Arthur Schnitzler Zitate
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Im heiteren Drama pflegen die Autoren meist nur die Mängel ihres Charakters – im ernsten, untrüglich die ihres Verstandes zu verraten.
Wie unklar doch die Menschen über sich selber sind. Einer liebt den Duft der Blumen und hält sich für einen Botaniker, ein anderer zählt Staubfäden und hält sich für einen Naturschwärmer.
Die Erinnerung ist die einzige Hölle, in die wir schuldlos verdammt sind.
Welch ein gefräßiges Tier ist jedoch die Eitelkeit! Sie nährt sich sowohl von Erfolg als von Misserfolg, von Glück wie von Unglück, von Liebe wie von Hass, ja zur Not versteht sie es auch, von ihrem eigenen Fett zu leben und wird immer noch fetter dabei.
Wie es hysterische Liebe gibt, so gibt es auch hysterischen Haß, und er hat alle Kennzeichen, die andern hysterischen Affekten eigen sind.
Die Kennworte des Wieners: Wie komm denn i dazu? Es zahlt sich ja net aus! Tun S‘ Ihnen nix an!
So hoch sich der Glaube emporzuschwingen vermeint, an der Unendlichkeit gemessen – und hier gibt es kein anderes Maß – ist er gerade so weit von Gott entfernt wie der Zweifel.
Widerwärtig nennen wir das Traurige, dem es nicht vergönnt ist, sich auf irgendeine Weise in Schönheit aufzulösen.
Sind es wirklich nur die Weiber, die immer auf ihr erstes Wort zurückkommen, – „wenn man Vernunft gepredigt stundenlang“, wie Shakespeare sagt? Machen es die Philosophen und ganz besonders die Theologen nicht ebenso?
Was wir rückhaltlose, schonungslose Aufrichtigkeit nennen, das pflegt die perfideste oder die naivste Form der Lüge zu bedeuten.
Mißtrauisch bist du? Ich verstehe dich: du willst dir die Mühe ersparen, die Menschen kennen zu lernen.
Eine sogenannte Halbwahrheit, sie mag sich aufspielen wie sie will, wird niemals eine ganze Wahrheit werden. Ja, wenn wir ihr nur scharf genug ins Auge sehen, so ist sie immer eine ganze Lüge gewesen.
Sie tummeln ihre Rosse, aber sie reiten sie nicht.
Manche Menschen glauben, daß sie sich weiter entwickelt haben, und von allen ihren Eigenschaften ist es nur die Eitelkeit, auf die ihre Einbildung zutrifft.
Zwei Männer mögen wegen einer Frau in einen noch so erbitterten Streit geraten sein, es kommt immer der Augenblick, in dem sie nahe daran sind, einander – wie über einen Abgrund – die Hände zu reichen.
Manche Leute sind gerade noch aufgeklärt genug, um an Gespenster nicht zu glauben, aber immerhin in Zweifel, ob nicht vor hundert Jahren noch welche existiert haben.
Wenn sich der Tod, zwar unaufhaltsam wie stets, doch mit abgewandtem Antlitz uns nähert, so sprechen wir von Genesung.
Es gibt Leute, die alle möglichen Tugenden in sich vereinigen, nur mit der Einschränkung, daß sie alle diese Tugenden auf fremde Kosten üben: sie sind verschwenderisch aus den Taschen anderer, mutig auf anderer Gefahr und klug mit anderer Geiste.
Ein neuer Gedanke – das ist meist eine uralte Banalität in dem Augenblick, da wir ihre Wahrheit an uns selbst erfahren.
Dilettant sein, das heißt: seiner eigenen Einfälle nicht wert, aber auf sie stolz sein.
Ich liebe mein Vaterland nicht, weil es mein Vaterland ist, sondern weil ich es schön finde. Ich habe Heimatgefühl, aber keinen Patriotismus.
Glaubenslos nennt Ihr, Ihr Frommen, die sich als Zweifler bekennen? Aber sie glauben nur nicht, daß Ihr die Wissenden seid.
Eine Illusion verlieren, heißt um eine Wahrheit reicher zu werden. Doch wer den Verlust beklagt, ist auch des Gewinnes nicht wert gewesen.
Du kannst einen Menschen daran hindern, zu stehlen, aber nicht daran, ein Dieb zu sein.
Humor ist immer dämonischer Natur; das Reich von Witz, Ironie, Satire, dieser gefallene Engel des Geistes, ist innerhalb des Satanischen beschlossen.
Hüte dich davor, dich mit Leuten in Diskussionen einzulassen, die allzu rasch mit Gegengründen aus dem Gebiet des Metaphysischen und des Unbewußten bei der Hand sind. Es sind Feiglinge des Gedankens.
