Peter Rudl Zitate
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Der Mensch hat sieben Mündungen, aber nur eine trägt die tödliche Fracht, wandert sie mitunter auch nordwärts.
Es geht dem Menschen dank und trotz seines Geistes wo und wie immer er lebt viel zu gut, als daß er auch nur an einen Anspruch auf den Himmel denken dürfte.
Respekt ist etwas für Denker, deren Gedanken erst noch laufen lernen müssen.
Alles Denken ist Mutmaßung, Anmaßung. Was ihm fehlt ist ein allfälliges Maß Anmut im katastrophischen Menuett der Sphären und lichtumkränzten Bilder.
Zwang ist oft die Freiheit, die man sich nimmt. Wahre Freiheit verleiht sich selbst.
Liebe ist keine Gnade und keine Gunst, es ist vielmehr die vielleicht subtilste und wohl auch irrlichterndste Kunst.
Der Geist kann Himmel und Hölle einreißen, aber nicht sich selbst.
Die Liebe beruht in neun von zehn Fällen auf optischer respektive intellektueller Verführung – sprich Täuschung.
Glück: diese spürlose Brille, die immer wieder spurlos verschwindet und die die meisten ein Lebenlang immer wieder suchen, während sie sie doch immer wieder auf der Nase haben.
Gott: ewiger Rebus.
Gründlichkeit: oft nur ein Meßdiener des Grauens.
Auf der anderen Seite des Lichts herrscht unhaltsame Nacht. Vielleicht ist es die Aufgabe des Geistes dessen Spiegel zu sein.
Die Tragik war schon immer eine Göttern vorbehaltene Sphäre. Den lächerlichen Menschen, in seinen selbstüberheblichen, pseudotragischen Windungen, kann man dabei im Lichte der Vernunft nur mit milder Ironie oder seitens des Bauchhirns nur mit saurem Aufstoßen betrachten.
Die Liebe ist heutzutage nichts anderes als ein ausgehöhltes Denkmal, das kaum noch Anspruch auf einen Gedenktag erheben kann.
Der Unterschied zwischen Mann und Frau ist in etwa so groß oder klein wie der zwischen Theorie und Praxis.
Kaum etwas wirft ein grelleres Licht auf jemanden als blinder Gehorsam.
Das graueste Leben führen die, die alles an ihm fein säuberlich in Schwarz und Weiß eingeteilt haben.
Vernünftig sein kannst du noch, wenn du tot bist.
Egoist, mal geistig gesehen: einer, der sein Ding durchzieht ohne sich um etwaige Niedrigkeiten, nennen sie sich scheinheilig Moral oder soziolatrisch Gesellschaftsfähigkeit, zu kümmern.
Aggression: eine beunruhigende Dimension, die vom skrupellosen Massenmord bis zu zuweilen gutem Sex reicht.
Das Hinter- und mitunter Abgründige an Freud liegt nicht zuletzt darin, daß er der an sich auf niedrigen Antrieben beruhenden Motivation des Guten die Larve vom Gesicht gerissen hat.
Die Religion verhält sich zur Philosophie wie der Kitsch zur Kunst.
Jedes tumbe Siegesgefühl ist eine Ohrfeige des Geistes.
Nichts muß besser kontrolliert werden als die Kontrolle und ausnahmslos alle, die sie leisten.
Alle Bildung ist Einbildung. Alle Entwicklung bloß gute Miene zum gleich-gültigen Spiel der Maya.
Schönheit: das vielleicht Einzige neben Gott, was wächst, indem es sich verliert.
Die meisten der sogenannten Tugenden haben durchaus keinen moralischen Anspruch, sondern beruhen allein auf Bequemlichkeit.
Hoffnung und Sehnsucht sind das vizio ereditario des Leidens.
Zynismus: verletzender Humor, der in der Regel nur in Geisteskreisen, weil heilsam, verstanden wird.
Die Hölle ist nicht ein Gegensatz des Himmels, sondern sein Refugium.
Ein Übermaß an Arbeit ist in der Regel ein Ausdruck von Verzweiflung oder Armut. Im Geistigen wie schon im Materiellen.
Das Leben ist zu schmutzig, um es mit Anpassung zu beflecken.
Jugend: Zeit aggressiver Zeitverschwendung.
Arts are rats. Sometimes.
Keine Angst vor Enttäuschungen. Schon gar nicht sich selbst gegenüber. Wenig bietet mehr Chancen auf Entwicklung und Veränderung. Letztlich auf Authentizität.
Mensch: ein galaktischer Blindgänger.
Wenn der Wut und dem Haß kalt wird, sind sie nackt.
Der moralische Zeigefinger gehört in der Regel immer zu einer Hand, die es sich auf Kosten anderer gutgehen läßt.
Der Geistesmensch muß ja vielleicht immer in die Wunden schreiben, denn wenn sie sich schlössen, verfaulte der Geist von innen.
Moral ist eine raffinierte Erfindung derer, die es sich auf Kosten anderer gutgehen lassen, um so immer noch etwas einfordern zu können, das sie selbst nicht haben.
Gehorsam: der Beginn allen Übels. Ein übler Gott, der Wert darauf legte.
Die Wahrheit ist eine Kugel im Schoß der Wirklichkeit, die sie nur oberflächlich berührt.
Kaum etwas Abstoßenderes als die Kindheit. Kaum etwas Anziehenderes als die Kindheit des Alters.
Es gibt wohl kaum etwas in seiner Bedeutung so Sublimes oder auch Erhabenes wie den frei gewählten Tod als gelassener Ausdruck vollkommener geistiger Souveränität. Leute mit Geschmack sorgen freilich auch dafür, daß die Leiche verschwindet.
Der Tod wird immer eine Art Derwisch des Geistes bleiben. Er bringt ihm die besten Schritte bei.
Die Welt scheint eine Fieberphantasie Gottes. Sie muß vergehen. Egal, ob er stirbt oder genest.
Maßnehmen geht über Maßhalten und -geben.
Intuition: oft genug eine Art Widerwillen wider Willen.
Massenpsychologisch betrachtet neigt eingangs des 21.Jahrhunderts wohl kein Volk so sehr zur Hysterie wie das amerikanische. Das macht es unter Streß nicht gerade zurechnungsfähiger.
Die schlimmsten Abgründe bergen die zerklüfteten, abrupt auftretenden, aber nicht sicher tötenden und insofern Gletscherspalten gleichenden Schluchten des Herzens.