Kurt Marti Zitate
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In früheren Zeit ist Lärm erzeugt worden, um böse Geister von Menschen und Häusern fernzuhalten. Die bösen Geister müssen sich phantastisch vermehrt haben bis heute – anders ist der unablässige Lärm, den wir machen, nicht zu erklären.
Mir ist kein Glaubensbekenntnis einer christlichen Konfession bekannt, dessen Haupt- und Zentralsatz lautet: „Gott ist Liebe“ (Johannes 4.8.16). Dementsprechend sieht die Kirchen- und Konfessionsgeschichte auch aus.
Und wie komme ich nun über meinen Ichberg zu dir?
Einschlafen als Ertrinken, einschlafen als Entfliegen.
Medien Hie und da unbekannte Gesichter, durch die bekannte mich grüßen.
Morgen Erster Gedanke nach dem Erwachen: Schon wieder heute?
Schriftstellertreffen: Hier unter Kollegen darf jeder Autor sich ungezwungen bewegen: keiner hat die Bücher des andern gelesen.
In Tyrannum Wenn Gott ein Tyrann ist, muß man ihn stürzen. Sein Sturz wird zugleich zeigen, daß der Tyrann nicht Gott war, vielmehr ein Popanz tyrannisch Gesinnter, tyrannisch Gewillter.
Je weniger „Treu und Glauben“, desto mehr Gesetze, Vorschriften, desto mehr Kontrolle und Bürokratie, desto mehr Unsicherheit, Mafiosität aber auch.
Oft hat man Grund zu sagen: „Der Teufel ist los.“ Nie heißt es: „Gott ist los.“ Halten ihn die Kirchen so sicher unter Verschluß?
Am Anfang ist Nacht. Alle kommen wir aus der Nacht eines Mutterleibes. Richtigerweise lassen die Juden den Tag mit der Nacht beginnen.
Den Abgasen tausend Dank! Sie reichern den Sonnenuntergang mit neuen Farbtönen an.
Leute, die auf uns böse sind, sind deshalb nicht böse Leute, sondern Leute, die auf uns böse sind – was uns selber noch lange nicht gut macht.
Ohne Befehle geht es nicht – und wäre es nach der unmerklichen Art, wie Regen den Wurzeln, Sonne den Blättern, die Blüte ihrem Apfel befiehlt.
Weil wir fast nie vollständig zu sagen vermögen, was wir sagen wollten, reden wir weiter.
Fragen bleiben jung. Antworten altern rasch.
Lebensziel Die schlechtesten Aphorismen sind es nicht, die davon träumen, auf Kalenderzetteln zu enden.
Von Redlichen redet man nicht. Sie schweigen, während andere von sich reden machen.
War möglicherweise alles, ob grandios, ob kläglich, ein einziger Umweg? Und über uns weg eilen leichte Füße die Hintertreppe auf und nieder, während wir im Staub einer Geschichte versinken, die wir für Fortschritt gehalten haben.
Automobilmachung Fast alle haben Autos und werden, wenn es so weit ist, fliehen wollen mit ihnen. Ich, ein Autoloser, sitze bereits in der Falle, in die sie dann erst noch fahren müssen.
Daran, daß wir für andere wie für uns selbst nicht eingelöste Versprechen sind, sterben wir auch.
Jesus lehrt, den Mitmenschen realistisch anzunehmen, so wie er ist, und ihn dennoch in der Perspektive seiner Möglichkeiten, d.h. in Hoffnung, zu sehen.
Nein, vom Tod wissen wir nichts. Seriös bleibt allein die Tautologie: Der Tod ist der Tod ist der Tod.
Mitunter geschieht’s, daß ich heute fürchte, was ich gestern wünschte – selten umgekehrt.
Alltag, gefährlichste Droge, von keinem Betäubungsmittelgesetz verboten
Der Heilige Geist ist keine Zimmerlinde, vielmehr vergleicht die Schrift ihn mit dem Winde.
