Arthur Schnitzler Zitate
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Wir haben alle Launen, und sind wenig nachsichtig mit den Launen des anderen.
An einem Meeresufer spazieren wandeln und in einem Regentümpel daneben ersaufen; – das ist ein wahrhaft tragikomisches Schicksal.
Feigheit dort, wo auch der Mut noch lange kein Risiko bedeutete, ist eine höchst verbreitete menschliche Eigenschaft.
Ein Hauch von Zweifel schon macht den Glauben zum Unsinn, ja hebt ihn gewissermaßen auf, während gelegentliche Anfälle von Gläubigkeit dem Zweifel im Wesentlichen kaum etwas anhaben können, ja ihn eigentlich erst recht zu bestätigen scheinen.
Manche meinen, daß sie eine Weltanschauung haben, und sie haben doch nur eine fixe Idee, im besten Fall ein Vorurteil.
Wie sinnlos die Welt dir erscheinen mag, vergiß nie, daß du durch dein Handeln wie durch dein Unterlassen dein redlich Teil zu dieser Sinnlosigkeit beiträgst.
Die sogenannten impulsiven Menschen sind meistens nicht Verschwender, sondern nur Ungeduldige ihres Gefühls.
Eine Frau holt gerne den Rat ihres Mannes ein, schon deshalb, um ihn nicht zu befolgen.
Wie könnte man als Mensch leben, wenn man nicht zuweilen ein Gott wäre?
Es gibt allerlei Flucht aus Verantwortung: Es gibt eine Flucht in den Tod, eine Flucht in die Krankheit und endlich eine Flucht in die Dummheit. Die letzte ist die gefahrloseste und bequemste, denn auch für kluge Leute pflegt der Weg nicht so weit zu sein, als sie sich gerne einbilden möchten.
Kein Antlitz ist häßlich, in dessen Zügen sich die Fähigkeit zu einer echten Leidenschaft und die Unfähigkeit zu einer Lüge ausdrückt.
Der brennt am heißesten von allen Schmerzen, der fahl vom Feuer der Verachtung schwählt.
Hüte dich vor den Bescheidenen; du ahnst nicht, mit welch gerührtem Stolz sie ihre Schwächen hegen.
Was uns als Größenwahn erscheint, ist nicht immer eine Geisteskrankheit. Oft genug ist es nur die Maske eines Menschen, der an sich verzweifelt.
Während wir träumen, sind wir da nicht vielleicht Gespenster in den Träumen der anderen?
Ein Haufen von unbeglichenen Rechnungen – von solchen, deren Bezahlung man uns schuldig blieb und solchen, die wir nicht begleichen konnten – das ist am Ende die Bilanz unseres Lebens.
Die Eleganz ist der Geschmack der andern.
Daß wir einen Gott ahnen, ist nur ein unzulänglicher Beweis für sein Dasein. Ein stärkerer Beweis ist, daß wir fähig sind, an ihm zu zweifeln.
Wer die Seele einer Frau sucht, ist nicht immer enttäuscht, ihren Körper zu finden.
Jede gefühlsmäßige Beziehung zu Gott ist sinnlos, Auflehnung nicht minder als Ergebung, denn der Altar, vor dem wir im Staube liegen, wie der, den wir zertrümmern wollen – wir sind es immer selbst, die ihn aufgerichtet haben.
Es ist schon oft genug vorgekommen, daß ein Bösewicht aus Klugheit etwas Gutes, aber noch nie, daß ein Dummkopf aus Güte etwas Kluges getan hätte.
Nur wer den Tod fürchtet, darf sich seines Mutes rühmen.
Wie oft halten wir für Unversöhnlichkeiten der Ansichten, was nichts anderes ist, als die Verschiedenheit der Temperamente.
In der Liebe erkennen wir meist zu spät, ob ein Herz uns nur geliehen, ob es uns geschenkt oder ob es uns gar geopfert wurde.
Am Ende gilt doch nur, was wir getan und gelebt – und nicht, was wir gewünscht oder ersehnt haben.
Die Weltgeschichte ist eine Verschwörung der Diplomaten gegen den gesunden Menschenverstand.
