Berthold Auerbach Zitate
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Die Unabhängigkeit vieler Menschen besteht eigentlich in Unanhänglichkeit.
Das Vielbesuchen macht öde wie das Speisen an der Gasthofstafel; man ißt von allen Schüsseln und hat doch zuletzt keine gesunde Sättigung.
Das Wachstum des Menschengemütes gleicht nicht dem vergänglichen Halme, eher dort dem Fruchtbaume, der bleibt bestehen und harrt neuer Frucht am selben Stamme.
Nur die Völker, die Entdeckungen machen, haben eine Zukunft der Kultur.
Was das Beste auf der Welt sei? – Gesundes Blut, gestählte Sehnen und starke Nerven.
Der Krieg wäre das volle Chaos, wenn der einzelne Heerführer sich in die Kollision der Pflichten versetzen ließe, Humanität und rücksichtslose Notwendigkeit zu vereinbaren suchte in großen Entscheidungen; dem unbeugsamen militärischen Gesetz muß der Soldat sich selber und andere beugen.
Es ist aber auch bekannt, wie oft die Menschen, wenn sie gesättigt sind, eine ganz andere Sinnesart haben, als da sie noch hungrig waren.
Wir fassen überhaupt alles Überirdische nicht durch den Begriff, sondern durch den Glauben.
Man kann einen Menschen schneller und leichter verderben als verbessern.
Der Mensch lebt nicht voll, wenn er nur für sich lebt und sein Dasein bewahrt.
Das Leben mit andern ist gut, aber das Leben mit sich selber ist besser.
Eine große Frage der Lebenskunst ist, inwieweit wir unsere Persönlichkeit, unsere Eigentümlichkeit mit in die Gesellschaft nehmen und an sie hinausgeben dürfen. Zu viel Persönlichkeit atomisiert die Gesellschaft, zu wenig Persönlichkeit verflacht sie und macht sie farblos, fade und vag.
Goethe fühlte sich im eigentlichen Sinne des Wortes als Zeitgenosse aller Zeiten.
Je mehr die Kinder heranwachsen, um so mehr hören die Eltern auf, für sich selber ein Leben zu haben und auch zu wollen; das Schicksal der Kinder wird immer mehr das der Eltern.
Der Mensch lebt nicht für sich allein. Es gibt eine unsichtbare und unzerreißbare Gemeinsamkeit: das Band der Achtung, der Ehre, ein treues Gedenken, eine tätige Liebe.
Nicht im Auszeichnenden liegt die Würde eines Berufs, sondern in der Bewährung des rein Menschlichen, die in jedem Beruf möglich ist.
Wenn du es genau überlegst, hat dir niemand in der Welt mehr Leid zugefügt, als du dir selber; schon darum, weil du anderen, die es taten, die Macht gegeben.
Bin jung gewesen und alt geworden und habe nicht gesehen, daß ein unwahrer Mensch, oder gar ein solcher, der sich nicht vor der positiven Lüge scheut, das erstrebte gute Ende genommen.
Es erscheint als Hochmut, sich nicht an dem politischen Leben seines Volkes und seiner Zeit zu beteiligen; näher besehen ist es aber nur Kleinmut.
In hilfloser Verlorenheit wird man leicht abergläubisch und läßt sich vom Zufälligen bestimmen.
Wenn wir durch das ganze Leben so fortfahren könnten, an Wachstum und Fülle zuzunehmen wie in der Kindheit, ein himmlisch gesegnetes Dasein wäre unser Los; aber das All dringt plötzlich in uns ein, und wir haben unser ganzes Leben lang nur damit zu tun, es zu zerlegen, zu enträtseln und zu erklären.
Was die Leute sagen werden – in diesen Worten liegt die Tyrannei der Welt, die ganze Entwendung unseres Naturells, der Schielblick unserer Seele. Diese fünf Worte herrschen überall.
Wer nichts nach der ganzen Welt fragt, nach dem fragt die Welt am meisten.
Wer Rache übt, verdirbt mit dem andern auch sich.
