Anselm Vogt Zitate
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Überleben: Eine der Errungenschaften der modernen Hightechmedizin ist die Vergrößerung der Chance, das Stadium der personalen Existenz zu überleben.
Sinnesschärfe macht bei manchen Leuten offenbar den Scharfsinn überflüssig.
Der Kulturrelativist lehnte Antibiotika ab, weil ihm auch das Selbstentfaltungsrecht von Bakterienkulturen heilig war.
Glaube: Viele glauben zu wissen, wenige wissen, daß sie nur glauben.
Die inferiore Menge dünkte sich überlegen, als sie über den Humoristen lachte und bemerkte nicht, daß er ihr ihr eigenes Spiegelbild vorgehalten hatte.
Wir erkennen zunehmend die neurobiologischen Grundlagen des Geistes. Wer aber kümmert sich um die geistigen Grundlagen der Neurobiologie?
Wer auf der Linie des Zeitgeistes steht, der ist „online“.
Dem Realisten fehlte die Phantasie, um die Abgründe der Realität zu ermessen.
„Unser Ich ist eine Illusion“, sagte der Gehirnforscher. „Dann ist diese Behauptung selbst das Hirngespinst einer Illusion, nämlich Deines nicht existierenden Ichs“, entgegnete der Philosoph.
Einsamkeit bietet die Chance der Gesellschaft mit sich selbst.
Der Massennihilismus der modernen Freizeitgesellschaft ist das ungeliebte Kind der Verbindung von Hedonismus und Aufklärung, der unsere Gesellschaft ihr freudloses Dauergrinsen verdankt.
Manche Liebende klammern sich wie Schiffbrüchige aneinander, um dann gemeinsam unterzugehen.
Geheimhaltung: Wer an der Veröffentlichung einer Information interessiert ist, sollte strengste Geheimhaltung fordern.
Die Eitelkeit mancher Menschen stinkt gen Himmel, der Gestank mancher Uneitler ist jedoch ungleich unangenehmer.
„Worin liegt der Nutzen der Kultur?“, fragte ihr Verächter. – „Darin, daß sie unnütz ist“, entgegnete der Dialektiker.
Lebenserwartung: Die steigende Lebenserwartung bedeutet, daß die Menschen länger auf das Leben warten, obwohl schließlich doch nur der Tod eintritt.
Im Zeitalter der Aufklärung nannte man die religions- und traditionskritischen Geister Freidenker, heute kann man bei den Traditionskritikern anstelle des Freidenkens häufig eine Freiheit vom Denken konstatieren.
Es wird oft übersehen, daß das Gute nicht selten in dem Moment zum Bösen wird, in dem es siegt.
Ordnung ist nicht, sondern frißt das halbe Leben.
Der inflationäre Gebrauch des Du ist Symptom einer emotionalen Desensibilisierung: Wir lassen immer mehr Menschen in unsere Nähe, aber immer weniger gehen uns wirklich nahe.
Leiden: Erst durch das Leiden erfährt unser Fühlen die Tiefe der Leidenschaft.
Ehe: Moderne Ehen scheitern oft an dem paradoxen Unterfangen, die Hitze der Leidenschaft durch institutionelle Abkühlung zu konservieren.
Freiheit: Unbeschränkte Freiheit fördert die Beschränktheit.
Der Skeptiker kannte alle Formen des Zweifels außer dem Selbstzweifel.
Die Ausdrucksstärke von Texten bemißt sich heute nach der Qualität der Drucker.
Der Pedant wirft uns vor, ein Detail übersehen zu haben. Doch nur durch die Bereitschaft zu übersehen gewinnen wir Übersicht.