Karl Kraus Zitate
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Ich bin so populär, daß einer, der mich beschimpft, populärer wird als ich.
Man zeigt heute unverhohlen, was einer dem andern stahl. Und wer von den andern gestohlen, der gilt als Original.
Ich bin bescheiden, ich weiß, mein Leben durchzieht nur die Frage: Fahrn mer Euer Gnaden? Aber es kommt auf die Geistesgegenwart an, mit der ich immer eine neue Antwort finde.
In die Irre geht, wer nur den einen hört.
Wenn ein Fürst geehrt werden soll, werden die Schulen geschlossen, wird die Arbeit eingestellt und der Verkehr unterbunden.
Wenn ich manche Leute zurückgrüße, so geschieht es nur, um ihnen ihren Gruß zurückzugeben.
Hält man sich die Ohren zu, hört man kein Stöhnen mehr.
Man kann eine Frau nicht hoch genug überschätzen.
Das Weib läßt sich keinen Beschützer gefallen, der nicht zugleich eine Gefahr ist.
Was vom Stoff lebt, stirbt vor dem Stoffe. Was in der Sprache lebt, lebt mit der Sprache.
Es kommt darauf an, sich zu konzentrieren, dann findet man das Beste. Man kann aus dem Kaffeesatz weissagen, ja man kann sogar im Anblick einer Frau auf Gedanken kommen.
Ich bin vorsichtig geworden. Als ich einmal einen Anbeter hinauswarf, wollte er mich wegen Religionsstörung anzeigen.
Ein Hausknecht bei Nestroy wird mit der Last des Lebens fertig und wirft die Langeweile zur Tür hinaus. Er ist handfester als ein Professor der Philosophie.
Sollte man, bangend in der Schlachtordnung des bürgerlichen Lebens, nicht die Gelegenheit ergreifen und in den Krieg desertieren?
Seine Überzeugung ging ihm über alles, sogar über sein Leben. Doch er war opfermutig, und als es dazu kam, gab er gern seine Überzeugung für sein Leben hin.
Sobald der Platz an der Sonne errungen ist, geht sie unter.
Ein Weib ist manchmal ein ganz brauchbares Surrogat für die Selbstbefriedigung. Freilich gehört ein Übermaß von Phantasie dazu.
Es gibt Menschen, die heiser werden, wenn sie ununterbrochen acht Tage lang mit niemand ein Wort gesprochen haben.
Auf den Pegasus machen sich jetzt viele Roßtäuscher Hoffnung.
Willst du ein klares Urteil über deine Freunde gewinnen, so frage deine Träume.
Eine Frau, die nicht häßlich sein kann, ist nicht schön.
Die Quantität läßt nur noch einen Gedanken zu: abzubröckeln.
Wenn eine Kultur fühlt, daß es mit ihr zu Ende geht, läßt sie den Priester kommen.
Als normal gilt, die Virginität im allgemeinen zu heiligen und im besonderen nach ihrer Zerstörung zu lechzen.
Als ich las, wie ein Nachahmer das Original pries, war es mir, als ob eine Qualle ans Land gekommen wäre, um sich über den Aufenthalt im Ozean günstig zu äußern.
Es ist äußerste Undankbarkeit, wenn die Wurst das Schwein ein Schwein nennt.
Zuerst schnüffelt der Hund, dann hebt er das Bein. Gegen diesen Mangel an Originalität kann man füglich nichts einwenden. Aber daß der Literat zuerst liest, bevor er schreibt, ist trostlos.
Was Deutschland und Österreich trennt, ist die gemeinsame Sprache.
Wer offene Türen einrennt, braucht nicht zu fürchten, daß ihm die Fenster eingeschlagen werden.
Sie legen ihnen die Hindernisse in den Weg, von denen er sie befreien wollte.
In Deutschland bilden zwei einen Verein. Stirbt der eine, so erhebt sich der andere zum Zeichen der Trauer von seinem Platze.
Weiber sind Grenzfälle.
Der Liberalismus kredenzt ein Abspülwasser als Lebenstrank.
Der Skandal fängt an, wenn die Polizei ihm ein Ende bereitet.
Die Unsterblichkeit ist das einzige, was keinen Aufschub verträgt.
Wenn die Sonne der Kultur niedrig steht, werfen selbst Zwerge einen langen Schatten.
Die Mission der Ämter ist es, die Erhebungen zu pflegen, die eben dadurch zu entstehen pflegen.
Das ist immer noch nicht die richtige Einsamkeit, in der man mit sich beschäftigt ist.
Den Witz eines Witzigen erzählen heißt bloß einen Pfeil aufheben. Wie er abgeschossen wurde, kann das Zitat nicht zeigen.
Erotik ist die Überwindung von Hindernissen. Das verlockendste und populärste Hindernis ist die Moral.
An einem wahren Porträt muß man erkennen, welchen Maler es vorstellt.
Die kleinen Stationen sind sehr stolz darauf, dass die Schnellzüge an ihnen vorbei müssen.
Wenn ich die Verlorenheit der Welt an ihren Symptomen beweise, so kommt immer ein Verlorener, der mir sagt: Ja, aber was können die Symptome dafür? Die müssen ja doch und tun’s selbst nicht gern! – Ach, ich tu’s auch nicht gern und muß doch.
Mancher Literat hat die Entschuldigung, daß er unter dem unwiderstehlichen Zwang einer Schreibmaschine handelt. Man glaubt zu diktieren und es wird einem diktiert.
Nichts ist dem Kommis teurer als ein Ehrenwort. Aber bei Abnahme einer größeren Partie wird Rabatt gewährt.
Ich habe gegen die Romanliteratur aus dem Grunde nichts einzuwenden, weil es mir zweckmäßig erscheint, daß das, was mich nicht interessiert, umständlich gesagt wird.
Ein Blitzableiter auf einem Kirchturm ist das denkbar stärkste Mißtrauensvotum gegen den lieben Gott.
Das ist kein rechtes Lumen, das dem Verstande nicht zum Irrlicht wird.
Die Menschheit kann an jedem Tage und vor jeder Zeile sehen, dass sie verloren ist, wenn sie sich dem Journalismus ausliefert.
Ich bin jederzeit bereit, zu veröffentlichen, was ich einem Freunde unter dem Siegel tiefster Verschwiegenheit mitteile.