menschen noch allerhand sagen; doch zuerst erteilen wir der Stille das Wort.
Ex-peri-ment ist ein böses Wort: lies es Silbe für Silbe, und du verfluchst dein Latein.
Bewundernswert, was die Menschheit geschaffen hat aus dem simplen Glauben an den rechten Winkel.
Das Ekelhafte am Leben sind nicht die großen, völkisch einwandfreien Ereignisse, sondern die Stellen hinter dem Komma – dort, wo jeder von uns seine Defizite platziert hat.
Es gibt kein Tollhaus, da sich so verrückt anhört wie die Krankengeschichte der Freiheit und die Heilsgeschichte der Hoffnung. Niemand tobt so wahnwitzig im Land herum wie die Wünsche und Hoffnungen der Ideologen, die für das Gelingen der Zukunft verantwortlich sind.
Osmose ist Kenntnis des kleinsten gemeinsamen Wertes im genau richtigen Moment.
Phlegmatiker sind begeisterte Anhänger der organisierten Geduld.
Wer Krisen kommen hört, ist psychisch gefährdet.
Aphorismen sind die Ankerplätze der Welterfahrung.
Die Volkswirtschaft, das sei hier nur angemerkt, ist die Arena, wo die Gegenwart zeigen kann, was sie nominal leistet: zum Beispiel Karrieren zerstören, Privilegien versauen und Geld zu entwerten.
Der Monolog ist das bestmögliche Waschmittel.
Das Können Mögen Müssen Lassen, Wollen Dürfen und Sollen sind die Samen der demokratischen Hochkultur, die dem Krieg in Europa ein Ende gemacht hat.
Das Nichts und der Mensch begegnen sich an jeder Kreuzung.
Wir wären schlechte Genießer, wenn wir den Bodensatz unserer Zeit ausgießen würden.
Als Atheist hat man den Eindruck: nicht Moses hat die Religion erfunden, sondern ein autistischer Dachdecker.
Tugend ist immer eine Tat zuviel. Für alles, was zu gründlich getan worden ist, kennt das Leben nur eine Reaktion: Rache. Die Philosophie hat nie verstanden, was Rache ist.
Elite – das sind die Leute, die die Drecksarbeit dirigieren.
Es besteht kein Zweifel, dass das Denken nicht allen gelingt.
Wer für das Wichtige mehr als zwei Sätze braucht, versteht das Volumen der Wirklichkeit nicht.
Brauchbare Gedanken bestellt man beim Bauch.
Seit der Zeit der Germanen ist das Deutsche juristisch verseucht, seit Goethe kann die Sprache plätschern und seit Hitler kann sie töten. Mit Luthers Instrumentarium läßt sich irgendwie alles sagen, aber mit einem Unterton, der niemandem richtig behagt.
Daran werden wir scheitern: immer mehr Menschen wollen immer mehr leben.
Wenn man Adam und Moses mal außer Acht läßt sowie das Korps der nicht sehr beredsamen Urväter samt Abrahams unrhetorischen Nachkommen, so heißen die ersten Aphoristiker auf Erden David Salomo Hiob.
Hass tötet den Geist, und Liebe macht ihn wieder lebendig.
Was immer Gegenwart ist oder sein möge – mit dem Begriff „Augenblick“ ist besser zu reden. Er ist wohltuend körperlich, er berücksichtigt unser Erfahrungsvermögen und er stammt von uns selber – er ist, vom Hochsitz der Vernunft aus gesehen, stubenrein und hautfreundlich.
Aphorismen sind Sottisen mit Stil.
Gold ist ein herrliches Wort, doch wer es ausspricht, bekommt Streit mit dem Ambulatorium seiner Seele.
Senf und Papier begegnen sich selten – außer in Büchern.