Rudolf von Jhering Zitate
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Jede soziale Störung ist nur das Suchen einer neuen bessern Ordnung.
In Wahrheit beruht die Produktivität des Kritikers in der Wirkung seiner Kritik auf den Kritisierten.
Heutzutage kann der Welt so leicht kein Genie verlorengehen; wo es auch auftaucht, wird es bemerkt und an diejenige Stelle geschoben, wo es seine richtige Bewertung findet, und letztere gewährt ihm zugleich sein Brot.
Recht ist unausgesetzte Arbeit und zwar nicht bloß der Staatsgewalt, sondern des ganzen Volkes. Jeder Einzelne, der in die Lage kommt, sein Recht behaupten zu müssen, übernimmt an dieser nationalen Arbeit seinen Anteil, trägt sein Scherflein bei zur Verwirklichung der Rechtsidee auf Erden.
Man kann täglich Klagen vernehmen über Mißstände und Ausartungen des gesellschaftlichen Lebens, in der Verdammung desselben ist jeder einverstanden, aber kaum einem kommt der Gedanke, daß er damit sich selber anklagt. […]
Die List ist die gebotene Waffe des Schwachen im Kampfe mit der Übermacht, und auch die letztere verschmäht sie nicht, um leichter zum Ziele zu kommen.
Die Achtung enthält das Werturteil der Gesellschaft, das sich in Form der öffentlichen Meinung kundgibt; sie hat nicht sowohl die Person als vielmehr den Menschen zum Gegenstande.
Der Schmerz dient in der Erschöpfung als Warner vor Gefahr.
Das Wissen läßt sich erzwingen, der Charakter nicht – es gibt keine Einrichtung, welche die Parteilichkeit des Richters zur Sache der Unmöglichkeit macht.
Die heutige Eigentumsordnung ist, mit dem rechten Namen genannt, nichts als Unersättlichkeit und Gefräßigkeit des Egoismus.
Nur wenn wir die gewöhnliche Gestaltung der menschlichen Bedürfnisse und Zwecke zu Grunde legen, gelangen wir dazu, gewisse Dinge schlechthin als gut, andre schlechthin als schlecht zu bezeichnen.
So wenig wie die Arbeit schändet, ebensowenig die Annahme eines Lohnes für die Berufsarbeit. Etwas Unehrenhaftes pflegen wir nur darin zu finden, wenn jemand für eine Dienstleistung, die für ihn keine Berufsarbeit bildet, sich einen Lohn zahlen läßt.
Alle neuen, großartigen Ideen üben dieselbe Wirkung aus, es sind die Sonnenaufgänge der Geschichte. Die Mittagssonne begeistert nicht, nur die Morgensonne.
Die Höflichkeit bildet eine soziale Institution, sie zeichnet dem einzelnen eine gewisse Weise seines Benehmens vor, welche er zu beobachten hat, selbst wenn es ihm an der inneren Stimmung oder Geneigtheit, jenem supponiertem Höflichkeitstriebe gänzlich fehlen sollte.
Die welthistorische Bedeutung und Mission Roms in ein Wort zusammengefaßt ist: die Überwindung des Nationalitätsprinzips durch den Gedanken der Universalität.
Im Kleide steckt ein Stück Stimmung, eine gewisse Garantie des Benehmens – der Lümmel im Frack ist doch nicht ganz derselbe wie der im Oberrock, er fühlt sich „geniert“ und gerade das soll er.
Ein ideales Wahlverfahren müßte die Stimmen nicht nur zählen, sondern auch wägen.
Dem Satz: „Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen“ steht mit gleicher Wahrheit der andere gegenüber: „Im Kampfe sollst du dein Recht finden“.
Ehre ist der Rechtswert der Person, sie hat die rechtliche Anerkennung des Menschen als Person zur Voraussetzung.
Es ist unsere eigene Schuld, wenn wir die Lehren der Geschichte erst verstehen, nachdem es zu spät ist; an ihr liegt es nicht, dass wir sie nicht rechtzeitig erfahren, denn sie predigt dieselben jederzeit laut und vernehmlich.
Das Ergebnis einer jeden echten Kritik befestigt, indem sie die Herrschaft der falschen Autorität stürzt, die Macht der wahren.
Was der Schlaf für den Körper, ist die Freude für das Gemüth: Zufuhr neuer Lebenskraft.
Ein Eremit ist ein Mensch, dessen Laster und Torheiten ungeselliger Art sind.
Der Kampf ums Recht ist die Poesie des Charakters.
