Karl Kraus Zitate
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Ein Paradoxon entsteht, wenn eine frühreife Erkenntnis mit dem Blödsinn ihrer Zeit zusammenprallt.
Das eben ist der Unterschied der Geschlechter: die Männer fallen nicht immer auf einen kleinen Mund herein, aber die Weiber immer auf eine große Nase.
Mit dem Dieb ist auch der Eigentümer entlarvt.
Der Klügere gibt nach, aber nur einer von jenen, die durch Schaden klug geworden sind.
Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage, und ich sage nicht, was sie hören möchte.
Welch sonderbarer Aufzug! Sie geht hinter ihm, wie eine Leiche hinter dem Leidtragenden.
Am Scheideweg der Worte muss man schwanken, ob dies da besser oder jenes dort. Denn der Gedanke hält nicht immer Wort, jedoch das Wort hält mancherlei Gedanken.
Mache ich die Reporter verantwortlich? Das konnte man nie glauben. Die Institution? Das tat ich vor Jahren. Das Bedürfnis des Publikums? Auch nicht mehr. Wen oder was mache ich verantwortlich? Immer den, der fragt.
Nur die Kunst ist so eigenwillig, daß sie das Talent der Finger und Ellbogen nicht als Befähigungsnachweis gelten läßt.
Größere Gegner gesucht. (Inserat von Karl Kraus in der Zeitschrift Die Fackel)
Wer jetzt übertreibt, kann leicht in den Verdacht kommen, die Wahrheit zu sagen. Wer erfindet, informiert zu sein.
Wenn der Ernst des Lebens wüßte, wie ernst das Leben ist, er würde sich nicht erfrechen, die Kunst heiter zu finden.
Die Bundesbahn ist ein Großgrundbesitzer mit eigenem unrentablem Fuhrpark.
Demokratisch heißt jedermanns Sklave sein zu dürfen.
Schreiet Mordio, so ist ein Mord begangen, murmelt Abracadabra, so ist es Religion, schreibet Auspuffleitungen von Dynamos, und es ist Wissenschaft.
Wenn ein Schwätzer einen Tag lang keinen Hörer hat, wird er heiser.
Die Aufgabe der Religion: die Menschheit zu trösten, die zum Galgen geht. Die Aufgabe der Politik: Sie lebensüberdrüssig zu machen; die Aufgabe der Humanität: ihr die Galgenfrist zu verkürzen und die Henkersmahlzeit gleich zu vergiften.
Ein Witzbold: Kopfjucken ist keine Gehirntätigkeit.
In der erotischen Sprache gibt es auch Metaphern. Der Analphabet nennt sie Perversitäten. Er verabscheut den Dichter.
Dem Gesunden genügt das Weib. Dem Erotiker genügt der Strumpf, um zum Weib zu kommen. Dem Kranken genügt der Strumpf.
Das österreichische Leben hat eine Entschädigung: Die schöne Leich.
Die Weiber haben wenigstens Toiletten. Aber womit decken die Männer ihre Leere?
Es kommt gewiß nicht bloß auf das Äußere einer Frau an. Auch die Dessous sind wichtig.
Der Judaskuss, den die christliche Kultur dem menschlichen Geiste gab, war der letzte Geschlechtsakt, den sie gewährte.
Die Frau braucht in Freud‘ und Leid, außen und innen, in jeder Lage den Spiegel.
Es gibt noch Menschen unter uns, die so aussehen, als ob sie eben von der Kreuzigung Christi kämen, und andere, die zu fragen scheinen: Was hat er gesagt? Wieder andere, die es niederschreiben unter dem Titel „Die Vorgänge auf Golgatha“.
Er ließ einem Größenwahn, der nicht von ihm ist, die Zügel, die er sich ausgeborgt hatte, schießen.
Der Zuhälter ist das Vollzugsorgan der Unsittlichkeit. Das Vollzugsorgan der Sittlichkeit ist der Erpresser.
Eine gewisse Psychoanalyse ist die Beschäftigung geiler Rationalisten, die alles in der Welt auf sexuelle Ursachen zurückführen mit Ausnahme ihrer Beschäftigung.
Was sind all die Orgien des Bacchus gegen die Räusche dessen, der sich zügellos der Enthaltsamkeit ergibt!
Wo die Sonne der Weisheit am tiefsten steht, werfen selbst Zwerge große Schatten.
Der Historiker ist oft nur ein rückwärts gekehrter Journalist.
Eine der am meisten verbreiteten Krankheiten ist die Diagnose.
Daß einer sich der Sprache bedient, um zu sagen, daß ein Minister untauglich ist, macht ihn noch nicht zum Schriftsteller.
Was die Lues [Syphilis] übriggelassen hat, wird von der Presse verwüstet werden. Bei den Gehirnerweichungen der Zukunft wird sich die Ursache nicht mehr mit Sicherheit feststellen lassen.
Diplomatie ist ein Schachspiel, bei dem die Völker matt gesetzt werden.
Ich kenne ein Land, wo die Automaten Sonntagsruhe haben und unter der Woche nicht funktionieren.
Das Wesen der Prostitution beruht nicht darauf, daß sie sich’s gefallen lassen müssen, sondern daß sie sich’s mißfallen lassen können.
Ein Plagiator sollte den Autoren hundertmal abschreiben müssen.
Es genügt nicht, keinen Gedanken zu haben: man muss ihn auch ausdrücken können.
Psychoanalyse ist die Kunst, von einem Patienten das ganze Jahr zu leben.
In zweifelhaften Fällen entschließe man sich für das Richtige.
Er hatte ein Art „Zahlen!“ zu rufen, daß es der Kellner für eine Forderung hielt und erst recht nicht kam.
Entwicklung ist Zeitvertreib für die Ewigkeit. Ernst ist’s ihr nicht damit.
Lieben, betrogen werden, eifersüchtig sein – das trifft bald einer. Unbequemer ist der andere Weg: Eifersüchtig sein, betrogen werden und lieben!
Ich hatte eine schreckliche Vision: Ich sah ein Konversationslexikon auf einen Polyhistor zugehen und ihn aufschlagen.
Wenn man es nicht kann, dann ist ein Roman noch leichter zu schreiben als ein Aphorismus.
Qual des Lebens – Lust des Denkens.
Kinder spielen Soldaten. Das ist sinnvoll. Warum aber spielen Soldaten Kinder?
Ein Polizist nimmt es meistens übel, wenn man ihn in eine Amtshandlung einmengt.