Nicolas Chamfort Zitate
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Verleumdung ist wie eine Wespe, die uns lästig umschwärmt. Man darf nicht nach ihr schlagen, wenn man sie nicht sicher tötet, sonst greift sie noch wütender an als zuvor.
Der Pfarrer muß ein bißchen Glauben bewahren… der Vikar darf bei einer abfälligen Bemerkung über die Religion lächeln; der Bischof lacht laut auf; und der Kardinal macht selbst noch einen Witz darüber.
Die Gesellschaft setzt sich aus nur zwei großen Klassen zusammen: die einen haben mehr Mahlzeiten als Appetit, die anderen weit mehr Appetit als Mahlzeiten.
In großen Dingen zeigen sich die Menschen so, wie man es von ihnen erwartet, in kleinen geben sie sich so, wie sie sind.
Man muß den Geist haben, seine Feinde zu hassen.
Der bescheidenste Mann muß, wenn er in der Welt lebt, eine sichere Haltung haben und eine gewisse Ungezwungenheit, welche verhindern, daß man irgendwelche Vorteile über ihn gewinne. In diesem Falle muß er seine Bescheidenheit mit Stolz schmücken.
Was ist ein Kardinal? Ein in roten Purpur gekleideter Priester, der hunderttausend Taler vom König bezieht, um sich im Namen des Papstes über ihn lustig zu machen.
Die meisten Leser stecken ihre Bücher in ihre Bibliothek, die meisten Schriftsteller stecken ihre Bibliothek in ihre Bücher.
Sicherlich ist kein Tag mehr vergeudet als einer, an dem man überhaupt nicht gelacht hat.
Man kann nach den Jahren der Leidenschaft es in der Gesellschaft nicht mehr aushalten. Sie ist nur erträglich, solange man sich mit Essen und Trinken unterhält und mit der Pflege des eigenen Ich die Zeit totschlägt.
Die Gesellschaft, die Kreise, die Salons, das, was man die Welt nennt, ist ein elendes Stück, eine schlechte Oper, ohne Interesse, welche durch Maschinen und Dekorationen ein wenig aufrecht erhalten wird.
Es gibt mehr Narren als Weise, und im Weisen selbst steckt mehr Narrheit als Weisheit.
Der Mensch lebt oft mit sich und bedarf der Tugend, er lebt mit anderen und bedarf der Ehre.
Man kann wetten, dass jede öffentliche Meinung, jede allgemeine Konvention eine Dummheit ist, denn sie hat der großen Menge gefallen.
Jemand sagte, die Alten bestehlen, heiße außerhalb der Dreimeilenzone rauben, die Modernen plündern, sei Taschendiebstahl an Straßenecken.
Verleumdungen sind wie aufdringliche Wespen. Will man sich ihrer entledigen, muss man sicher sein, sie auch zu treffen. Andernfalls kommen sie zurück und attackieren heftiger denn je.
Wer keinen Charakter hat, ist kein Mensch, sondern eine Sache.
Eine Gesellschaftsordnung, die die Rechte der Männer schmälert, macht aus den Frauen ein Nichts.
Nur die Geschichte freier Völker ist es wert, daß man sie studiert. Die Geschichte von Völkern, die dem Despotismus verfallen sind, ist nur eine Anekdotensammlung.
Man muß gerecht sein, ehe man großmütig ist, wie man Hemden haben muß, ehe man Spitzen hat.
Alle Leidenschaften übertreiben, und wären keine Leidenschaften, wenn sie nicht übertrieben.
Die Erziehung soll auf zwei Grundlagen beruhen: auf Moral und Klugheit. Auf Moral: zur Stütze der Tugend, auf Klugheit: zum Schutze vor den Lastern anderer.
Zwei Dinge habe ich bis zum Wahnsinn geliebt: die Frauen und das Junggesellentum. Meiner ersten Passion bin ich verlustig gegangen, also muß ich mir die zweite bewahren.
Geschicklichkeit verhält sich zur List wie Rechtlichkeit zur Spitzbüberei.