Der Pedantismus mißverstand die Menschenliebe; – das Resultat ist als Marxismus bekannt. Das Ressentiment mißverstand den Marxismus, da wurde der Bolschewismus daraus. Das Literatentum mißverstand den Bolschewismus, da galt er wieder als Menschenliebe; – aber nun sah sie auch darnach aus.
Niemals ist es das Problem, das du gewählt, niemals der Geist, mit dem du es behandelt, was dein Werk in die Zukunft tragen wird; immer sind es nur die Gestalten, die du gebildet und die Atmosphäre, die du rings um sie geschaffen hast.
Wer einmal völlig begriffen hat, dass er sterblich ist, für den hat eigentlich die Agonie schon begonnen.
Der Dichter scheint sich vom Literaten manchmal nur durch seine geringere Geschicklichkeit in den Bemühungen um einen äußeren Erfolg zu unterscheiden, der ihm oft erst die Voraussetzung für die Möglichkeit weiteren Schaffens bieten würde oder bietet.
Von allen seelischen Verschwendungen die nutzloseste ist die Gerechtigkeit. Was man an Liebe verausgabt, erhält man immerhin manchmal, wenn auch in bescheidenem Maße, zurückerstattet. Für die Gerechtigkeit, die man erwies, erhält man nichts weiter als Mißverstehen, Undank und am Ende noch Hohn dazu.
Auflehnung – Demut. Was liegt dazwischen? Weisheit oder Ergebung?
Die Frau empfindet es als Triumph, wenn sie der früheren Geliebten des Mannes begegnet; der Mann als Schmach, wenn ihm der frühere Geliebte seiner Frau erscheint.
Auch das ist Lüge und oft die kläglichste von allen: sich anzustellen, als wenn man einem Lügner seine Lüge glaubte.
Wollen – ? Undeutbares Wort. Manches müssen wir wollen – manches dürfen wir wollen – manches können wir wollen. Aber was wollen wir wollen? Nur was wir wollen müssen, wollen wir wirklich. Und dies, ist es noch ein Wollen, ist es nicht schon ein Müssen?
Es ist immer noch besser, wenn sich zwei Menschen über den tiefen Abgrund ewiger Fremdheit hin kühl die Hände reichen, als wenn sie einander über den trügerischen Wirbeln des Verstehens gerührt in die Arme sinken.
Auch Einsamkeit hat ihre Gecken, und sie verraten sich meist dadurch, daß sie sich als Märtyrer aufspielen.
Wer deine bittersten Feinde sind? Unbekannte, die ahnen, wie sehr du sie verachten würdest, wenn du sie kenntest.
Das Morphium, dieser souveräne Schmerzstiller, ist allzu oft nur ein falscher Freund des Leidenden; es lässt sich seine Gefälligkeit allzu teuer bezahlen, es fordert mit der Zeit die Freiheit, zuweilen auch das Leben.
Das Talent eines Menschen versöhnt uns oft mit der Fragwürdigkeit seines Charakters, wenn wir unter diesem nicht gerade persönlich irgendwie zu leiden haben. Niemals aber sind wir geneigt, uns durch die Vortrefflichkeit eines Menschen gegenüber seiner Talentlosigkeit milder stimmen zu lassen.
Wenn ihr den Gott lobpreist, ohne dessen Willen kein Sperling vom Dache fällt, warum prügelt ihr dann den Knaben, der ihn herunter schießt?
Ein tragikomisches Schicksal: sein Leben zerstört zu wissen und niemand zu haben, an dessen Brust man sich darüber ausweinen möchte als allein das Wesen, von dem es zerstört wurde.
Die Liebe zu den Kindern ist immer eine unglückliche, im Grunde die einzige, die diese Bezeichnung mit Recht verdient.
Ein geliebter Mensch, das bedeutet sieben Mal Schmerz und einmal Freude.
Man kann eine Frau zuverlässig von jedem eingebildeten Leiden befreien, indem man behauptet, es sei eine Alterserscheinung.
Weiche hundert Schritte ab vom gebahnten Pfad, und du findest dich allein. Und wenn du einem begegnest, weißt du nicht, ob er die Einsamkeit sucht wie du oder auf Raub ausgeht.
Das Publikum ist viel gescheiter als es selber glaubt, aber man darf es ihm nicht zugestehen, sonst wird es noch anmaßender, als es ohnedies zu sein pflegt.
Das ist das Geheimnis des alten Wiener Cafés: Der Kellner ist vergeßlich, die Kassierin ist häßlich, die Wände sind grau, die Beleuchtung ist schlecht: lauter Dinge, die ich schön finde.
Jede Antwort ist trügerisch, jede Erfüllung zerfließt uns unter den Händen, und das Ziel ist keines mehr, sobald es erreicht wurde.
Der Mut muß sich nur nach einer Front schützen, die Feigheit nach allen Seiten.