Robert Musil Zitate
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Liebe: Gib nicht mit Unrecht dem Zustand den Namen.
Eine vollkommene Ordnung wäre der Ruin allen Fortschritts und Vergnügens.
Wie wenig Menschen […] haben eine wahrhaft mitfühlende Seele!
Man darf nicht hungrig und verträumt sein, wenn man tüchtig sein will, sondern muß Beefsteak essen und sich rühren.
Die Rede ist nicht nur ein Machtmittel, sondern ein Sinn mehr zur Aufnahme der Welt.
Ein Garten ist eine Kunstnatur.
Man hat eine zweite Heimat, in der alles, was man tut, unschuldig ist.
Man ist nie so sehr bei sich, als wenn man sich verliert.
Die ganz große Gemeinheit entsteht heutzutage nicht dadurch, daß man sie tut, sondern dadurch, daß man sie gewähren läßt.
Er [General Stumm] hatte die Paradoxie des Übermaßes der Ordnung entdeckt. … Er hatte herausbekommen, dass durch irgendeinen unaussprechlichen Zusammenhang Ordnung zu einem Bedürfnis nach Totschlag führe.
Fortschritt wäre wunderbar – wenn er einmal aufhören würde.
Worte springen wie Affen von Baum zu Baum, aber in dem dunklen Bereich, wo man wurzelt, entbehrt man ihrer freundlichen Vermittlung.
Wie wenig ernst gemeint sind […] die gewöhnlichen Fragen nach unserem Wohlergehen. Man braucht bloß einmal ausführlich zu antworten, wie einem wirklich ums Herz ist, und sieht sich bald genug einem gelangweilten und geistesabwesenden Blick gegenüber!
Philosophen sind Gewalttäter, die keine Armee zur Verfügung haben und sich deshalb die Welt in der Weise unterwerfen, dass sie sie in ein System sperren.
Das Nicht-Haben ist der Anfang allen Denkens.
Die Hunde haben ihre ausgezeichneten Nasen, aber wir Menschen gehen aneinander vorbei und vermögen uns nicht zu erkennen. Wir haben noch eine ganz ungeregelte und wilde Preisbildung für das, was wir wollen, und sind von denen, die uns brauchen, so wenig zu finden wie Bücher ohne Katalog.
Ein bißchen Furcht vor etwas Bestimmten ist gut. Sie dämpft die viel größere Furcht vor etwas Unbestimmten.
Man sollte niemals vergessen, daß der innerste Brunnen einer Literatur ihre Lyrik ist…
[Das] von vielerlei Rücksichten krummgeschlossene Selbstbewußtsein.
Die Natur und der eigentümliche Geist der Liebenden blicken einander in die Augen, es sind das zwei Richtungen der gleichen Handlung, es ist ein Fließen in zwei Richtungen und ein Brennen von zwei Enden.
Es gibt viele Menschen mit edlen Eigenschaften, die bloß noch nicht in einer unerschütterlichen Überzeugung gesammelt sind.
Denn aus irgendeinem imponderablen Grund sind ja die Zeitungen nicht Laboratorien und Versuchsstätten des Geistes, was sie zum allgemeinen Segen sein könnten, sondern gewöhnlich Magazine und Börsen.
„Wenn Geist nichts ist als geordnetes Erleben, dann braucht man ihn in einer ordentlichen Welt überhaupt nicht!“
Alles Beständige büßt seine Eindruckskraft ein.
Die soziale Auffassung sagt uns, daß der verbrecherisch „Entartete“ überhaupt nicht moralisierend, sondern nur nach seiner Schädlichkeit für die Gesellschaft zu beurteilen sei.
Und wirklich wird die Seele vieler Völker und Staaten heute von Gefühlen beherrscht, unter denen unleugbar die Eitelkeit einen vordersten Platz einnimmt.
Wunder wurden Wirklichkeit, weil sie nichts sind als eine immer vorhandene andere Art von Wirklichkeit.
Wie vergeßlich ist das Leben!
In der Welt [ist] besonders ein Hang […], daß sich die Menschen, wo sie in großer Zahl auftreten, alles gestatten, was ihnen einzeln verboten ist.
Wer nicht weiß, was er selber will, muß wenigstens wissen, was die anderen wollen.
Karneval. Unart der Menschen, sich zu verkleiden und doch an den Seelen gleich zu bleiben. Ich hasse das.
Je unerschütterlicher die Geduld in dir wird, […] desto sicherer wirst du den andern ins Herz treffen!
Vereine fördern die Bestrebungen ihrer Mitglieder und stören die der anderen.
Jeder hat zwar seine innere Größennummer, kann aber in dieser Größe die verschiedensten Kleider ausfüllen, wenn sie ihm das Schicksal bereit hält.
Es reizt den, der die Macht hat, weniger, wenn der Schwache nicht kann, als wenn er nicht will.
Es ist nicht von der Hand zu weisen, daß die tiefste Anlehnung des Menschen an seinen Mitmenschen in dessen Ablehung besteht.
[W]ie doch Nachgiebigkeit gegen Poesie gleich überheblich macht!
Fest wie ein Diamant und zart wie eine Mutter muß man sein!
Was ist Kunst? Das humanistische Ideal. Dichtung als Lebenshaltung.
Das gemeinsame Glück zweier Menschen ist nichts anderes als zwei kleine, nebeneinander geritzte Striche in die Unendlichkeit.
Es ist leider in der schönen Literatur nichts so schwer wiederzugeben wie ein denkender Mensch.
Aber ist das Geld nicht eine ebenso sichere Methode der Behandlung menschlicher Beziehungen wie die Gewalt […]? Es ist vergeistigte Gewalt, eine geschmeidige, hochentwickelte und schöpferische Spezialform der Gewalt.
Es wird ein Teil des Großen für das Ganze genommen, eine entfernte Analogie für die Erfüllung der Wahrheit, und der leergewordene Balg eines großen Worts wird nach der Mode des Tags ausgestopft.
Manche Menschen reisen hauptsächlich in den Urlaub, um Ansichtskarten zu kaufen, obwohl es doch vernünftiger wäre, sich diese Karten kommen zu lassen.
In der Wissenschaft kommt es alle paar Jahre vor, daß etwas, das bis dahin als Fehler galt, plötzlich alle Anschauungen umkehrt oder daß ein unscheinbarer und verachteter Gedanke zum Herrscher über ein neues Gedankenreich wird.
Die tiefer als der Anlass reichende Ursache aller großen Revolutionen liegt nicht in der angehäuften Unzuträglichkeit, sondern in der Abnützung des Zusammenhalts, der die künstliche Zufriedenheit der Seelen gestützt hat.
Die Jugend überschätzt das Neueste, weil sie sich mit ihm gleichaltrig fühlt. Darum ist es ein zweifaches Unglück, wenn das Neueste zu ihrer Zeit schlecht ist.
Je besser der Kopf, desto weniger ist dabei von ihm wahrzunehmen.
Und da wir doch von Schicksal gesprochen haben, es ist so, als hätte man zwei Schicksale: ein regsam-unwichtiges, das sich vollzieht, und ein reglos-wichtiges, das man nie erfährt.
Die Dummheit… ist allseitig beweglich und kann alle Kleider der Wahrheit anziehen. Die Wahrheit dagegen hat jeweils nur ein Kleid und einen Weg und ist immer im Nachteil.