Robert Musil Zitate
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Die wahrhaft großen Menschen huldigen keineswegs einem öden Ichkultus, sondern sie erzeugen in den anderen das Gefühl ihrer Erhabenheit dadurch, daß sie sich zu ihnen hinabbeugen, ja, wenn es sein muß, für sie opfern!
Gemeinsame Schlafräume aber bringen einen Mann, wenn sie verfinstert sind, in die Lage eines Schauspielers, der vor einem unsichtbaren Parkett die dankbare, aber schon sehr abgespielte Rolle eines Helden darstellen muß, der einen fauchenden Löwen verzaubert.
Der Erfolg eines Mannes bei einer Frau beginnt dann, wenn sie ihn bewundert.
Der Zeitgeist schafft sich eben seine Werkzeuge.
Erste Eindrücke haben so oft etwas Richtiges an sich!
Der geliebte Mensch scheint dort zu stehen, wo sonst etwas fehlt.
So ließe sich der Möglichkeitssinn geradezu als die Fähigkeit definieren, alles, was ebensogut sein könnte, zu denken und das, was ist, nicht wichtiger zu nehmen, als das, was nicht ist.
Bei jedem gesunden Pessimismus kommt es nur darauf an, dass man etwas Unentrinnbares hat, woran man sich halten kann.
Sie wollen wissen, wieso ich jedes Buch kenne? Das kann ich Ihnen nun allerdings sagen: Weil ich keines lese!
Ich erachte den literarischen Einfluß Wagners auf mich gleich null, abgesehen von den geistigen Atmosphärilien.
Ein junger Mensch wird von einer schönen fünfzigjährigen Frau niemals sagen, die breiten ruhigen Formen und das Filigran des Faltenwerks dieser ehrwürdigen Kathedrale seien schön, sondern er wird flüchtig feststellen, sie sei alt.
Das Leben baut nichts auf, wozu es nicht die Steine anderswo ausbrach.
Die Hölle ist nicht interessant, sie ist furchtbar.
Schreiben ist eine besondere Form des Schwätzens.
Wohlwollen kann man nur durch viele kleine Schritte gewinnen, aber mit einem einzigen verspielen.
Es ist nichts so schwer, wie mit einem Menschen in ein Schicksal verflochten zu sein, den man nicht genügend liebt!
Ein Unterschied: Nicht das Genie ist hundert Jahre seiner Zeit voraus, sondern der Durchschnittsmensch ist um hundert Jahre hinter sich zurück.
Wer uns bedeuten will, was ‚universelle Bildung‘ sei […], dem sollte wahrhaftig zuerst geraten werden: erfahre, wie dem anderen zumute ist! Durch Mitleid wissend, es bedeutet tausendmal mehr, als durch Bücher wissend sein!
Viele fröhliche Menschen sind nicht um das geringste glücklicher als traurige, denn Glück strengt genau so an wie Unglück.
Der Wunsch ist ein Wille, der sich selbst nicht so ganz ernst nimmt.
[…] Ruhm, durch geistige Leistungen erworben, zerfließt merkwürdig rasch, sobald man mit seinen Trägern verkehrt.
Es gibt auf der ganzen Welt kein anderes Mittel, ein Ding oder Wesen schön zu machen, als es zu lieben.
Politik, Ehre, Krieg, Kunst, die entscheidenden Vorgänge des Lebens vollziehen sich jenseits des Verstandes. Die Größe des Menschen wurzelt im Irrationalen.
Der wahre Prüfstein des Lebens ist erst das Zusammenleben.
Das sich unverstanden Fühlen und das die Welt nicht Verstehen begleitet nicht die erste Leidenschaft, sondern ist ihre einzige nicht zufällige Ursache. Und sie selbst ist eine Flucht, auf der das Zuzweiensein nur eine verdoppelte Einsamkeit bedeutet.
Meistens ist das, was wir Realität nennen, bloß Gewohnheit.
[Nietzsche] habe nicht die wunderbare Gegengabe des Schwachen erkannt, daß dieser den Starken zart mache!