Die neuen Freunde, die wir uns nach einem gewissen Alter erwerben und welche uns jene ersetzen sollen, die wir verloren haben, gleichen diesen wie Glasaugen, künstliche Zähne und Holzbeine den natürlichen Augen und Zähnen und Beinen von Fleisch und Blut gleichen.
In Frankreich läßt man die in Ruhe, welche das Feuer legen und verfolgt die, welche die Sturmglocke läuten.
Der Arme, aber Unabhängige untersteht nur der Notwendigkeit, der Reihe, aber Abhängige einem oder mehreren andern Menschen.
Man kann keine Reformen schaffen, ohne zu zerstören.
Es tritt der Mensch in jedes Alter als Novize ein.
Ich kann Weisheit ohne Mißtrauen nicht begreifen. Die Schrift sagt, daß der Anfang der Weisheit die Furcht Gottes sei; ich glaube, daß es die Furcht der Menschen ist.
Von niemandem abhängen, der Mann seines Herzens, seiner Grundsätze, seiner Gefühle sein: Nichts habe ich seltener gesehen.
Glück und Unglück sind dem Starken gleich.
Man beherrscht die Menschen mit dem Kopf: mit einem guten Herzen spielt man nicht Schach
Der verlorenste aller Tage ist der, an dem man nicht gelacht hat.
Das beschauliche Leben ist oft elend. Man muß mehr handeln, weniger denken und sich selbst fortwährend studieren.
Jede Wohltat, die unserm Herzen nichts gegeben hat, ist uns lästig. Es ist eine Reliquie oder ein Totengebein. Man muß sie einfassen oder mit Füßen treten.
Es gibt eine solche Überlegenheit, einen solchen Anspruch, bei denen es genügt, sie nicht anzuerkennen, und sie sind erledigt; und solche, die man nur nicht zu gewahren braucht, um sie wirkungslos zu machen.
Was ist ein Einfaltspinsel ohne eine Dummheit? Man nehme einem Schmetterling die Flügel, und es ist eine Raupe.
Man glaubt nicht, wie geistreich man sein muß, um niemals lächerlich zu werden.
Die meisten Bücher von heute scheinen in einem Tag aus den Büchern von gestern entstanden zu sein.
Heutzutage wird romantisch gescholten, wer die Natur liebt.
Die mütterliche Liebe hat die Natur die Erhaltung aller Lebewesen anvertraut, und in den Freuden und selbst in den Leiden, die mit diesem köstlichen Gefühl verbunden sind, belohnt sie die Mutter.
Ein Mensch ohne geistigen Aufschwung kann nicht gütig, höchstens gutmütig sein.
Die öffentliche Meinung ist eine Gerichtsbarkeit, die ein vernünftiger Mensch nie absolut anerkennen, aber auch nie ganz ablehnen sollte.
Die Hoffnung ist ein Scharlatan, der uns ohne Unterlaß betrügt, und was mich betrifft, so hat mein Glück erst begonnen, nachdem ich sie verloren habe. Ich würde gerne die Inschrift Dantes am Höllentor über den Eingang zum Paradies setzen: „Ihr, die ihr hier eintretet, laßt alle Hoffnung fahren!“
Das Glück ist keine leichte Sache: es ist sehr schwer, es in uns, und unmöglich, es anderswo zu finden.
Es gibt mehr Leute, die geliebt sein wollen, als solche, die selber lieben wollen.
Man fragt, warum die Frauen mit ihren Männern prahlen, und man gibt verschiedene Gründe dafür an, von denen die meisten für die Männer beleidigend sind. Der wahre Grund ist, daß sie ihre Herrschaft über diese auf andere Weise nicht genießen können.
Die Natur hat der mütterlichen Liebe die Erhaltung aller Wesen anvertraut, und, um den Müttern ihre Belohnung zu sichern, hat sie diese unter die Vergnügen gesetzt, selbst die mit diesem köstlichen Gefühl verbundenen Plagen.
Manche Bücher hätte selbst der geistreichste Mensch nicht ohne Mietkutsche schreiben können, das heißt, nicht ohne Menschen, Dinge, Bibliotheken, Manuskripte usw.