Baltasar Gracián Zitate
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Wenige sind Freunde der Person, die meisten der Glücksumstände. Die tüchtige Einsicht eines Freundes nützt mehr als der gute Wille vieler andern: daher verdanke man sie seiner Wahl, nicht dem Zufall.
Einige schätzen die Bücher nach ihrer Dicke; als ob sie geschrieben wären, die Arme, nicht die Köpfe daran zu üben.
Nie sein Ansehen von der Probe eines einzigen Versuchs abhängig machen: Denn mißglückt er, so ist der Schaden unersetzlich.
Man lege nicht immer alles zur Schau: sonst wird es morgen keiner mehr bewundern.
Die Handlungen sind die Frucht der Gedanken: waren diese weise; so sind jene erfolgreich.
Wenige taugen zu guten Freunden, und daß man sie nicht zu wählen versteht, macht ihre Zahl noch kleiner. Sie sich erhalten ist mehr, als sie zu erwerben wissen.
Es gibt Regeln für das Glück: Denn für den Klugen ist nicht alles Zufall. Die Bemühung kann dem Glücke nachhelfen.
Wir haben mehr Tage als Freuden zu erleben. Man sei langsam im Genießen, schnell im Wirken: denn die Geschäfte sieht man gern, die Genüsse ungern beendigt.
Oft bringt die Arznei die Krankheit hervor. Und nicht die schlechteste Lebensregel ist: ruhen lassen.
Man überhäufe sich nicht mit Geschäften und mit Neid, sonst stürzt man sein Leben hinunter und erstickt den Geist. Einige wollen dies auch auf das Wissen ausdehnen: Aber wer nichts weiß, der lebt auch nicht.
Wer sein Vorhaben durchsetzt, wird nie sein Ansehen verlieren.
Jeder ist soviel, wie er weiß.
Wer alles verspricht, verspricht nichts: aber Versprechungen sind die Falle für die Dummen.
Narren sind alle, die es scheinen, und die Hälfte derer, die es nicht scheinen.
Streite nicht mit jemandem, der nichts zu verlieren hat.
Nur die Vollkommenheit gilt, und nur das Gelungene hat Dauer.
Sich zu entspannen ist besser, als beschäftigt zu sein.
Das Gute ist noch einmal so gut, wenn es kurz ist.
Der Leib will atmen, und der Geist streben.
Das Denken ist frei, ihm kann und darf keine Gewalt geschehn. Daher zieht der Kluge sich zurück in das Heiligtum seines Schweigens: und läßt er ja sich bisweilen aus; so ist es im engen Kreise Weniger und Verständiger.
Ist man noch im Werden, so halte man sich zu den Ausgezeichneten; aber als gemachter Mann zu den Mittelmäßigen.
Nicht allein unsere Kenntnisse müssen elegant sein, sondern auch unser Wollen und zumal unser Reden.
Es ist eine große Kunst zu wissen, wie man Wind verkauft.
Mit schlechten Waffen wird man nie gut kämpfen.
Ein gutes Ende übergoldet alles, wie sehr auch immer das Unpassende der Mittel dagegen sprechen mag.
Das einzige, was uns wirklich gehört, ist die Zeit. Sogar derjenige, der nichts besitzt, hat sie.
Die Dummheit fällt allemal mit der Türe ins Haus: denn alle Dummen sind verwegen.
Jeder sei, in seiner Art, majestätisch. Wenn er auch kein König ist, müssen doch alle seine Handlungen, nach seiner Sphäre, eines Königs würdig sein und sein Tun, in den Grenzen seines Standes und Berufs, königlich.
Einst war es die Kunst aller Künste, reden zu können: jetzt reicht das nicht aus; erraten muß man können.
Man hüte sich, da einzutreten, wo eine große Lücke auszufüllen ist.
Der Kluge verhüte, daß man sein Wissen und sein Können bis auf den Grund ermesse, wenn er von allen verehrt sein will. Er lasse zu, daß man ihn kenne, aber nicht, daß man ihn ergründe.
Die Wahrheit wird meistens gesehen, nur ausnahmsweise gehört.
Der Mensch ist soviel wert, wie ihm seine Mitmenschen gönnen, und damit sie es ihm gönnen, muß man ihren Mund auf dem Weg über das Herz gewinnen.
Freundschaft ist eine Tür zwischen zwei Menschen. Sie kann manchmal knarren, sie kann klemmen, aber sie ist nie verschlossen.
Es ist sehr verkehrt, wenn man sich das zu Herzen nimmt, was man in den Wind schlagen sollte.
Leidenschaftslos sein: eine Eigenschaft der höchsten Geistesgröße, deren Überlegenheit selbst sie loskauft vom Joche gemeiner äußerer Eindrücke.
Die letzten Feinheiten der Kunst stets zurückbehalten – eine Maxime großer Meister.
Die Glücklichen und die Unglücklichen kennen, um sich zu jenen zu halten und diese zu fliehen.
Mit zwanzig Jahren herrscht der Wille vor, mit dreißig das Genie, mit vierzig das Urteil.
Ein Kluger weiß Verdrießlichkeiten zu vermeiden; aber ein dummer Freund schleppt sie ihm zu.
Man lerne, ein Gesicht zu entziffern und aus den Zügen die Seele herauszubuchstabieren. Man erkenne in dem, der immer lacht, einen Narren, in dem, der nie lacht, einen Falschen.
Man darf sich nie zu dem gesellen, durch den man in den Schatten gestellt wird.
Man muß nicht aus Besorgnis, trivial zu sein, paradox werden.
Im Reden ist Diskretion viel wichtiger, als Beredsamkeit.
Ohne Mut trägt die Weisheit keine Früchte.
Jeder träumt sich sein Glück und hält sich für ein Wunder. Die Hoffnung macht die übertriebensten Versprechungen, welche nachher die Erfahrung durchaus nicht erfüllt. Dergleichen eitle Einbildungen werden eine Quelle der Qualen, wenn einst die wahrhafte Wirklichkeit die Täuschung zerstört.
Nichts erfordert mehr Behutsamkeit als die Wahrheit: sie ist ein Aderlaß des Herzens. Es gehört gleich viel dazu, sie zu sagen und sie zu verschweigen zu verstehen. Man verliert durch eine einzige Lüge den ganzen Ruf seiner Unbescholtenheit.
Die Liebe ist eine ewige Unbefriedigtheit.
Ein lange anhaltendes Glück ist allemal verdächtig: das unterbrochene ist sicherer und das Süßsaure desselben sogar dem Geschmack angenehmer.
Man muß es immer dahin bringen, daß man zurückgewünscht wird.