Politik ist das gegebene Thema für Ungebildete und Schwätzer, Religion das gegebene Thema für Gedankenlose und Schwächlinge.
Die Gesellschaft hat die Strafe erfunden, die Theologie die Hölle, und für die Fälle, in denen die irdische Sühne ausbleibt und der Glaube ans Jenseits versagt, hat unsere Feigheit die Reue erfunden.
Nichts erschwert uns die Existenz so sehr, als daß wir so häufig an Definitiva glauben… und daß wir die Zeit damit verlieren, uns eines Irrtums zu schämen, statt ihn einzugestehen und unser Leben einfach neu zu gestalten.
Warum bildet sich der letzte Tropfen so viel darauf ein, daß er den Becher überfließen machte? Der erste war schon nicht minder schuldig; – aber der törichte Becher hat es damals nicht geahnt.
Die Probleme der Sittlichkeit liegen auf dem Gebiet der Verantwortung, die der Sitte auf dem der Tradition.
Kein Gespenst überfällt uns in vielfältigeren Verkleidungen als die Einsamkeit, und eine ihrer undurchschaubarsten Masken heißt Liebe.
Wer Materie sagt, sagt Geist, ob er es will oder nicht. Denn sie wäre überhaupt nicht vorstellbar ohne Geist. Und wer Geist sagt, sagt Materie, denn ohne Materie könnte er es nicht sagen, nicht einmal denken.
Es gehört nicht zur Wahrheit im höheren Sinn, über alles Nebensächliche, insbesondere rein Physische Bericht zu erstatten, doch gibt es Fälle, wo das Verschweigen geradezu Fälschung wäre.
Gibt es einen Gott, so ist die Art, in der ihr ihn verehrt, Gotteslästerung.
Wie der Mensch sich ärgert, so ist er.
Alles, was die Seele durcheinanderrüttelt, ist Glück.
Es gibt nur drei absolute Tugenden: Sachlichkeit, Mut und Verantwortungsgefühl; diese drei schließen nicht nur alle anderen gewissermaßen in sich ein, sondern ihr Dasein paralysiert sogar manche Untugenden und Schwächen, die gleichzeitig in derselben Seele vorhanden sein mögen.
Der Trotz ist die einzige Stärke des Schwachen – und eine weitere Schwäche mehr.
Keinen Anlaß zur Lüge haben, heißt noch lange nicht aufrichtig sein.
Auch das Chaos gruppiert sich um einen festen Punkt, sonst wäre es nicht einmal als Chaos da.
Hüte dich vor schlechter Gesellschaft, aber vergiß nicht, daß, wenn du die Einsamkeit erwählst, du dich nicht stets in der besten befindest.
Caesar hatte es leichter auf der Welt als Napoleon. Denn Caesar war Caesar und Napoleon spielte Napoleon – freilich hätte ihn niemand spielen können als gerade er.
Stärke des Charakters ist oft nichts anderes als Schwäche des Gefühls.
Die Norm in ihren menschlichen Erscheinungsformen ist immer mehr geneigt, sich dem Negativen als dem Positiven zu nähern. Wenn wir von dem Menschen als solchem sprechen, so wissen wir, daß er eher feig ist als mutig, eher gemein als edel, eher bös als gut.
Anführungszeichen sind oft nichts als faule Ausrede, mittels deren der Autor die Verantwortung für eine Banalität, die ihm in die Feder kam, oder für die ihm nichts besseres einfiel, dem schlechten Geschmack seiner Zeitgenossen aufzubürden versucht.
Manche Frau vermag Gefühl und Sinnlichkeit zu trennen. Oft weiß jenes nichts von dieser und verleugnet sie wie einen schlechten Umgang.
In den Beziehungen zwischen Menschen gibt es so wenig einen Stillstand wie im Leben des Einzelnen.
Wenn du vor den Altar der Wahrheit trittst, so wirst du dort viele auf den Knien finden. Doch auf dem Wege dahin wirst du immer allein gewesen sein.
Solange jeder Narr, jeder Theolog, jeder Betbruder und jeder Feuilletonist sich erlauben darf, das Wort Gott so zu verstehen und anzuwenden, wie es ihm gerade genehm ist, wird jede Diskussion über religiöse Fragen unfruchtbar bleiben.