Antoine de Rivarol Zitate
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Die Identität des Zwecks beweist den Verstand der Menschen; die Verschiedenheit der Mittel ist das Maß der Geister, und Widersinnigkeit der Zwecke ist ein Zeichen von Wahnsinn.
Nachsicht mit denen, die man kennt, ist im Allgemeinen seltener als Mitleid mit denen, die man nicht kennt.
Es ist ein Zeichen großer Schwäche, sich zu empören gegen das unvermeidliche Übel, und die hinzunehmen, die man vermeiden kann. Was soll man sagen zu einem Menschen, der gegen das schlechte Wetter aufbegehrt und Beschimpfungen ruhig hinnimmt.
Den Bekenner des alten Glaubens nennen wir einen Starrkopf. Den Bekenner zu neuen Ideen einen Propheten.
Die Gesetze der Natur sind wunderbar, aber ihr Räderwerk zermalmt viele Insekten wie die Regierungen viele Menschen.
Das Wort „teuer“ hat etwas Sanftes und Niedriges: es ist der Ausdruck der Liebe und des Geizes und scheint zu besagen, daß, was die Börse angeht, das Herz angeht.
Der Neid, der redet und lärmt, ist immer ungeschickt; was man fürchten muß, ist der Neid, der schweigt.
Es gibt nichts Häßlicheres als Reichtum ohne Tugend.
Trägheit ist bei manchen Geistern nichts als Überdruß am Leben, bei andern Verachtung des Lebens.
Selbst wenn ich jeden Tag eine andere Maske trüge und jemand alle diese Masken zeichnen würde, hätte er mich noch lange nicht porträtiert.
Ein Bürger wird den Vergleich mit einem Schuhflicker mit weniger Verdrossenheit hinnehmen als ein Adliger den Vergleich mit einem Bürger.
Gefährlich ist der Neider, der schweigt.
Des Menschen Welt ist so mannigfach als er mannigfach ist.
Freiheit außerhalb der Gesellschaft schließt nicht die Idee der Sicherheit in sich, und diese läßt sich nicht begreifen ohne Freiheit und ohne Gesellschaft.
Tacitus hat als wahrer Philosoph gesprochen, als er sagte, es wäre besser, an Gott zu glauben, als über ihn zu diskutieren.
Gold ist der Souverän der Souveräne
Eine Frömmlerin glaubt den Frömmlern, die Ungläubige den Philosophen; aber beide sind gleich leichtgläubig.
Die Religion wäre für das Volk nicht so unentbehrlich, wenn die Reichen nicht so wenig Moral hätten.
Ist ein Mensch wertvoller als sein Besitz, so muss er arm sein; darum scheinen die Reichen so wenig zu gelten; und daher die Vorliebe der Philosophen für die Armen.
So wie unser Auge getroffen wird durch die Bilder der Gegenstände und nicht durch die Gegenstände selber, so ist unsere Seele berührt von Meinungen über die Dinge und nicht durch die Dinge selber.
Das Volk braucht übliche Wahrheiten, nicht Abstraktionen.
Hat man vierundzwanzig Stunden früher als die übrigen Menschen recht, so gilt man diese vierundzwanzig Stunden lang für närrisch.
Frei ist, wer, obwohl gezwungen, tut, was er nötig hat, wie ein Diener dienen muß, um leben zu können; Sklave, wer sich zwingen läßt, zu tun, was er nicht nötig hätte.
Die Adligen von heute sind nur die Gespenster ihrer Vorfahren.
Methoden sind Gewohnheiten des Geistes und Sparmaßnahmen des Gedächtnisses.
Ein wenig Mutterwitz würde viel Geist aufheben.
Dieselben Gaben, die den Menschen befähigen, ein Vermögen zu erwerben, hindern ihn, es zu genießen.
Unter den Bösartigen, die alles Böse, das sie nicht bestimmt wissen, unbesonnen sagen, gibt es besonnene Freunde, die vorsichtig verschweigen, was sie wissen.
Warum will man lieber für seine Tochter einen Dummkopf, der Namen und Rang hat, als einen geistvollen Menschen? Die Vorteile des Dummkopfs lassen sich teilen, die des Geistes sind nicht mittelbar: Ein Herzog macht eine Herzogin, ein geistreicher Mann keine geistreiche Frau.
Manche Leute haben nichts weiter von ihrem Vermögen, als die Furcht es zu verlieren.
Die Philosophie ist nur für das Einzelwesen verantwortlich, die Religion für die Massen.
Die Schafe müssen sich zusammenrotten, aber die Löwen leben für sich allein.
Neid, der spricht und lärmt, ist immer ungeschickt; fürchten muß man den verschwiegenen Neid.
Gleichheit ist immer der Probestein.
Es gibt nur eine Moral, wie es nur eine Geometrie gibt; diese beiden Worte haben keinen Plural.
Wer tut, was er kann, was er soll und was sich schickt, müßte eigentlich zur Geltung kommen.
Die Grammatik ist die Experimentalphysik der Sprachen.
Die Liebe ist ein Raub der Natur an der Gesellschaft.
Die Erinnerung steht immer dem Herzen zu Diensten.
Manche Leute haben von ihrem Reichtum nur die Furcht, ihn zu verlieren.
Wer Wunder fordert, vergißt, daß er der Natur die Unterbrechung der ihren zumutet.
Der Mensch befindet sich niemals im Genuß uneingeschränkter Freiheit, sondern er besitzt nur eine zweite Ordnung; zum Beispiel steht es ihm frei, das oder das zu essen, nicht aber, überhaupt nicht zu essen.
Der Ungläubige täuscht sich über das jenseitige, der Gläubige über das diesseitige Leben.
Die öffentliche Meinung muß man mit ihren eigenen Waffen angreifen; man schießt nicht mit Gewehren auf Ideen.
Die Philosophen gründen gern die Gleichheit auf anatomische Entsprechungen. Sie schließen daraus, daß die Nerven, die Muskeln und das Äußerliche zweier Bürger denselben Anblick bieten auf deren Gleichheit – doch wenn man ähnlich und gleich verwechselt, gibt man sich einem unheilvollen Irrtum hin.
Von zwanzig Personen, die über uns reden, sagen neunzehn etwas Schlechtes, und der Zwanzigste, der etwas Gutes über uns sagt, sagt es schlecht.
Unser Glaube hängt mehr von unserem Charakter als von unserer Einsicht ab. Nicht alle, die sich über die Auguren lustig machen, haben mehr Geld als die, die an sie glauben.
Neben den Böswilligen, die uns leichtfertig das Üble nachsagen, das sie vermuten, gibt es diskrete Freunde, die sorgfältig das Gute verschweigen, dessen sie sicher sind.
Man kann guten Rat geben, aber nicht handeln lassen.
In den Wörterbüchern gibt es wohl abgebrauchte Wörter, die auf den großen Schriftsteller warten, der ihnen ihre Energie zurückerstattet.