Arthur Schnitzler Zitate
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Es gibt so viele Krankheiten – und nur eine Gesundheit! Man muss immer genau so gesund sein wie die andern, man kann aber ganz anders krank sein wie jeder andere!
Was du hier als Aphorisma servierst – denkst du vielleicht, diese billige Weisheit wäre mir nicht längst bekannt gewesen? – Daß du dir das einbildest, lieber Leser, betrachte ich als die schmeichelhafteste Genugtuung, die mir werden konnte.
Napoleon und Cäsar, wären sie irgendwo einander begegnet, hätten gelächelt wie Auguren. Doch Christus und Mohammed, fürcht‘ ich, hätten einander ernst genommen.
Nicht früher darfst du dich von einer Frau geliebt glauben, ehe du nicht sicher bist, ihre ganze erotische Sehnsucht auf dich allein vereinigt und alle anderen Möglichkeiten ihres Wesens, auch die ungeahntesten, zur Wirklichkeit erlöst zu haben.
Wir wollen bei den Frauen die ersten sein, sie bei uns die letzten.
Wenn dir ein Unglück widerfährt, so wird die erste Regung deines Freundes nicht etwa Mitgefühl sein oder gar das Bedürfnis, dir zu helfen, sondern die Befriedigung darüber, daß er für seinen Teil dein Unglück längst kommen sah – und seine nächste: die Überzeugung, daß du selber daran schuld bist.
Die Sentimentalität ist das Alibi der Hartherzigen.
Wenn du dich in Gefahr glaubst, an einem Menschen zugrunde zu gehen, so rechne es ihm nicht gleich als Schuld an, sondern frage dich vorerst, wie lange du schon nach solch einem Menschen gesucht hast.
Herabgekommene menschliche Beziehungen, Liebesbeziehungen ganz besonders, haben zuweilen wie verarmte Adelige ihren lächerlichen oder auch rührenden Bettlerstolz, den wir in jedem Falle achten, am wenigsten aber durch eine zur Schau getragene Teilnahme verletzen sollen.
Jeder Augenblick des Lebens ist an sich so seltsam, daß er überhaupt nicht zu ertragen wäre, wenn wir imstande wären, diese Seltsamkeit in der Gegenwart ebenso deutlich zu empfinden, wie sie uns in der Erinnerung und in der Erwartung meistens zu erscheinen pflegt.
Zuerst pflegt die Lust zu streiten da zu sein und dann erst das Objekt, um das gestritten wird. Es ist wie bei der Liebe und beim Haß. Und wenn der Drang auch ins Leere greift, nach einem unwandelbaren Gesetz ist bald ein Individuum oder eine Masse da, die automatisch die Leere füllt.
Lebensklugheit bedeutet: Alle Dinge möglichst wichtig, aber keines völlig ernst zu nehmen.
So mancher glaubt, immer noch einem verlorenen Glücke nachzuweinen und es ist längst nur mehr der abgeschiedene Schmerz darum, dem seine Tränen fließen.
Manches gestehen, das bedeutet oft einen hinterhältigeren Betrug als alles verschweigen.
Sinnlichkeit log uns Liebe vor, der Verstand widersetzte sich der Täuschung – da kam die Phantasie als willkommene Helferin.
Man kann sich wohl den Weg wählen, aber nicht die Menschen, denen man begegnet.
Horch auf die Verleumder, so wirst du die Wahrheit über dich erfahren.
Solidarität der Bestrebungen knüpft Euch mit Bindfäden, Solidarität der Schicksale schnürt Euch mit Stricken, Solidarität der Verantwortungen schmiedet Euch mit Ketten aneinander.
Es gibt keinen Ärmeren als den Reichen, der nicht weiß, wie zu verschwenden.
Selbstüberwindung, Erkenntnisdrang und Opfermut sind die einzigen wirklichen Tugenden unter allen, die man so zu nennen pflegt. Denn nur in ihnen ist der Wille tätig.
Beklagenswerter, der nicht sein Leben, sondern seine Autobiographie lebt.
Man hat es so leicht, seine Erinnerungen zu schreiben, wenn man ein schlechtes Gedächtnis hat.
Dankbarkeit ist etwas durchaus Künstliches, in gewissem Sinne gegen die Natur. Undankbarkeit ist das Elementare.
In der Liebe der Frauen ist fast immer ein Element des Blutschänderischen enthalten; den älteren Mann lieben sie immer ein wenig wie einen Vater, den jüngeren wie einen Sohn.