Die bitterste Frucht des Grames ist: Gleichgültigkeit gegen die Welt.
Sitte und Bildung müssen so zur Natur werden, daß sie sich auch in den unbewachten Momenten kundgeben. Das ist die echte Decenz, die auch vor sich selber die schickliche Form bewahrt.
Wie oft geht das so, daß wir Gewerke herrichten für den Strom unserer Lebenstage, und ehe das Gewerk nur halb fertig, ist alles versiegt und trocken.
Saget nicht: die Natur tröstet. Gegen einen positiven Schmerz, einen Verlust auf immer vermag sie nichts.
Wenn der Tod die Lippen geschlossen, die dich Kind nennen mussten, ist dir ein Lebensatem verschwunden, der nimmer wiederkehrt.
Alle Liebe der Menschen muß erworben, erobert und verdient, über Hindernisse hinweg erhalten werden; die Mutterliebe allein hat man immer unerworben und unverdient.
Es ist doch nur ein Gott, der die Sonne scheinen und die Bäume wachsen läßt, und er weiß doch, wie es gemeint ist, ob man so oder so zu ihm betet.
Wunderbar! Wenn die Menschen in Zank und Streit geraten sollen, da werden die Zaghaftesten beredt; wenn es aber gilt, ein Liebeswort, ein versöhnendes, zu sagen, da krümmen und winden sie sich wie Stotternde.
Nicht die Sittlichkeit regiert die Welt, sondern eine verhärtete Form derselben: die Sitte.
Ein Schelm gibt mehr als er hat. Das sind in der Literatur und Kunst die falschen Idealisten.
Den Regen hört man fallen, den Schnee nicht. Der herbe Schmerz ist noch laut, der gefaßte ist still.
Man wünscht viel, was einem nicht recht wär‘, wenn’s nachher in Erfüllung ginge.
Ein Freund, der in der Trauer bei uns ist, ist wie ein Licht in der Nacht, er zwingt uns doch oder gibt uns wenigstens Gelegenheit, die Gegenstände um uns her zu sehen, zu wissen, daß noch eine Welt da ist und wir uns nicht ganz in der Nacht der Einsamkeit vergraben.
Es gibt Menschen, die nur Regen und Sonnenschein kennen und haben. Es gibt aber auch Seelen voll taubildender Kraft – das sind die stillen, in sich reichen, triebkräftigen, die mehr innerlich als äußerlich erleben.
Der Gebildete hat ein bewaffnetes geistiges Auge.
Man braucht oft das Unnötigste am meisten.
Viele Charaktere sind nichts als ein Mosaik von Stimmungen; mit der Zeit bröckeln sie leicht ab.
Der wirkliche Kenner kennt die Giftpflanze bevor sie in der Blüte steht. So sollte es auch beim wirklichen Menschenkenner sein.
Hilfeleistung für andere hilft auch uns selber von uns selber.
Es gibt Menschen, die so wachsfiguren aussehen, daß man glaubt, jede Minute kann es schnurren und die Automaten fangen zu spielen an.
Eine Mietswohnung suchen macht verstimmt und mißmutig. Warum? Wohl weil du dir deines Fremdsein auf der Welt neu bewußt wirst.
Solange es berufstreue Schulmeister gibt, Menschen, deren Glückseligkeit in der Seelenweckung anderer besteht, solange gibt es hoffende, zukunftsreiche, siegesstarke Völker.
Die selbstbereitete Freude ist die ganze Freude.
Gewährte Freiheit ist nicht die ganze Freiheit.
Nur arbeitsame Menschen sind aus sich heraus fröhlich, friedfertig und gut, Müßiggänger werden aber zu Trunk- und Spielsucht verleitet, werden ärgerlich, zänkisch, ränkesüchtig und schlecht.
Wir sind, was wir sind, nicht durch uns, sondern durch eine ewige Ordnung, die wir Gott nennen dürfen; wir müssen in dem, was wir sind, uns zu finden und glücklich zu machen suchen, ob arm, ob reich, ob schön oder häßlich.