Paul Rée Zitate
Vergnügungsreisende empfinden oft, wenn sie an schöne Aussichtspunkte kommen, eine gewisse Unbehaglichkeit: Sie fühlen, daß sie nun vor sich oder Anderen Begeisterung affectiren müssen.
Die qualvolle Sehnsucht nach dem Besitz des geliebten Gegenstandes ist ein seliges Gefühl im Vergleich mit dem Gefühl des Ekels, nachdem man besessen hat.
Redner und Schriftsteller überzeugen meistentheils nur die, welche schon vorher überzeugt waren.
Man lacht über seine Ungeschicklichkeit, damit die Anderen nicht darüber lachen.
Der Freigeist kann sich frei machen von den unmerklich in ihn gedrungenen, unwillkürlich von ihm gehegten sittlichen Anschauungen.
Ein allgemein beliebter Mensch hat mittelmäßige Tugenden und mittelmäßige Laster.
Gute Manieren sind ein passe-partout, auf das selbst Mängel jeder Art sehr gern in der Gesellschaft zugelassen werden, während ein Mensch mit schlechten Manieren, welche Eigenschaften er sonst auch haben mag, in der Gesellschaft nur geduldet wird.
Keiner liebt das Leben aus Vernunft.
Der Begriff der Sympathie lagerte wie ein Berg zwischen ihnen und der Wahrheit.
Durch die staatlichen Verbote zu morden, zu rauben, zu betrügen und deren anthropomorphe Sanktion wird das Glück der Menschen nur ungenügend verbürgt. Ihr Glücksbedürfniss fordert bessere Fürsorge.
Unsere Neigungen bemänteln wir gern mit dem Pflichtbegriff.
Die Menschen begeistern sich häufig für Gegenstände der Natur oder der Kunst, um später erzählen zu können, wie begeistert sie waren.
Unser Betragen ist stets ohne Verlegenheit, wenn wir von einer großen Sorge erfüllt sind, weil hierdurch die kleinere Sorge, einen schlechten Eindruck zu machen, verdrängt wird.
Wer keine fremde Moral kennt, kennt seine eigene nicht – gleichwie, wer keine fremde Sprache, keine fremde Religion kennt, seine eigene Sprache und Religion nicht kennt.
Man will die viel Begehrte, um der Vielen Vorgezogene zu sein.
Gute Menschen sind nicht nothwendig glücklich, und schlechte Menschen nicht nothwendig unglücklich.
Diese übermächtigen Personen, deren eine regnet, die andere donnert, die dritte den Erdball erschüttert, sind menschenähnlich, weil von Menschen gebildet.
Handlungen und Gesinnungen, welche das gemeinsame Merkmal haben, Andern verderblich zu sein, stellen sich, überschüttet mit Tadel, uns von Kindheit an dar.
Es ist reizvoll ein Mädchen nicht zu verführen, welches auf dem Punkte steht, sich uns zu ergeben: Denn unserer Eitelkeit genügt ihr Wollen, und für den flüchtigen Liebesgenuß erlangen wir das angenehme Gefühl unseres hohen Edelmuthes.
Die Freude zu gefallen ist weit geringer, als der Schmerz zu mißfallen.
Wie oft wir selbst auch zu lieben heucheln mögen, wir glauben stets aufrichtig geliebt zu werden.
Wer eine Empfindung verbergen will, trägt die entgegengesetzte stets in unnatürlich hohem Maaße zur Schau.
Wer eine Dummheit gesagt hat und das fühlt, hat einen unwiderstehlichen Drang, noch mehrere zu sagen.
[D]ie lobenden und tadelnden Urtheile müssen an zwei Punkten ihrer Laufbahn besehen werden. 1) In der Geschichte: wann sie geschaffen worden sind; durch wen; aus welchen Motiven. 2) In dem später geborenen Individuum: dieses erfährt blos die Urtheile selbst.
Wir finden es unerträglich, daß uns Andere von ihren Angelegenheiten unterhalten, weil wir sie von den unsrigen unterhalten wollen.
Bedeutenden Menschen fällt das gesellschaftliche Schwatzen ebenso schwer wie faden Menschen die Unterhaltung über bedeutende Gegenstände.
Das Band, welches Verlobte sowohl wie Eheleute bindet, ist oft die Furcht vor Skandal.