Eine als falsch erkannte Meinung ohne falsche Scham aufzugeben, das ist vielleicht die wunderbarste Kraftersparnis, die unserem Geist gegönnt ist; und zugleich die, von der wir am seltensten Gebrauch machen.
Hüte dich vor dem Augenblick, da du anfängst, auf deine Einsamkeit stolz zu werden; im nächsten schon wacht die Sehnsucht nach Menschen in dir auf.
Das Orchester versetzt die Damen in Trance, aber schreiben tun’s dann dem Tenor.
Manche Künstler wissen sich ihren Ruf mühselig genug dadurch zu erhalten, daß sie sich immer wieder an Aufgaben wagen, denen ihre Kraft nicht gewachsen ist.
Das Wichtigste im Verkehr mit Menschen: Ihnen ihre Ausreden wegräumen.
Der Weg vom religiösen Gefühl zum Dogma ist unendliche Male weiter als der vom Dogma zum religiösen Wahnsinn.
Der Genius des Hasses auf Erden ist vielleicht ein noch gewaltigerer als der Genius der Liebe.
Dem Humor, dem göttlichen Kind, ist nichts verwehrt; auch nicht mit dem Schmerz, dem Elend, dem Tod zu spielen. Wenn die Ironie, der Witz, die Satire das Gleiche versuchen, empfinden wir das als geschmacklos, roh, wenn nicht gar als Blasphemie.
Was soll mir das Geschwätz? Ich habe mich in meinem Leben nicht um Politik gekümmert! Was hilft’s dir, mein Freund? Sie kümmert sich um dich in jedem Augenblick deines Lebens!
Für die meisten Menschen bedeutet eine Wohltat, die sie erfahren haben, nicht so sehr eine Gelegenheit ihre Dankbarkeit, als vielmehr eine, ihre Unbestechlichkeit zu erweisen.
Unglücklich sein – ist erst das halbe Unglück; bedauert werden: das ist das ganze!
Es gibt so viele Ersatzgefühle für die Liebe, daß, wer ihr einmal rein begegnet, verwirrt vor dem Unwahrscheinlichen steht.
Mir scheint, das Sterben macht blöd.
Ob einer glaubt, das weiß er im allgemeinen selber nicht. Darüber, daß er zweifelt, ist sich jeder ohneweiters klar. Er weiß nur nicht immer warum.
Goethe: Selig, wer sich vor der Welt ohne Haß verschließt… Unselig aber, wer den Drang fühlt, in allem Haß ihr dennoch seine ganze Seele aufzutun.
Jeder Dichter ist ein Realist und Idealist, Impressionist und Expressionist, Naturalist und Symbolist zugleich, oder er ist überhaupt keiner.
Vernünftige Leute, die den Standpunkt ihrer Partei bis in die letzten Konsequenzen zu vertreten versuchen, erwecken immer den Eindruck, als seinen sie konfus oder unehrlich geworden.
Fällt von einem immer noch geliebten Wesen der Zauber des Geschlechts allmählich für dich ab, so erlebst du zuweilen das neue Wunder, daß das Kind wieder vor dir steht, das jenes Wesen war, bevor du es als Frau umarmtest, und du liebst es besser als zuvor.
Es als Tugend auszurufen, daß sich Menschen zusammengehörig fühlen – das war der geniale Einfall eines Mächtigen, der eine Garde brauchte.
Die beruhigende Wirkung der Kunstwerke erklärt sich vor allem dadurch, daß im Kunstwerk das, was wir Zufall nennen, ausgeschaltet ist.
Wir wissen nämlich, wenn wir eine Frau noch so gut kennen, doch immer nur, wie sie uns liebt, nie… wie sie einen anderen lieben könnte!
Nicht das Geld imponiert den Frauen, sondern nur, daß wir sie manchmal damit kaufen können.
Auch das kürzeste Wort bleibt am Ende nur Geschwätz, wenn es nicht auf irgendwelchem Wege zu Taten führt.
Wer Humor hat, der hat beinahe schon Genie. Wer nur Witz hat, der hat meistens nicht einmal den.
Es ist noch nicht entschieden, was törichter ist: seine Geliebte zu seiner Frau oder seine Frau zu seiner Geliebten zu machen.
In jeder Epoche bildet sich eine literarische Manier aus, mit der auch die geringeren Talente mehr oder weniger gewandt zu wirtschaften verstehen und die den Stil dieser Epoche unfreiwillig parodiert.