Marie von Ebner-Eschenbach Zitate
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Vorurteil schützt die Throne, Unwissenheit die Altäre.
Wir verlangen sehr oft nur deshalb Tugenden von anderen, damit unsere eigenen Fehler sich bequemer breitmachen können.
Nicht jene, die streiten, sind zu fürchten, sondern jene, die ausweichen.
Mit einem Buche: Mit schlimmsten Namen darfst mich nennen, Darfst mit mir gehn ins strengste Gericht, Darfst mich zerreißen, verlieren, verbrennen, Nur mich verleihen, das darfst du nicht.
Ein literarischer Dieb, der sich das Stehlen recht sauer werden läßt, kann sein lebelang für einen originellen und ehrlichen Mann gelten.
Resultate, nicht Versuche gehören vor das Publikum.
Man muß das Gute tun, damit es in der Welt sei.
Der Umgang mit einem Egoisten ist darum so verderblich, weil die Notwehr uns zwingt, allmählich in seinen Fehler zu verfallen.
Die Fehler, vor denen wir auf der Hut sind, sind unsere ärgsten nicht.
Dem großen Dichter muß man ein starkes Selbstgefühl zugute halten. Eine gewisse Gottähnlichkeit ist dem nicht abzusprechen, der aus seinem Geiste Menschen schafft.
Warten lernen wir gewöhnlich dann, wenn wir nichts mehr zu erwarten haben.
Niemand weiß genug, aber manche wissen zuviel.
Den alten Aposteln Fast gleichen die jungen, Nichts fehlt ihnen mehr Als feurige Zungen.
Die Reue, nicht aus Furcht vor den Folgen des Unrechts, die Reue einzig und allein aus dem Schmerz hervorgegangen, daß wir das Unrecht begehen konnten, ist die echteste, wahrste und bitterste Reue.
Jung sein ist schön, alt sein ist bequem.
Die Sittlichkeit verfeinert die Sitte und die Sitte wiederum die Sittlichkeit.
Du staunst, weil ein anderer etwas tut, was dir unbegreiflich ist? Wer weiß, ob du nicht heute noch etwas tust, das dir selbst unbegreiflich sein wird.
Die kleine Seligkeit, ohne Widerspruch angehört zu werden, kosten alle gerne bis zur Neige aus.
Beständiges unwillkürliches Lernen ist Sache des Genies.
Es kann manchmal sehr unrecht sein, ein Recht auszuüben.
Wenn die Nachtigallen aufhören zu schlagen, fangen die Grillen an zu zirpen.
Auch eine stehengebliebene Uhr zeigt zweimal am Tag die richtige Zeit an. So kann sie im Laufe der Jahre auf eine nicht endenwollende Reihe von Erfolgen verweisen.
Die boshaften Mächte, die über dem Menschendasein walten, geben entweder den Durst oder die Labe, das Schwert oder die Faust, die es führen könnte; sie geben jenem den Wunsch, diesem die Erfüllung, und wo ich äußere Uebereinstimmung sehe, weiß ich auch: hier ist innerer Zwiespalt.
Wenn die Neugier sich auf ernsthafte Dinge richtet, dann nennt man sie Wissensdrang.
Heitere Resignation – es gibt nichts Schöneres.
Geistlose Lustigkeit – Fratze der Heiterkeit.
Als eine alte Frau lesen lernte, trat die Frauenfrage in die Welt.
Wer klug und stark die Mode mißachtet und ihr um keinen Preis Gefolgschaft leistet, erlebt manchmal den Triumph, daß sie ihm nachgelaufen kommt.
Der Verstand kann ein Held sein, die Klugheit ist meistens ein Feigling.
Im Entwurf, da zeigt sich das Talent, in der Ausführung die Kunst.
Vertrauensselig – ein schönes Wort. Vertrauen macht selig den, der es hat, und den, der es einflößt.
So manche Wahrheit ging von einem Irrtum aus.
Die Gelassenheit ist eine anmutige Form des Selbstbewusstseins.
Klarheit ist Wahrhaftigkeit in der Kunst.
Es gibt nicht nur eine Volksindividualität, es gibt eine Stadt-, eine Dorfindividualität; jede Hütte hat seine, jede Hütte hat ihre besondere Physiognomie.
Anerzogen ist wie angeklebt, manchmal aber verwächst das Angeklebte.
Der Gescheitere giebt nach! Ein unsterbliches Wort. Es begründet die Weltherrschaft der Dummheit.
Es gibt kein Wunder für den, der sich nicht wundern kann.
Wenn die Zeit kommt, in der man könnte, ist die vorüber, in der man kann
Erinnere dich der Vergessenen – eine Welt geht dir auf.
Gegensätze lassen sich nicht verbinden, Liebe und Raison hingegen sehr gut.
Die einfachste und bekannteste Wahrheit erscheint uns augenblicklich neu und wunderbar, sobald wir sie zum ersten Male an uns selbst erleben.
Ein Aphorismus ist das letzte Glied einer langen Gedankenkette.
Wie so manche Schriftstellerin gibt es, die Gutes und sogar Bleibendes geleistet hat und die von sich sagen darf: Ich bin zur Arbeit immer nur gekommen, wenn ich nichts mehr zu tun hatte.
Ein Wunderkind, das heißt, ein um seine Kindheit betrogenes Kind.
Menschen, die nach immer größerem Reichtum jagen, ohne sich jemals Zeit zu gönnen, ihn zu genießen, sind wie Hungrige, die immerfort kochen, sich aber nicht zu Tische setzen.
Heutzutage werden Bücher „lanciert“, wie man eine Zahntinktur lanciert, ein Mittel gegen Sommersprossen oder gegen Ausfallen der Haare.
Je törichter dein Hoffen, um so fester.
Viel getan haben, heißt oft Undank ernten; zuviel getan haben, heißt immer Undank ernten.
Mit unseren Eltern begraben wir die Vergangenheit, mit unseren Kindern die Zukunft.