Schonungsloser als Wünsche stellen Begierden uns bloß
Was soll der Vorwurf, daß jemand ein gestörtes Verhältnis zur Wirklichkeit habe? Als wäre Wirklichkeit etwas anderes als auch das gestörte Verhältnis mancher zu ihr.
Auch ich kann nicht beten. Ich glaube, man sieht uns allen an, daß wir nicht beten können. Man sieht es auch denen an, die weiterhin beten oder zu beten meinen. Dennoch kann ich mir die Sprache einer besseren Zukunft nicht vorstellen ohne etwas wie Gebete.
Aber es kommt eine Auferstehung, die ganz anders wird als wir dachten. Aber es kommt eine Auferstehung, die ist der Aufstand Gottes gegen die Herren.
Obschon er aufgehört hatte, Herr der Lage zu sein, blieb eine Katastrophe aus, weil sie sich mit ruhiger Umsicht als Frau der Lage bewährte.
Herr Schweizer Sogleich nach seinem Eintritt in den Himmel erkundigt er sich nach dem dortigen Auslandschweizerverein.
Älter als „Schriftsteller“ ist der Begriff „Autor“, lateinisch „auctor“. Zu Grunde liegt ihm das Verbum „augere“, vermehren. Autoren, Vermehrer also – von Wörtern? Gedanken? Büchern? Und gleich hat man die gräßliche Frankfurter Buchmesse vor Augen.
Warum Warum schreiben Sie? Auf diese Frage kann ich in zwei Varianten nur immer dieselbe Antwort geben: a) Ich folge einem Schreibtrieb. b) Ich leide an einem Schreibtrieb Was sonst noch an Erklärungen, Begründungen, Rechtfertigungen vorzubringen wäre, sind Halbwahrheiten a posteriori
Auch durch die lange Nacht hindurch hat mein Körper mich unaufgefordert und erfolgreich gegen die Angriffe von Bakterien und Mikroben, gegen Zerfall und Fäulnis verteidigt. Was verspricht er sich von mir?
Einen professionellen Schriftsteller kann ich mir nicht vorstellen, bemerkte allerdings Claude Simon, Nobelpreisträger für Literatur, ich jedenfalls bin Amateur.
Das Gerede von „Leistungsträgern“ beleidigt die Möbelträger, die Briefträger, die Gepäckträger.
Bete und arbeite, sagte Benedikt von Nursia. Mach auch die Arbeit zum Gebet, sagte Luther. Bete um Arbeit, sagte Pfarrer N. zum Arbeitslosen.
Manchen bin ich einiges, einigen bin ich vieles schuldig geblieben. Und die Zeit läuft davon. Wessen Liebe kann das noch gut machen? Die meine nicht. Nein, die meine nicht.
Herzlichkeit: Das Fest, das einzige, das zählt.
Unerbittlich zerstören Nutzen und Nutzung diesen Planeten. Das Nutzlose allein hat noch Erbarmen mit uns.
Stille kommt zu keiner Geburt mehr, die Frucht wird vorher schon abgetrieben.
Wo Gott kein Fest mehr wird, hat er aufgehört, Alltag zu sein.
Sonne Die uns sehen läßt ist selber blind.
Nichts zu machen: man muß sich durchsetzen können, von Geburt an. Die Geburt selbst ist ein Akt der Durchsetzung, der erste und der erfolgreichste von vielen.
Zeit vollendet sich in jedem Augenblick.
Wie der Mensch ist auch Gott zur Ware geworden: Religion ist die Branche, die sie umsetzt.
Gefragt, weshalb er schreibe, gab er zur Antwort: Weil ich zu faul bin zum, Lesen. Ein Buch, das zu lesen ich Lust haben könnte, schreibe ich mir. Ist es geschrieben, brauch ich’s nicht mehr zu lesen.
Klage eines Flüchtlings im Asylland: Wann endlich darf ich sagen, was ich möchte, anstatt immer nur fragen zu müssen, was ich darf?
Wunder „Zart und genau“ meint ferner: die Wiederentdeckung des täglichen Wunders, das Außerordentliche des Selbstverständlichen, die Heiligung des Banalen, die Verwandlung des homo faber in den homo admirans.