Michael Rumpf Zitate
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Jagt die Welt keine Furcht mehr ein, fehlt es an Respekt. Wir trampeln auf ihr herum wie Kinder auf einem Spielzeug, das seine Geheimnisse verloren hat. Hat die Welt nicht dasselbe Recht, genommen zu werden, wie sie ist, das wir für uns beanspruchen?
Ich habe keine Vorurteile – ich habe keine Hemmungen: Sind Hemmungen die Steigerungsform der Vorurteile?
Wer nicht begreift, hat leicht gewähren lassen.
Erklärt man die Unterschiede von Herkunft, Religion und Geschlecht für gleichgültig, treten die Begabungsunterschiede hervor. Sie rechtfertigen Rangfolge und Vorrecht, nur der Geist darf, seine Herrschaft entfaltend, diskriminieren – Intelligenz trennt strenger als Stand.
Hintergedanken kennt noch der Gedankenlose.
Je stärker die Wirklichkeit von unseren Wünschen abweicht, desto identischer ist sie mit sich.
Tabulosigkeit gibt sich als Tochter der Toleranz aus.
Wucherungen der kleinen Wünsche ersticken die große Hoffnung.
Außer dem Streben nach Besitz befriedigt eine Anschaffung das Bedürfnis nach Neuem: Haben, um etwas zu erzählen zu haben.
Der Lauf der Dinge offenbart sich im Wettlauf der Geräte.
Der Lustverächter ist der Atheist der Gegenwart. Er leugnet die sinngebende Instanz.
Mit den Adern tritt im Alter der Charakter hervor. Da die Möglichkeiten verblassen, gewinnt die Wirklichkeit an Farbe.
Moral dient oft als Mantel, um die eigenen Schwächen zu verhüllen, statt dazu, andere vor der Kälte zu schützen.
Geborgenheit schließt Bedeutung ein. Wo man (jemandem) etwas bedeutet, fühlt man sich geborgen.
Man kann Menschen auf den Grund gehen, ohne ihnen näher zu kommen.
Schlechte Literatur spekuliert auf den Leser, gute hofft auf ihn.
Der Wind des Leids vertreibt die Insekten der Launen.
Mit entwickeltem Verstand werden auch die Ängste abstrakter.
Je grundloser der Glaube, desto zweifelsfreier.
Nichts verstärkt die Leistungsfähigkeit von Mikrofonen spürbarer als die Nähe von Scheinwerfern.
Als er über ihn springen wollte, wurde er zum Schatten seiner selbst.
Geflügelte Worte müssen oft notlanden. In Kahlau.
Künstler zu sein, ist, wenn alle Künstler sind, so erhebend wie das Bewußtsein, Mensch zu sein – welches eine derartig geringe Auszeichnung darstellt, daß es noch nie den kleinsten Minderwertigkeitskomplex verhinderte.
Ehrlichkeit ist die Weisheit der Kinder.
Das freie Spiel der Kräfte ist das freie Spiel des Kräftigeren.
Die Welt ist ein Colt, dem wir Erlebnisse einkerben.
Leben und leben lassen ist die Einstellung derer, die lieber arbeiten lassen.
Nichts teilt man lieber als die eigene Meinung.
Je gleichberechtigter die Lebensläufe, desto tyrannischer die Angst, das Wesentliche zu verpassen, das Leben…
Vereinzelung schützt nicht von Vermassung.
Die Kritik an der sozialen Leiter verringert sich mit jeder Sprosse, die man emporsteigt.
Moral ist der Spiegel, der uns den Splitter im eigenen Auge zeigt.
Am schwersten entkommen wir Käfigen, die wir uns selber bauten.
Träume zerbrechen selten, zerfasern oft.
„Genieße dein Leben“: Die Aufforderung verschweigt ihre heimliche Fortsetzung „und belästige uns nicht“.
Was gegen die Wahrheit spricht? Sie ist nicht verbesserbar.
Was ist das Plätschern im Schaumbad der Genüsse gegen den Sprung in die Strudel der Erkenntnis?
Die Lust am Reisen entspringt der Lust, dort zu sein, wo es auf uns nicht ankommt.
Denken erhellt nicht, wenn es nicht in Brand steckt.
Journalismus definiert sich als Versuch, den Zeitgeist auf Flaschen zu ziehen.
Von Jahr zu Jahr werde ich mir ähnlicher.
Wer Anleitungen zur Emanzipation schreibt, gehört zu den Häuptlingen, wer es nötig hat, sie zu lesen, zu den Indianern.
In sich ruht, wer seinen Schwerpunkt außerhalb der eigenen Person findet.
Er lebte im Trott und hielt das für Konsequenz.
Individualisten möchten ganz sie selbst sein – damit sie andere etwas angehen.
Der Denker verachtet den Lebemann.
Wir müssen mehr Normen gehorchen als jemals zuvor, dafür dürfen wir sie schneller wechseln.
Lieber zwischen den Stühlen sitzen als zwischen den Fronten stehen.
Wer Zeit totschlägt, vergißt gern: Sie hat den letzten Schlag.
Alter macht nicht weise, aber Weisheit alt.