Arnheim hatte unterdessen mitgeteilt, dass sich die Welt seit zwei Menschenaltern in der größten Umwälzung befinde: die Seele gehe zu Ende. … Die Seele sei schon seit dem Zerfall der Kirche, also ungefähr im Beginn der bürgerlichen Kultur, in einen Prozess der Einschrumpfung und Alterung geraten.
Den Menschen zu Großem befähigen, obwohl er ein Bastard ist, das erst ist unsere Aufgabe!
Wenn es Sinn hat, zwischen Genie und Talent zu trennen, wird man es so versuchen. … Genial ist das Neue, das Unerwartete, ein Qualitätsunterschied, talentiert ist ein Intensitätsbegriff. … Genie ist keine Turmspitze, es ist eine Walhalla.
Ideale haben merkwürdige Eigenschaften, unter anderem die, dass sie in ihr Gegenteil umschlagen, sobald man sie verwirklicht.
Dumme Menschen sind schon deshalb besonders eitel, weil ihnen die Intelligenz fehlt, dies zu verbergen.
Dichtung gibt Sinnbilder. Sie ist Sinngebung. Sie ist Ausdeutung des Lebens. Die Realität ist für Sie Material.
Mögen Schwierigkeiten noch so groß sein, sie bedeuten nichts, wenn man ernstlich will!
Ein Mensch kann höchstens noch mit einem zweiten Menschen sachlich und vernünftig sprechen… das bekannte Leiden des zeitgenössischen Menschen, das man Zivilisation nennt.
Es stammen aber die Namen Ziel und Zweck aus der Sprache der Schützen: Bedeutet also ziellos und zwecklos in seinem ursprünglichen Zusammenhang nicht soviel wie kein Tötender sein?
Nie ist das, was man tut, entscheidend, sondern immer erst das, was man danach tut.
Liebe den Nächsten, ist von einer Pflicht so verschieden wie ein aus der Seligkeit kommender Wolkenbruch von einem Tropfen Zufriedenheit.
Wenn man etwas mit ganzer Seele für eine Sache tut, ist es das nachträglich immer wert.
Wer einen Kohl schreibt, den jeder schluckt, findet viele Leser, und wer viele Leser hat, ist ein großer Mann; denn wer viel verdient, bringt andre ins Verdienen, die ihn loben und achten.
Das Leben bildet eine Oberfläche, die so tut, als ob sie so sein müßte, wie sie ist, aber unter ihrer Haut treiben und drängen die Dinge.
Keine Grenze verlockt mehr zum Schmuggeln als die Altersgrenze.
Die Moral unserer Zeit ist, was immer sonst geredet werden möge, die der Leistung. Fünf mehr oder weniger betrügerische Konkurse sind gut, wenn auf den fünften eine Zeit des Segens und des Segenspendens folgt. Der Erfolg kann alles vergessen machen.
Man braucht nicht sehr lange gelebt zu haben, so erinnert man sich schon an Erlebnisse, die es nicht mehr gibt.
Wir haben keine inneren Stimmen mehr, wir wissen heute zu viel, der Verstand tyrannisiert unser Leben.
Kein Staatswesen hat von seiner Armee je behauptet, dass sie zum Angriff gehalten würde. Jedes hat versichert, sie sei nur zur Verteidigung da.
Mit den Gedanken ist es eine eigene Sache. Sie sind oft nicht mehr als Zufälligkeiten, die wieder vergehen, ohne Spuren hinterlassen zu haben, und die Gedanken haben ihre toten und ihre lebendigen Zeiten.
Das kannst du doch nicht leugnen, daß wir in uns stecken wie die Figuren in einem Steinblock. Man muß sich aus sich herausarbeiten! Man muß sich gegenseitig dazu zwingen!
Wer viel redet, entlädt das Leid des andern tropfenweise, wie ein Regen die Elektrizität einer Wolke. Das ist die bekannte Milderung eines jeden Kummers durch das Mittel der Aussprache!
Es hat keinen Sinn, Sorgen im Alkohol ertränken zu wollen, denn Sorgen sind gute Schwimmer.