Kurt Tucholsky Zitate
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Seid barmherzig. Das Leben ist schon schwer genug!
Wenn die Amerikanerin so lieben könnte, wie die Deutsche glaubt, daß die Französin es täte – dann würde sich die Engländerin schön freuen. Sie hätten einen herrlichen Anlaß, sich zu entrüsten.
Leben ist aussuchen. Und man suche sich das aus, was einem erreichbar und adäquat ist, und an allen anderen Dingen gehe man vorüber.
Gewehre rechts – Gewehre links – das Christkind in der Mitten… Gibt es einen greulicheren Anblick? Es gibt keinen.
Versuche, einen Roman zu schreiben. Du vermagst es nicht? Dann versuch es mit einem Theaterstück. Du kannst es nicht? Dann mach eine Aufstellung der Börsebaissen in New York. Versuch, versuch alles. Und wenn es gar nichts geworden ist, dann sag, es sei ein Essay.
Wann beherrschst du eine fremde Sprache wirklich? Wenn du Kreuzworträtsel in ihr lösen kannst.
Manchmal sieht man Freunde wieder, die es zu etwas gebracht haben. Neid? Nein. Aber wenn man lange nachgedacht hat, warum sie einem so fremd und so unsympathisch geworden sind, so dürfte es wohl dieses sein: ihre süßliche Erfolgschnauze.
Jeder anständige Autor muß auf jeder nur denkbaren Stufe sein Publikum respektieren und darf ihm darum nur das subjektiv Beste vom Besten bieten.
Manchmal ist es schön, allein zu sein. Manchmal ist es schön, keinem Verein anzugehören. Manchmal ist es schön, vorbeizufahren.
Strenge am rechten Ort, Milde am rechten Ort und eine lange Leine, an der die jungen Hundchen herumlaufen können.
Kratze das Heiligenbildchen und du findest den Stimmzettel.
Alles am Schlager ist echt, weil es so wunderschön falsch ist.
Wenn einer bei der Festsetzung von Arbeit und Lohn mit „Ehre“ kommt, mit „moralischen Rechten“ und mit „sittlichen Pflichten“, dann will er allemal mogeln.
Denn weil sich jeder eine Welt macht, in deren Mittelpunkt er selber steht, so verneint er die der andern, deren Weltbild ihn etwa an die Wand klemmen könnte.
Wir benehmen uns aus Gründen des Geschmacks in den Kirchen anständig – man kann nicht sagen, daß sich die Katholiken in den Bezirken des Geistes ebenso anständig benehmen.
Politik ist zum Gezänk geworden. Opposition zum einflußlosen Krakeelertum.
Ich glaube jedem, der die Wahrheit sucht. Ich glaube keinem, der sie gefunden hat.
Unterschätze nie die Macht dummer Leute, die einer Meinung sind.
Wenn die Unternehmer alles Geld im Ausland untergebracht haben, nennt man dieses den Ernst der Lage. Geordnete Staatswesen werden mit einer solchen Lage leicht fertig; das ist bei ihnen nicht so wie in den kleinen Raubstaaten, wo Scharen von Briganten die notleidende Bevölkerung aussaugen.
Wenn der Mensch fühlt, daß er nicht mehr hinten hoch kann, wird er fromm und weise; er verzichtet dann auf die sauern Trauben der Welt. Dieses nennt man innere Einkehr.
Deutschland ist eine anatomische Merkwürdigkeit: Es schreibt mit der Linken und tut mit der Rechten.
Lasset uns denn weiterhin… außerhalb jener Lobesversicherungsgesellschaften auf Gegenseitigkeit das sagen, was wir über die Bücher zu sagen haben.
Etwa die gute Hälfte aller Fremdwörter kann man vermeiden; man solls auch tun.
Bekanntlich ist man auf nichts so stolz wie auf das, was man seit zwei Minuten weiß.
Jeder Mensch hat eine Leber, eine Milz, eine Lunge und eine Fahne; sämtliche vier Organe sind lebenswichtig. Es soll Menschen ohne Leber, ohne Milz und mit halber Lunge geben; Menschen ohne Fahne gibt es nicht.
Übertreibt die Satire? Die Satire muß übertreiben und ist ihrem tiefsten Wesen nach ungerecht. Sie bläst die Wahrheit auf, damit sie deutlicher wird, und sie kann gar nicht anders arbeiten als nach dem Bibelwort: Es leiden die Gerechten mit den Ungerechten.
Entwirf deinen Reiseplan im großen – und laß im einzelnen dich von der bunten Stunde treiben. Die größte Sehenswürdigkeit, die es gibt, ist die Welt – sieh sie dir an!
Im Augenblick, wo man in völliger Dunkelheit steckt, belebt sich das Dunkel. Nein, man erwartet, daß es sich belebt; man fürchtet das und sehnt sich nach dem Belebenden.
Was für ein Geschäft betreibt ihr? Wir treiben kein Geschäft, Herr. Es treibt uns.
Bitter, wenn sie einen Liebhaber gehabt hat, der mit Vornamen so heißt wie du.
Laß die Liebe aus dem Spiel, wenn du liebst!
Es gibt nur sehr wenige Situationen jedes menschlichen Lebens, in denen man keine Bücher lesen kann, könnte, sollte…
Um wieviel stiller ginge es in manchen Familien zu, wenn sich alle Frauen Männer kaufen könnten.
Ereignisse haben manchmal unrecht – die Zeitung hat es nie.
Der richtige Berliner stammt entweder aus Posen oder aus Breslau.
Von der Verliebtheit. Von ihr nichts zu bekommen ist immer noch hübscher, als mit einer anderen zu schlafen.
Der Berliner – und vielleicht ist’s überall so – wandelt seine Genies gern in Talente um, weil die leichter zu begreifen sind.
Mit dem nackten Körper stets den Begriff der Erotik zu verbinden, das ist ungefähr so intelligent, wie beim Mund stets ans Essen zu denken.
Wer die Freiheit nicht im Blut hat, wer nicht fühlt, was das ist: Freiheit – der wird sie nie erringen.
Der Deutsche fährt nicht wie andere Menschen. Er fährt, um Recht zu behalten.
Die Börse sieht jeden Mittag die Weltlage an: dies richtet sich nach dem Weitblick der Bankdirektoren, welche jedoch meist nur bis zu ihrer Nasenspitze sehn, was allerdings mitunter ein weiter Weg ist.
Wer Kriege im Namen Gottes führt, ist stets des Teufels.
Auch wenn ein Deutscher nichts hat, Bedenken hat er.
Zur Heirat gehört mehr als nur vier nackte Beine ins Bett.
Die französischen Kriegerdenkmäler sind nicht weniger schauerlich als die unsern – aber nicht so aggressiv.
Wenn die Maschinen, die die Menschen so im Lauf der Zeit erfunden haben, nun auch noch funktionierten: was wäre das für ein angenehmes Leben.
Die Menschen sind so geartet: Wenn ihnen einer sagt, daß Herr X. befördert wurde, so imponiert ihnen das ungeheuer. Wer ihn befördert hat, danach fragen sie gar nicht.
Wenn einem Lebenden ein Denkmal gesetzt wird, so pflegt man beide etwas spöttisch zu betrachten.
Wir leiden an einer Überschätzung der Sexualität. … Und ich glaube, dieses ganze Geschrei über Sexualität, Erotik, Unsittlichkeit entspringt einem einzigen: dem Mangel an Kraft.
Große Probleme werden nicht entschieden, sondern liegengelassen.