Daß die Wölfe nach Freiheit schreien, ist begreiflich. Wenn aber die Schafe in ihr Geschrei einstimmen, so beweisen sie damit nur, daß sie Schafe sind.
Gewalt ist Willensnegierung.
Wir sind zwar die Willkür des Individuums losgeworden, haben aber die des Gemeingefühls dafür eingetauscht: hier so, dort anders, abermals der Zufall und das reine Belieben, die ihr Spiel treiben!
Unter Takt verstehen wir den sicheren Treffer des Gefühls in Dingen des Anstandes, er bezeichnet also eine Potenzierung des Schicklichkeits- oder Anstandsgefühl.
Das Individuum trägt den Grund seines Rechts in sich selber, in seinem Rechtsgefühl und seiner Tatkraft.
Alle Regeln und Formen der Höflichkeit enthalten die Verkörperung eines nach Ausdruck ringenden Innerlichen.
Wer sich die Belehrungen, welche er durch seinen Gegner erhalten kann, entgehen läßt, schädigt sich selber.
Der Mensch verkrüppelt in der Einsamkeit, der richtige, volle, gesunde Mensch ist nur der Mensch in der Gesellschaft.
Alles Recht in der Welt ist erstritten worden, jeder wichtige Rechtssatz hat erst denen, die sich ihm widersetzten, abgerungen werden müssen, und jedes Recht, sowohl das Recht eines Volkes wie das des Einzelnen, setzt die stetige Bereitschaft zu seiner Behauptung voraus.
Die Feste bilden eins der schönsten Bande der gesellschaftlichen Verbindung der Menschheit – es ist der Jubel der Gesellschaft über das, was sie fertig gebracht hat – und sie werden die Menschheit bis ans Ende ihrer Tage begleiten.
Gewalt und List sind zwei Zwillingsschwestern, die überall nebeneinander auftreten, wo das Recht noch nicht das seinige getan.
So wie das Infusorium ausschließlich sich selbst lebend eine Welt baut, so baut der Egoismus Gesellschaft und Staat.
Dasselbe Tor, durch welches der Despotismus und die Willkür einziehen, steht auch dem auswärtigen Feind offen.
Denn Gerechtigkeit – plan und verständlich ausgedrückt – ist nichts anderes als das, was allen paßt, wobei alle bestehen können.
Der Grundsatz der Gesellschaft verlangt den lebendigen Austausch der Urteile und Ansichten und die fortgesetzte Selbsterziehung im Verkehr mit anderen.
Erbgang ist die Bedingung jedes menschlichen Fortschritts, Erbgang im kulturhistorischen Sinn bedeutet: der Nachfolger arbeitet mit den Erfahrungen, dem geistigen und ethischen Kapital seines Vorgängers – die Geschichte ist das Erbrecht im Leben der Menschheit.
Der Gesetzgeber soll denken wie ein Philosoph, aber reden wie ein Bauer.
Der Zweck ist der Schöpfer des ganzen Rechts.
Es enthält einen Beweis der politischen Unreife oder Verwilderung eines Volkes, wenn es den Inhabern der höchsten Gewalt die Ehrfurcht versagt, und nur der Unverstand kann darin eine Bestätigung des Freiheitsgefühls erblicken, der richtige Ausdruck dafür ist politische Lümmelei.
Es gibt keine Handlung, die an sich böse wäre.
Die Frage von den Lebensbedingungen sowohl des Individiums wie der Gesellschaft ist eine Frage der nationalen und individuellen Bildung.
Ich betrachte die Kritik nicht als Selbstzweck für Feuilletonistische Kunststücke. Die Kritik ist nicht um ihrer selbst willen, sondern um ihres Gegenstandes willen da.
Das Geld ist der wahre Apostel der Gleichheit: Wo es aufs Geld ankommt, verlieren alle sozialen, politischen, religiösen und nationalen Vorurteile und Gegensätze ihre Geltung.
Auch das Spiel hat seine soziale Bedeutung und Wert, wie die Erholung, Ausspannung und das Vergnügen, und selbst gegen das Spielen um Geld läßt sich nichts einwenden, wenn es sich innerhalb der richtigen Grenzen hält.
Die Bevorzugung eines einzelnen Standes oder einer Berufsklasse ist vom gesellschaftlichen Standpunkt aus nur dann zulässig, wenn sie dem Interesse der Gesamtheit entspricht; dann aber ist sie nicht bloß zulässig, sondern geboten.
Sitte ist die im Leben eines Volkes sich bildende, verpflichtende Gewohnheit. Im Leben des Volkes kommt von selbst die durch die Bedingungen des Gemeinlebens postulierte Ordnung zur Geltung und diese als Richtung.