Antoine de Rivarol Zitate
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Ein Baum läßt seine Früchte los, wenn sie reif sind, ein Vater seine Kinder, wenn sie groß sind.
Der Mensch ist das einzige Wesen, das Feuer machen kann. Das hat ihm die Herrschaft über die Erde eingebracht.
Der Bescheidene hat alles zu gewinnen, der Stolz alles zu verlieren: denn die Bescheidenheit hat es immer mit dem Edelmut, und der Stolz mit dem Neid zu tun.
Der Mensch verbringt sein Leben auf Erden mit reden über die Vergangenheit, sich beklagen über die Gegenwart und bangen vor der Zukunft.
Das Volk spendet seine Gunst, niemals sein Vertrauen.
Um etwas zu gelten in dieser Welt, muß man tun, was man kann, was man soll und was sich schickt.
Man muss deutlich zwischen der arithmetischen und der politischen Mehrheit eines Staates unterscheiden.
Der schönste Kunstgriff des menschlichen Geistes, die Erfindung von Begriffen, ist die Quelle fast all seiner Irrtümer.
Ein großes Volk in Aufruhr bringt nichts zustande als Hinrichtungen.
Frauen gegenüber sind junge Leute verschämte Reiche und alte Männer unverschämte Arme.
Ein Volk ohne Land und ohne Religion müßte zugrundegehen, wie Anthäus schwebend zwischen Himmel und Erde.
Dem Geizhals fehlt, was er hat, ebenso sehr wie das, was er nicht hat. Er ist der hassenswerte Mensch schlechthin.
Die Visionen haben einen glücklichen Instinkt und kommen nur denen, die an sie glauben müssen.
Der Märtyrer einer alten Religion erscheint als Starrsinniger einer neuen als Begeisterter.
Die Moral errichtet ein höheres und fürchterlicheres Tribunal als das der Gesetze. Sie will nicht nur, daß wir das Böse vermeiden, sondern das wir das Gute tun, nicht nur, daß wir tugendhaft erscheinen, sondern daß wir es seien.
Der Mensch steht auf der Schwelle des Lebens wie auf einem Kreuzwege, die Tiere haben nur eine Straße: wir sind daher fähig zum Zweifel und zur Schurkerei, die Tiere sind frei von beiden und immer unverderblich.
Es ist ein ungeheurer Vorteil, nichts getan zu haben, aber man soll keinen Mißbrauch damit treiben.
Außerordentliche Geister legen dem Gewöhnlichen großes Gewicht bei, und gewöhnliche Geister schätzen und begehren nur das Außergewöhnliche.
Es gibt Tugenden, die man nur ausüben kann, wenn man reich ist.
Wir leben in einer Zeit, wo Verborgenheit mehr schützt als das Gesetz und sicherer macht als Unschuld.
Es gibt zwei Wahrheiten, die sich in dieser Welt niemals trennen lassen: Die erste Wahrheit ist, daß die Souveränität beim Volke liegt, und die zweite Wahrheit ist, daß das Volk die Souveränität niemals ausübt.
Die Macht ist die organisierte Gewalt, die Verbindung von Werkzeug und Gewalt. Die Welt ist voll von Gewalten, die nur ein Werkzeug suchen, um Mächte zu werden. Wind und Wasser sind Gewalten; in Verbindung mit einer Mühle oder Pumpe, die ihre Werkzeuge sind, werden sie Macht.
In dem Maße, wie der Aberglaube bei einem Volk abnimmt, muss die Regierung die Vorsichtsmaßnahmen steigern und die Zügel der Autorität und Ordnung straffer ziehen.
Der wahre Philosoph schwingt sich allein durch die Kraft seiner Vernunft auf den Standpunkt, zu dem der Durchschnittsmensch nur dank der Wohltat der Zeit gelangt.
Unduldsamkeit und Dummheit sind Vettern.
Man wundert sich über gar nichts, wenn man sich über alles wundert: das ist der Zustand der Kindheit.
Das Wort teuer hat zugleich Zartes und Gemeines, denn seiner bedienen sich sowohl die Liebe wie der Geiz. Es läßt durchblicken, daß Herz und Geldbeutel ein gemeinsames Fach haben.
Ein wahrer Philosoph verzeiht einen Mangel an Vermögen der Gesellschaft mit der selben Ruhe, mit der ein reicher Bankier der Natur seinen Mangel an Geist nachsieht.
Die Hoffnung ist ein Vorschuß auf das zukünftige Glück.
Wer das Alphabet erschaffen hat, hat uns den Faden unserer Gedanken und den Schlüssel der Natur in die Hand gegeben.
Es gibt zwei große Traditionen des Altertums, die man noch nicht genug bemerkt hat: die erste Tradition lehrt, daß die Aufklärung die Völker nicht glücklich macht, die zweite, daß die Undankbarkeit allem Geschaffenen anhaftet.
Die Philosophen sind eher Anatomen als Ärzte; sie zerlegen und heilen nicht.
Die Buchdruckerkunst ist die Artillerie des Denkens.
Der Frömmler glaubt an die Visionen der anderen: der Philosoph glaubt nur an seine eigenen.
Der Krieg ist das Gericht der Könige; die Siege sind seine Urteile.
Ehrgeiz und Lust sprechen oft dieselbe Sprache.
Man braucht den Appetit des Armen, um das Vermögen des Reichen zu genießen, den Geist eines Privaten, um wie ein König zu leben.
Man braucht so gute Gründe zum Leben, daß man keine zum Sterben braucht.
Von allen Gefühlen müssen wir die Verachtung am sorgfältigsten verheimlichen.
Die Dichter haben uns mehr interessiert, wenn sie den Göttern menschliche Schwächen als wenn sie den Menschen die Vollkommenheit der Götter zuschrieben.
Der absolute Herrscher kann Nero sein, ist aber manchmal Titus oder Marc Aurel, das Volk ist oft Nero und niemals Marc Aurel.
Das Gedächtnis folgt immer den Befehlen des Herzens.
Ein Buch, das man stützt, ist ein Buch, das fällt.
Ein Reicher, der, ohne geizig zu sein, niemandem Gutes erweist, gleicht einer Sonne, die ihr Licht verloren hat.
Das Gesetz ist die Vereinigung von Einsicht und Macht. Das Volk gibt die Macht, die Regierung die Einsicht.
Konservatismus ist nicht ein Hängen an dem, was gestern war, sondern ein Leben aus dem, was immer gilt.
Man kann Reichtum ohne Glück haben, wie man Frauen ohne Liebe haben kann.
Die Sprache ist äußeres Denken, das Denken ist innere Sprache.
Ein jeder Denker, der über Verfassungsfragen grübelt, geht schwanger mit einem Jakobiner: das ist eine Wahrheit, die Europa niemals vergessen darf.
Die Vernunft erzählt Geschichten, aber die Leidenschaft drängt zur Tat.